Inland

SPD-Fraktionsvize zur Grundsicherung: „Vieles aus dem Bürgergeld bleibt“

Eine „Grundsicherung“ soll das Bürgergeld ablösen. Darauf hat sich die Bundesregierung geeinigt. SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt sieht darin einen guten Kompromiss – und setzt darauf, mit der Einigung Vertrauen zurückzugewinnen.

von Kai Doering · 16. Oktober 2025
SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt vor einer roten Wand mit dem Logo der SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt: Viele Menschen haben die Debatte um die Grundsicherung als zermürbend erlebt.

Die Koalition hat in der vergangenen Woche ihre Vorstellungen einer „neuen Grundsicherung“ vorgelegt, die das Bürgergeld ablösen soll. Wie bewerten Sie die Pläne?

Die neuen Regelungen zur Grundsicherung sind ein guter und verantwortungsvoller Kompromiss. Wichtig ist es, dass wir als SPD dafür gesorgt haben, dass nicht nur die Vorstellungen der Union Eingang finden, sondern dass die Grundsicherung auch weiterentwickelt wird. So wollen wir z.B. den Erwerbsfähigkeitsbegriff realitätsnäher fassen, damit niemand durchs Raster fällt und jede und jeder die Unterstützung bekommt, die wirklich gebraucht wird. 

Langzeitarbeitslose sollen künftig engmaschiger begleitet und verbindlich zu persönlichen Gesprächen eingeladen werden – denn niemand darf im System einfach vergessen werden. Eltern mit kleinen Kindern werden gezielter beraten und unterstützt, damit sich Familie und berufliche Perspektiven besser vereinbaren lassen. Gleichzeitig stärken wir Reha- und Gesundheitsangebote, vereinfachen Abläufe und qualifizieren die Mitarbeitenden besser – insbesondere im Umgang mit psychischen Erkrankungen der Arbeitslosen. Und um die Jobcenter zu entlasten, vereinfachen wir die Leistungen für getrennt erziehende Eltern, indem wir die temporäre Bedarfsgemeinschaft abschaffen.

Dagmar
Schmidt

Wer Unterstützung braucht, soll sie bekommen. Wer bewusst nicht mitmacht, muss mit Konsequenzen rechnen.

Hauptkritikpunkt von Sozialverbänden und Jusos sind die verschärften Sanktionen: Deutlicher schneller als beim Bürgergeld sollen Leistungsberechtigten künftig Geldleistungen vollständig gestrichen werden können. Wie steht die SPD-Bundestagsfraktion dazu?

Ja, die Sanktionsregelungen werden verschärft – und ja, es kann in bestimmten Fällen zu vollständigen Kürzungen kommen. Aber entscheidend ist: Das darf nicht die Falschen treffen. Sanktionen müssen diejenigen betreffen, die sich bewusst entziehen und nicht mitwirken wollen – nicht die, die aus gesundheitlichen oder anderen schwerwiegenden Gründen nicht können. Genau darauf achten wir als SPD ganz besonders. Unser Ziel ist kein System des Misstrauens, sondern eines der Fairness und Verantwortung: Wer Unterstützung braucht, soll sie bekommen. Wer bewusst nicht mitmacht, muss mit Konsequenzen rechnen. 

Die Einführung des Bürgergelds war eines der Hauptprojekte der SPD in der vergangenen Legislatur. Nun wird es bald „der Vergangenheit angehören“, wie Bundeskanzler Friedrich Merz gesagt hat. Wie sehr schmerzt das?

Die neuen Regelungen selbst tun gar nicht so weh, wie es die vorherige Diskussion vermuten ließ. Vieles aus dem Bürgergeld, wie Vertrauen aufbauen, Augenhöhe und mit Qualifizierung unterstützen bleibt. Viele Menschen haben die Debatte um die Grundsicherung als zermürbend erlebt. Sie hat Unsicherheit ausgelöst – bei denen, die auf Unterstützung angewiesen sind, aber auch bei denen, die Tag für Tag arbeiten und auf einen verlässlichen Sozialstaat vertrauen. Was bleibt, ist bei vielen das Gefühl, dass über sie gesprochen wurde, statt mit ihnen. Gerade deshalb ist es jetzt wichtig, Vertrauen zurückzugewinnen: mit Respekt, Verlässlichkeit und einem Sozialstaat, der Sicherheit gibt – nicht Angst. Denn Menschen brauchen das Gefühl, dass sie gesehen und verstanden werden.

Dieses Interview wurde schriftlich geführt.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

Weitere interessante Rubriken entdecken

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Do., 16.10.2025 - 11:48

Permalink

Da startet von interessierter Seite ein Großangriff auf die sozialen Erungenschaften, u.a. der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften, und SPD-Politiker preisen dann einen "Kompromiss" an. Los geht es mit dem Bürgergeld begleitet von Betrugshetze etc., aber auf der Tagesordnung (neudeutsch: Agenda) stehen dann auch noch Rente, Krankenversicherung, Arbeitszeit, Bildung ........ und die SPD macht dann immer einen "Kompromiss".
Genau so eine Politik geleitet die Bürger zur afd und weit, weit weg von der SPD. Wenn die ihre Aufgaben (z,B. Partei- und Wahlprogramme) nicht mehr erfüllt, dann braucht sie keiner mehr.

Schreibe einen Kommentar

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.