Inland

Neue Grundsicherung: Worum Union und SPD am Ende noch rangen

17. December 2025 13:54:00

Die Bundesregierung hat nach monatelangen Debatten den Gesetzentwurf für die neue Grundsicherung auf den Weg gebracht. Im Fokus stehen härtere Sanktionen. Am Ende ging es um ein Detail.

Das Bürgergeld ist eine Sozialleistung, die nicht nur Arbeitslose erhalten. Der Empfängerkreis ist viel größer. Von 5,4 Millionen Bezieher*innen sind rund 4 Millionen erwerbsfähig.

Das Bürgergeld ist eine Sozialleistung, die nicht nur Arbeitslose erhalten. Der Empfängerkreis ist viel größer. Von 5,4 Millionen Bezieher*innen sind rund 4 Millionen erwerbsfähig. 

Nach monatelangem Ringen hat das Bundeskabinett am Mittwoch die Reform des Bürgergelds auf den Weg gebracht. Die Leistung soll ab Sommer 2026 in neue Grundsicherung umbenannt werden, härtere Regeln und Pflichten sollen Betroffene stärker in Arbeit bewegen. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) betonte, man setze stärker auf „Verbindlichkeit, Eigenverantwortung und Mitwirkung.“ „Wer Hilfe benötigt, kann sich auch künftig in der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf die Unterstützung des Staates verlassen“, sagte sie. „Insgesamt ist und bleibt jedoch unser wichtigstes Ziel, Menschen dauerhaft in Arbeit zu bringen.“

Der Gesetzesentwurf stand eigentlich schon in der vergangenen Woche im Kabinett auf der Tagesordnung, wurde aber verschoben, da Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) und Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) Vorbehalte anmeldeten.

Im Kern sieht die Reform schärfere Sanktionen vor, bis hin zur vollständigen Streichung der Leistung. Wer keine Bewerbungen schreibt oder einen Förderkurs nicht besucht, bekommt seine Leistungen um 30 Prozent gekürzt, gleiches gilt für zwei verpasste Termine. Wer drei Termine verpasst, bekommt die Grundsicherung vollständig gestrichen und riskiert, dass auch die Wohnkosten nicht mehr übernommen werden, wenn er sich nicht mehr beim Jobcenter meldet. Wer ein zumutbares Jobangebote ausschlägt, soll die Leistungen für maximal zwei Monate komplett verlieren – die schnelle Arbeitsvermittlung hat, im Unterschied zum Bürgergeld, wieder klar Vorrang.

Psychisch Erkrankte immer persönlich anhören

Grundsätzlich gilt: Sanktionen sind im Sozialrecht nur nach einer Anhörung möglich. Betroffene werden üblicherweise schriftlich aufgefordert, einen Grund für ihre Versäumnisse zu nennen, das Jobcenter prüft dann, ob der Grund „triftig“ ist – zum Beispiel im Fall von einer (psychischen) Erkrankung. Union und SPD sind sich einig, dass psychische Erkrankungen besonders schutzwürdig sind. Bas betonte, es gebe Menschen, „die Post nicht aufmachen, die sich nicht zurückmelden, auch Angst vor Behörden haben“. Wenn eine psychische Erkrankung bekannt ist, sollen Mitarbeitende im Jobcenter Betroffene vor jeder Sanktionsstufe zwingend persönlich ansprechen, indem sie anrufen oder einen Besuch veranlassen. So ist es im vorliegenden Gesetzesentwurf geregelt.

Streitig war in letzter Minute, inwiefern das auch gelten soll, wenn keine psychischen Probleme bekannt sind. Ursprünglich war für den Fall von drei verpassten Terminen besondere Vorsicht geplant: Bevor sie die Leistungen komplett streichen, sollten Mitarbeitende grundsätzlich persönlichen Kontakt aufnehmen, um zu verhinden, dass die Totalsanktion schwere Auswirkungen hat, wenn sie die „Falschen“ trifft, wie Bas sagte. CDU-Politikerin Reiche kritisierte aber, Betroffene könnten einem persönlichen Kontakt aktiv aus dem Weg gehen und eine Totalsanktion also durch Abtauchen verhindern. 

Kompromiss gefunden: Gelegenheit anbieten

Nun wurde also ein Kompromiss gefunden. Das Jobcenter soll, wenn keine Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung vorliegen, eine „Gelegenheit zur persönlichen Anhörung“ anbieten. „Ziel ist es, einen dauerhaften Kontaktabbruch zum Jobcenter zu vermeiden“, heißt es im Entwurf. Wird die Gelegenheit also nicht wahrgenommen, ist der Weg für Totalsanktionen frei. 

Damit liegt es im Ermessen der Mitarbeitenden im Jobcenter, inwieweit sie sich bemühen müssen, Betroffene persönlich zu sprechen oder nicht. Im Gesetzesentwurf heißt es, Anhaltspunkte für eine Überforderung mit einer schriftlichen Anhörung könnten sich zum Beispiel aus „Beratungssituationen durch Verhalten oder Gesprächsinhalte ergeben“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Dirk Wiese sagte dazu am Mittwoch, er habe ein hohes Vertrauen in die Mitarbeitenden in den Jobcentern. „Da wo es einen Verdacht gibt, sieht das Gesetz Schutzmöglichkeiten vor.“

Der Gesetzentwurf wird jetzt in Bundestag und Bundesrat beraten und soll zum 1. Juli 2026 in Kraft treten. Strengere Regeln wird es auch beim Vermögen und den Wohnkosten geben, hier entfallen die bisherigen Schonfristen. Bei den Ersparnissen müssen Arbeitslose direkt auf ihr Erspartes zurückgreifen. Die Wohnkosten werden im ersten Jahr nicht mehr vollständig übernommen, sondern nur noch bis zum Anderthalbfachen einer festgelegten Grenze. Jobcenter orientieren sich außerdem an einem kommunalen „Quadratmeterdeckel“.

Geht man von aktuellen Zahlen aus, dürften die Sanktionen nur einen Bruchteil der Leistungsbeziehenden treffen. Von den insgesamt 5,5 Millionen Bürgergeld-Empfänger*innen wurden im vergangenen Jahr pro Monat weniger als 30.000 Kürzungen ausgesprochen. Die allermeisten wegen verpasster Termine.

Autor*in
Lea Hensen
Lea Hensen

ist Redakteurin des „vorwärts“.

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Gespeichert von Helmut Gelhardt (nicht überprüft) am Mi., 17.12.2025 - 15:03

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Ja - Totalverweigerer müssen a n g e m e s s e n sanktioniert werden.
Aber w a s sind 'zumutbare' Jobangebote? Wird die Anforderung ' menschenwürdige Arbeit ' objektiv richtig berücksichtigt? !!! Bei alledem: Seit j e d e n f a l l s 10 Jahren werden in der BRD pro Jahr m i n d e s t e n s 100 Milliarden Euro Steuern hinterzogen/verkürzt/umgangen. (Z.B. NOWABO/Steuergewerkschaft). Und wir reden dabei von der gegenwärtigen Steuerrechtslage und n i c h t von angemessenen Steuererhöhungen bzw. Steuerreaktivierungen bei der Einkommenssteuer/der Erbschaftssteuer/ der Vermögenssteuer !!! Diese heiße Kartoffel fasst niemand ernsthaft an. Das wäre aber das, was die SPD ernsthaft tun müsste!
Was ist mit diesen Steuer-Totalverweigerern ??? Stehen die unter "Welpenschutz"???!!!
Solange diese Ungleichheiten / Ungerechtigkeiten bestehen, wird die Demokratieverdrossenheit weiter zunehmen - und der Zulauf zu den RECHTEN Rattenfängern! Kümmert EUCH darum!!!

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