Inland

Neue Bürgermeisterin von Oranienburg: Mit Sachpolitik gegen AfD-Hetze

In Oranienburg hat Jennifer Collin-Feeder eine AfD-Bürgermeisterin verhindert. Die Sozialdemokratin meint: Es bringe wenig, die Wähler*innen vor dem Rechtsextremismus der AfD zu warnen. Sie setzt auf eine andere Strategie.

von Carl-Friedrich Höck · 3. November 2025
Von Platz 5 auf Platz 1: Jennifer Collin-Feeder (SPD) wurde in Oranienburg zur neuen Bürgermeisterin gewählt.

Von Platz 5 auf Platz 1: Jennifer Collin-Feeder (SPD) wurde in Oranienburg zur neuen Bürgermeisterin gewählt.

Der parteilose Amtsinhaber kam im ersten Wahlgang nur auf Platz fünf aller Kandidierenden. Offensichtlich sind viele Oranienburger*innen mit der bisherigen Leitung im Rathaus unzufrieden. Collin-Feeder will nicht schlecht über ihren Vorgänger sprechen. Doch auch sie hat sich an manchem gestört, wie sie bei einem Treffen im Stadtzentrum von Oranienburg erzählt: Der kommunale Haushalt sei viel zu spät aufgestellt worden, den Ausbau der Infrastruktur für die Stromversorgung habe die Stadt verschlafen und die Feuerwehr warte seit zehn Jahren auf neue Gebäude.

SPD-Kandidatin brachte Verwaltungserfahrung mit

Die SPD-Politikerin will es besser machen. Die studierte Politikwissenschaftlerin bringt gute Voraussetzungen mit, um die Stadtverwaltung professioneller zu führen. Zehn Jahre lang hat sie im Brandenburger Bildungsministerium gearbeitet. Seit 2019 ist sie Stellvertretende Bürgermeisterin in der Nachbarstadt Velten. „Das war eine enorm gute Schule“, meint Jennifer Collin-Feeder. Sie habe gelernt, wie wichtig klare Prioritäten in der Verwaltung seien und dass es eine positive Fehlerkultur brauche.

Im Wahlkampf hat Collin-Feeder erst einmal zugehört, was die Oranienburger*innen bewegt. Sie hat Unternehmen und Vereine besucht und im Haustürwahlkampf an rund 4.000 Türen geklingelt. Nicht immer waren die Reaktionen freundlich. Eingeprägt hat sich ihr ein Erlebnis in einer Plattenbausiedlung: Ein Mann schimpfte laut durch den ganzen Hausflur darüber, dass sie sich überhaupt noch hierher traue. Sie habe entgegnet: „Selbstverständlich bin ich hier vor Ort! Ich bin hier aufgewachsen, ich bin eine von euch.“ Danach wurde das Gespräch sachlicher, es ging um die Entwicklung der Innenstadt. Am Ende habe man sich die Hand gegeben und gegenseitig versichert, dass man sich sympathisch finde, berichtet die 40-Jährige. „Gewählt hat er mich wahrscheinlich nicht.“ Trotzdem sei es wichtig gewesen, den Dialog auf Augenhöhe zu führen. Ihre Partei müsse eine Kümmerer-Funktion haben.

Wirtschaft und Soziales Kernthemen ihres Wahlkampfes

Inhaltlich hat die SPD-Kandidatin die Themen Wirtschaft und Soziales nach vorne gestellt. Sie will die Wirtschaftsförderung stärken und neue Gewerbegebiete ausbauen. Davon erhofft sie sich Einnahmen, die es der Kommune ermöglichen, auch die sozialen Themen voranzutreiben. Sie sagt: „Wir haben acht Ortsteile, die 2003 eingemeindet wurden. Die fühlen sich abgehängt, das zeigt sich auch in den Wahlergebnissen.“ Aus ihrer Sicht braucht es in jedem Ortsteil ein Dorfgemeinschaftshaus. Außerdem müsse in die Jugend investiert werden, also in neue Schulgebäude, und bei der Schulsozialarbeit dürfe keinesfalls gekürzt werden.

Die
Kontrahentin

Die AfD-Kandidatin Anja Waschkau gab sich im Wahlkampf gemäßigt.

Die Kontrahentin: Die AfD-Kandidatin Anja Waschkau gab sich im Wahlkampf gemäßigt.

Collin-Feeder will um AfD-Wähler*innen kämpfen

Dass so viele Oranienburger*innen zur AfD tendieren, erklärt Collin-Feeder sich mit Ängsten vor sozialem Abstieg. Die Krisen der vergangenen Jahre hätten diese noch verstärkt. Nur wenige Menschen hätten ihr gegenüber offen erklärt, dass sie die AfD wählen werden, erzählt die Sozialdemokratin. Diejenigen hätten dann meistens beklagt, dass sie sich von der SPD als Arbeiterpartei nicht mehr vertreten fühlten. Dann seien die klassischen Vorwürfe gekommen, etwa dass die Partei sich zu viel ums Gendern kümmere. „Denen ist schon klar, dass die AfD rechtsextrem ist. Aber sie wählen sie trotzdem, weil sie eigentlich uns damit ein Signal geben wollen.“ Collin-Feder sagt, sie habe viel um die Wähler*innen der AfD gekämpft. Aber sie habe diese niemals bevormundet oder mit dem Finger auf sie gezeigt. Stattdessen will sie die Bürger*innen mit guter Sachpolitik und einem offenen Ohr überzeugen.

Trotzdem bekam die SPD-Politikerin viel Hass ab. In den sozialen Medien sei sie aus der AfD-Bubble massiv beschimpft worden, habe auch strafrechtsrelevante Kommentare bekommen, erzählt Collin-Feeder. Vor acht Jahren hat sie schon einmal als Bürgermeisterin kandidiert. Damals wollte sie alle Facebook-Kommentare selbst lesen. Mittlerweile lässt sie sich von ihrem Team unterstützen und versucht, mental etwas Abstand zu den Hassbotschaften zu halten. „Ich habe mir immer in Erinnerung gerufen, dass es nicht gegen mich als Menschen geht“, sagt sie. Die Empörung richte sich gegen die Partei, die sie repräsentiere.

„Diese Stadt braucht keine Polarisierung“

Umgekehrt versucht Collin-Feder, stets ihre Haltung und die Contenance zu bewahren. Auch wenn sie ihrer Kontrahentin von der AfD begegnet, will sie freundlich bleiben. In ihrem linken Herzen falle ihr das manchmal schwer, sagt sie. Aber „diese Stadt braucht keine Polarisierung.“ Die künftige Bürgermeisterin möchte nicht dazu beitragen, dass sich die gesellschaftliche Spaltung verstärkt.

Am 6. Januar startet sie in ihre neue Aufgabe im Oranienburger Rathaus. Dann will sie aufs Tempo drücken, dass ein neuer Haushaltsplan und eine Investitionsplanung auf den Weg gebracht werden, damit die Feuerwehr endlich ihre Gerätehäuser bekommt und die Schulen ausgebaut werden können.

Dieser Text erschien zuerst auf demo-online.de

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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