Kultur

Film „Splitter aus Licht“: Wie Menschen in der Ukraine dem Krieg trotzen

Ihre alte Welt ist verloren und die neue nur eine diffuse Ahnung: Der Dokumentarfilm „Splitter aus Licht“ zeigt, welche Wege Ukrainer*innen gefunden haben, um mit dem Krieg zu leben und sich selbst zu behaupten.

von Nils Michaelis · 30. Oktober 2025
Ukrainische Schulmädchen lernen, wie man Minen umgeht

Überlebenswichtig in der Ukraine: Schulkinder lernen, wie man mit Minen umgeht.

Schon wieder ein Stück über den Krieg? So langsam macht sich bei der Kindertheatergruppe in der ukrainischen Stadt Borodjanka Frust breit. Vor dem Dauerthema weglaufen können die Mädchen und Jungen allerdings nicht. Dafür genügt ein Blick durchs Fenster auf die verkohlten Reste der Wohnblocks, die von russischen Raketen zerfetzt wurden. Am Ende bewegen sich die Kinder dann doch ohne zu murren im Kreis und lassen in gesprochenen Textfragmenten Erinnerungen an die ersten Tage von Russlands Großangriff lebendig werden.

Das blutige Gesicht von Russlands Besatzung in der Ukraine

Borodjanka war einer der Orte im Raum Kiew, wo nach dem Abzug der russischen Truppen im Frühjahr 2022 etliche getötete Zivilisten gefunden wurden und sich das blutige Gesicht des Besatzungsregimes gezeigt hatte. Kurz nach der Befreiung von Borodjanka, Butscha und Irpin reiste die ukrainisch-deutsche Filmemacherin Mila Teshaieva dorthin, um die Folgen der Gewalt für die Menschen zu dokumentieren und ihre Geschichten zu hören. Aus diesen Anfängen entwickelte sie gemeinsam mit Regisseur und Kameramann Marcus Lenz eine Langzeitbeobachtung, die bis zum Jahr 2024 reicht und nun im Kino zu sehen ist. 

„Diese ersten Monate des Krieges waren voller unermesslichen Schmerzes, aber auch voller kollektiver Entschlossenheit, zu beweisen, dass das Leben den Tod besiegen kann“, so Mila Teshaieva in einem Interview über die Ursprünge des Films. Dieser hat mehrere Erzählebenen: Es geht um das Leben nach der Besatzung und im Krieg. Und um den Versuch, den Krieg auch mal auszublenden, selbst wenn man weiß, dass er plötzlich wieder sehr präsent sein kann. Um Durchhalten, Konflikte und Solidarität. 

Auch schwingt die Frage mit, wie sich der Krieg auf das gesellschaftliche Klima und das Agieren der ukrainischen Behörden gegenüber den Bürger*innen auswirkt. Und was es braucht, ein kriegsversehrtes Land auch geistig und moralisch wieder aufzubauen, während die Traumata an Kraft gewinnen und die Kämpfe mit unabsehbarem Ende weiter toben.

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Unterwegs in Trümmern und Schulgebäuden

All diese Facetten, die sich eng an individuellen und kollektiven Erfahrungswelten orientieren, schildert der Film auf sehr konkrete Weise, nämlich indem er den Menschen dicht auf den Fersen bleibt. Mit ihnen wandern wir durch Trümmer, Gärten oder Schulgebäude. Wir hören Augenzeug*innenberichte über das Wüten von Moskaus Invasionstruppen, sind live dabei, wenn sie den Rechtsweg beschreiten, um zumindest eine symbolische Entschädigung für den erlittenen Terror der Russen zu erhalten. 

„Splitter aus Licht“ verfolgt die Erlebnisse von mehreren Überlebenden der Besatzung. Ihre alte Welt liegt in Scherben, sie sind zerbrochen in Stücke und leuchten trotzdem immer noch. Und das allein dadurch, indem sie leben und kämpfen. Es sind scheinbar gewöhnliche Menschen, die sonst selten Gehör finden und nun eine Stimme bekommen. Zum Beispiel ein Liebespaar, das kurz nach der Trauung voneinander Abschied nehmen muss, weil der Bräutigam an die Front muss. Als er später wieder auf seine Frau trifft, ist er ein anderer. Oder die Hauswartin, die zwischen den Hausbewohner*innen und Besatzer*innen vermittelte und der später Kollaboration vorgeworfen wurde. Und eben auch ein Mädchen jener Theatergruppe. Am Ende des Schuljahres sagt ihre Klassenlehrerin, sie sei froh über jede Schülerin und jeden Schüler, die oder der noch am Leben ist. 

Von solchen scheinbar beiläufigen Äußerungen und auf den ersten Blick routinehaften Situationen lebt dieser sehr leise und fast schon zärtliche Film. Im subtilen Blick auf einzelne Menschen und Situationen steht immer auch das große Ganze vor Augen. Das liegt auch an den starken Kontrasten, die in den sorgsam miteinander verwobenen Szenen zum Tragen kommen. Wenn auf einen schweigsamen Trauerzug fröhliche Kinderstimmen im Klassenzimmer folgen, bekommt man eine Ahnung davon, wie zerrissen die innere und äußere Welt zahlloser Ukrainer*innen bald vier Jahre nach Moskaus Großangriff sind.

Die Zerstörung spielt nur eine Nebenrolle

Nur sehr sparsam sind Bilder der Zerstörung zu sehen, wie sie weithin aus den Fernsehnachrichten bekannt sind. Häuser lassen sich wieder aufbauen, bei Menschen ist dies weitaus komplizierter. Auch das macht „Splitter aus Licht“ unaufdringlich und doch unmissverständlich klar.

„Splitter aus Licht“ (Deutschland/Ukraine 2025), ein Film von Mila Teshaieva und Marcus Lenz, 93 Minuten, OmU.

Im Kino

Weitere Infos unter barnsteiner-film.de

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