Parteileben

Wie zwei SPD-Bürgermeister das schwarze Sauerland erobern

Während am Sonntag viele Kandidierende in Nordrhein-Westfalen in die Stichwahl müssen, haben Christof Bartsch und Ralf Paul Bittner ihr Bürgermeister-Amt bereits im ersten Wahlgang verteidigt – als Sozialdemokraten im CDU-geprägten Sauerland. Im Interview erklären sie, wie das gelungen ist.

von Kai Doering · 27. September 2025
Porträts der Bürgermeister Christof Bartsch und Ralf Paul Bittner

Haben ihr Bürgermeisteramt überzeugend im ersten Wahlgang verteidigt: Christof Bartsch (l.) in Brilon und Ralf Paul Bittner in Arnsberg

Im Sauerland ist für die SPD kein Blumentopf zu gewinnen. Seit es bei der Bundestagswahl den Wahlkreis „Hochsauerlandkreis“ gibt, ging er stets an den Kandidaten der CDU – meist mit Ergebnissen über 50 Prozent. Im Februar gewann hier der CDU-Vorsitzende und Bundeskanzler Friedrich Merz mit 47,7 Prozent. Merz wurde in Brilon geboren und wohnt in Arnsberg.

Allerdings: Beide Städte haben einen SPD-Bürgermeister: Ralf Paul Bittner in Arnsberg wurde gerade im ersten Wahlgang mit 57,3 Prozent im Amt bestätig, Christof Bartsch in Brilon sogar mit 65,5 Prozent. Damit lagen sie jeweils deutlich über dem Ergebnis der SPD bei der Ratswahl.

Die Bürgermeisterwahlen in Brilon und in Arnsberg haben Sie jeweils im ersten Wahlgang deutlich für sich entschieden – und das im Sauerland, das als sehr konservativ gilt. Haben Sie gewonnen, weil oder obwohl Sie in der SPD sind.

Christof Bartsch: Weder noch würde ich sagen. Bürgermeister-Wahlen sind immer in erster Linie Personenwahlen. Die Parteizugehörigkeit spielt da kaum eine Rolle. Natürlich hat die CDU hier im Sauerland einen gewissen Vorteil, sodass man als Bewerber der SPD stärker überzeugen muss, um gewählt zu werden. Dass die SPD in Brilon den Bürgermeister stellt, hat aber schon Tradition: Seit 1999 in Nordrhein-Westfalen die hauptamtlichen Bürgermeister eingeführt wurden, war es in Brilon immer ein Sozialdemokrat. Im Stadtrat sieht es anders aus. Da stellt immer die CDU die stärkste Fraktion. Und da machen sich aktuelle Stimmungen für oder gegen eine Partei auch deutlicher bemerkbar.

Ralf Paul Bittner: Die CDU startet im Sauerland von einem höheren Niveau. Als SPD-Bewerber hat man da immer einen weiteren Weg zu gehen, um über die Marke von 50 Prozent zu kommen – entweder gleich im ersten Wahlgang oder in der Stichwahl. Entscheidend ist dafür aus meiner Sicht, wie man sein Amt ausübt. Ich versuche das mit einer Mischung aus Professionalität und Bürgernähe hinzubekommen, was offenbar auch ganz gut klappt. Das ist nicht immer einfach, denn als Bürgermeister hat man eigentlich nie Feierabend und arbeitet 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche. Und als SPD-Kandidat muss man immer noch ein bisschen härter arbeiten.

Christof
Bartsch

Eine Herausforderung als Amtsinhaber ist es, die positiven Dinge bei den Menschen wieder in Erinnerung zu rufen und auch klarzumachen, welches Anforderungsprofil eigentlich hinter dem Bürgermeisteramt steht.

Gleichzeitig wird man als Amtsinhaber auch stärker wahrgenommen als die anderen Kandiat*innen. Gibt es als Bürgermeister einen Amtsbonus?

Bartsch: Auf jeden Fall – zumindest, wenn man eine solide Arbeit gemacht hat. Ansonsten kann er auch schnell zu einem Amtsmalus werden. Positive Dinge werden ja oft schnell vergessen, wohingegen sich Misserfolge häufig einbrennen. Eine Herausforderung als Amtsinhaber ist es deshalb, die positiven Dinge bei den Menschen wieder in Erinnerung zu rufen und auch klarzumachen, welches Anforderungsprofil eigentlich hinter dem Bürgermeisteramt steht.

Was meinen Sie damit?

Bartsch: Ein Bürgermeister wird ja meist bei repräsentativen Auftritten wahrgenommen. Dann wird er fotografiert, dann berichtet die Zeitung. Dass ein Großteil unserer Arbeit aus Verwaltung besteht, sieht dagegen kaum jemand, wie auch. Ich finde aber, dass es wichtig ist, dass die Menschen das verstehen, um ein richtiges Bild von diesem Amt zu bekommen und auf dieser Grundlage auch entscheiden können, wem sie zutrauen, es auszuüben.

Bittner: Wie schnell aus einem Amtsbonus auch ein Amtsmalus werden kann, habe ich gerade im Wahlkampf erlebt. Da hat mein Konkurrent von der CDU versucht, meine Amtsführung in Bezug auf Verwaltung und Umsetzung von Bauprojekten schlecht zu reden. Er war in vielen Vereinen, die hier in Arnsberg eine Rolle spielen, und hat dort viel Versprochen und in Bezug auf einige Projekte auch nicht immer fair argumentiert. Was in Wahlkämpfen ja leider nicht unüblich ist. Als jemand, der nicht in Verantwortung ist, kann man natürlich viel kritisieren und fordern. Entscheidend ist deshalb aus meiner Sicht, transparent zu sein. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen es verstehen, wenn manches nicht geht, wenn man ihnen erklärt, warum.

Ralf Paul
Bittner

Ein reiner Social-Media-Wahlkampf würde bei uns nicht funktionieren.

Haben Soziale Medien in Ihrem Wahlkampf eine Rolle gespielt?

Bittner: Ja, aber die Reichweite ist sehr begrenzt, habe ich festgestellt. Oft bespielt man doch vor allem die eigene Blase. Das ist natürlich auch wichtig, aber neue Wählergruppen erreicht man über die Sozialen Medien kaum. Da spielen zum Beispiel die Vereine eine viel größere Rolle, zumindest bei uns im Sauerland. Eine kleine Ausnahme ist TikTok. Da habe ich vor etwa einem Jahr angefangen, Videos auszuspielen und durchaus junge Leute erreicht, die ich sonst wahrscheinlich nicht erreicht hätte. Allerdings ist die Wahlbeteiligung in dieser Gruppe sehr überschaubar gewesen. Ein reiner Social-Media-Wahlkampf würde bei uns nicht funktionieren.

Bartsch: Wenn ich die Wahlkämpfe seit 2014 miteinander vergleiche, muss ich schon sagen, dass die Sozialen Medien an Bedeutung gewonnen haben. Heute verbringen die Menschen ja auch insgesamt viel mehr Zeit auf Plattformen als noch vor zehn Jahren. Insofern muss man da auch als Bürgermeister präsent sein. Das ersetzt aber auf keinen Fall die Präsenz im Analogen. Viel unterwegs zu sein, in den Vereinen, auf der Straße, bleibt das A und O. Das ist Kernerarbeit und sehr zeitintensiv, aber anders geht es nicht.

Bittner: Präsent und ansprechbar zu sein, ist entscheidend, auf jeden Fall. Ich habe mir deshalb extra Formate überlegt wie Kinder- und Jugendsprechstunden, Bürgerspaziergänge in den Ortsteilen, Marktgespräche und auch Unternehmens- und Vereinsstammtische. Zu Beginn des Wahlkampfs haben wir zusätzlich noch eine Dörfer- und Stadtteil-Tour gemacht. Wir haben fast 20 Termine gehabt, waren jedes Wochenende unterwegs und das über Monate hinweg. Das war extrem aufwändig und anstrengend, hat sich aber ausgezahlt. Und noch etwas Neues haben wir ausprobiert.

Das wäre?

Bittner: Wir haben uns dazu entschieden, einen Kinospot zu produzieren. Das war recht kostspielig, hat sich aber ausgezahlt. Über verschiedene Kinos haben wir in einer Woche 5000 Leute erreicht.

Bartsch: Dasselbe habe ich auch gemacht in unserem Fünf-Säle-Kino in Brilon. Mein Spot ist auch sehr gut angekommen. Viele haben mich darauf angesprochen. Wichtig ist dabei, dass solch ein Kino-Spot vor allem Emotionen weckt. Da muss man nicht mit Fakten kommen. Ich denke, insgesamt ist für einen erfolgreichen Wahlkampf die richtige Mischung der Formate entscheidend.

Ralf Paul
Bittner

Wenn ich durch die Straßen gehe und mich Menschen ansprechen, dass sie froh sind, was wir umgesetzt haben, ist das eine Riesenmotivation.

Ihr Kollege Rico Badenschier, der Oberbürgermeister von Schwerin, hat gerade seinen Rücktritt zum Jahresende angekündigt, auch weil er Politik gegen eine Mehrheit im Rat machen muss. Auch bei Ihnen hat sie SPD im Rat nicht die Mehrheit. Was motiviert Sie, weiterzumachen?

Bartsch: Um ehrlich zu sein, macht mir meine Arbeit sogar von Tag zu Tag noch mehr Spaß. Es gibt hochinteressante Sachfragen, denen ich mich auch gerne 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche widme. Und ich mag es auch, morgens ins Rathaus zu gehen und nicht zu wissen, was mich bis abends alles erwartet. Was ich nicht so gern mag, sind die politischen Auseinandersetzungen, wenn Dinge nur aus parteipolitischen Gründen hochgezogen werden und die Sacharbeit gelähmt wird. Das finde ich ärgerlich und ermüdend.

Bittner: Das ist ein schönes Plädoyer, das ich so unterschreibe. Leider gibt es immer wieder Politiker, die nur darauf aus sind, die eigene Arbeit schlecht zu machen bis hin, sie zu sabotieren. Das frisst unglaublich viel Energie, was einfach unnötig ist, denn das Wohl der Stadt steht dabei nie im Vordergrund. Zum Glück haben wir in Arnsberg seit der Kommunalwahl eine Situation, in der es keine Mehrheit gegen die SPD geben kann, auch wenn wir knapp hinter der CDU gelandet sind. Wenn ich durch die Straßen gehe und mich Menschen ansprechen, dass sie froh sind, was wir umgesetzt haben, ist das eine Riesenmotivation. Etwas Gutes für die Gemeinschaft zu bewegen ist das, was ich immer wollte. Und als Bürgermeister habe ich jeden Tag die Gelegenheit dazu.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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