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SPD-Mitgliederbegehren gegen Bürgergeld-Reform: Wie es jetzt weitergeht

Mit einem Aufruf „Gegen die Entsolidarisierung“ wenden sich SPD-Mitglieder gegen die geplanten Verschärfungen der Sanktionen beim Bürgergeld. Die erste Hürde für ein Mitgliederbegehren ist genommen. Nun ist der Parteivorstand am Zug. 

von Vera Rosigkeit · 10. November 2025
frühere Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel und Helena Steinhaus vom Verein Sanktionsfrei e. V.

Bei der Übergabe der Unterschriften für ein Mitgliederbegehren gegen die Verschärfungen der Sanktionen beim Bürgegeld vor dem Berliner Willy-Brandt-Haus: Die frühere Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel und Helena Steinhaus vom Verein Sanktionsfrei e.V.

Mehr als 4.000 SPD-Mitglieder haben sich in einer Online-Petition gegen die Verschärfungen beim Bürgergeld ausgesprochen. Sie haben damit die Schwelle von einem Prozent an SPD-Mitgliedern erreicht, um ein Mitgliederbegehren in Gang zu bringen. Eine der Initiator*innen, die frühere Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel, brachte die Mappe mit den Unterschriften am Montag persönlich zum Berliner Willy-Brandt-Haus, um das Begehren offiziell bei der Parteiführung einzureichen. Unterstützung erhielt Drohsel dabei von Helena Steinhaus vom Verein „Sanktionsfrei“.

Mit der Unterschriftensammlung sende die SPD-Basis ein klares Signal, dass sich die Sozialdemokratie nicht an einer Politik beteiligen dürfe, „die Armut bestraft und Solidarität infrage stellt“, heißt es dazu im Aufruf an die Mitglieder mit dem Titel „Gegen die Entsolidarisierung“. Gefordert wird eine Politik, die auf „Vertrauen, Unterstützung und Gerechtigkeit setzt – nicht auf Druck und Sanktionen“. Die Initiator*innen erwarten vom Parteivorstand eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Forderungen des Begehrens. 

Was kritisieren die SPD-Mitglieder an der geplanten Bürgergeld-Reform?

Die Kritik wendet sich in erster Linie gegen die geplanten Sanktionen, die mit der neuen Reform hin zur Grundsicherung künftig deutlich schneller und härter greifen sollen. Bislang wurden Sanktionen gestaffelt vorgenommen und mussten schriftlich angekündigt werden, Jobcenter konnten bei unentschuldigtem Nicht-Erscheinen zeitweise zehnProzent, dann 20 Prozent und schließlich 30 Prozent des Regelsatzes kürzen. 

Dagegen sieht die neue Regelung vor, demjenigen die Geldleistung komplett zu streichen, wer den dritten Termin beim Jobcenter verpasst. Wenn die Person auch im Folgemonat nicht im Jobcenter erscheint, können auch die Leistungen für die Wohnkosten gestrichen werden. „Es darf nicht sein, dass Menschen alle Leistungen entzogen werden, sie nicht einmal mehr Gelder für Wohnung und Heizung erhalten“, heißt es dazu im Aufruf an die Mitglieder. Auch sollen das Schonvermögen und die Karenzzeit beibehalten und nicht wie im Gesetz zur neuen Grundsicherung vorgesehen, abgeschafft werden. 

Was wird an der Debatte um die neue Grundsicherung kritisiert?

Für Ex-Juso-Chefin Drohsel gehe es aktuell auch darum, ein Signal zu senden, „dass wir den Diskurs, der derzeit geführt wird, nicht gut finden“, sagte sie am Montag kurz vor der Abgabe der Stimmen. Für sie spiegeln die derzeitigen Debatten rund um vermeintliche „Arbeitsverweigerungen rechte und neoliberale Narrative“ wider. Die symbolpolitischen Maßnahmen böten „keine Lösungen für reale Probleme wie den Niedriglohnsektor, Wohnungsmangel oder Bildungsungleichheit“. Die Initiator*innen fordern stattdessen eine Weiterentwicklung des Bürgergeldes zu einer armutsfesten Grundsicherung.

Was sagt der SPD-Parteivorstand zum Mitgliederbegehren?

Er habe Verständnis für die Diskussion, erklärte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf bereits in der vergangenen Woche bei einer Pressekonferenz nach einer Vorstandssitzung seiner Partei in Berlin. Die Reform zum Bürgergeld sei ein Punkt gewesen, „der uns schwer gefallen ist, auch in den Koalitionsverhandlungen“. Aber die Partei sei stabil bei dem was jetzt unter der Leitung von Arbeitsministerin Bärbel Bas ausgehandelt worden ist, fügte er hinzu. „Unsere Haltung ist sehr klar bei allem Verständnis für die Diskussion.“

Wie geht es nun weiter?

Nach der Übergabe der für ein Begehren notwendigen Stimmen ist der Parteivorstand an der Reihe. Er muss zunächst die Zulässigkeit prüfen und bei einem positiven Bescheid den initiierenden Mitgliedern den Zugang zur Online-Plattform bereitstellen, auf der sich die Mitglieder anschließend eintragen können. Damit wäre der Prozess für ein Mitgliederbegehren gestartet. Das Begehren ist erfolgreich, wenn binnen einer Frist von drei Monaten 20 Prozent der Mitglieder unterzeichnen. Das wären deutschlandweit mehr als 70.000 Genoss*innen, die unterschreiben müssten. 

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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