Inland

25 Jahre Gesicht zeigen: Engagement gegen rechts bleibt unverzichtbar

Nach einer Reihe rechtsextremer Anschläge wurde vor 25 Jahren der Verein „Gesicht zeigen!“ gegründet. Sein Vorsitzender Peter Ruhenstroth-Bauer erklärt im Interview, was er angesichts der aktuellen Lage von der Bundesregierung erwartet.

von Jonas Jordan · 27. Oktober 2025
Demonstration gegen eine AfD-Veranstaltung in Nordrhein-Westfalen

Demonstration gegen eine AfD-Veranstaltung in Nordrhein-Westfalen

Herzlichen Glückwunsch zu 25 Jahre „Gesicht zeigen!“. Ist das angesichts der gesamtgesellschaftlichen Lage ein Grund zum Feiern?

Ganz klar ja. Weil wir uns mit vielen Unterstützerinnen und Unterstützern unterhaken und gemeinsam für Demokratie und Vielfalt eintreten. Das ist ein wichtiger Wert. Das Bundeskriminalamt hat noch nie seit Gründung der Bundesrepublik so viele rechtsextremistische Übergriffe gezählt wie im vergangenen Jahr. Allein das ist schon Grund genug für die Zivilgesellschaft, starkes Engagement zu zeigen. Das ist ein dauerhafter Auftrag für „Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland“.

Ist das Engagement von „Gesicht zeigen!“ somit wichtiger denn je?

Ja, leider muss man das nach 25 Jahren so feststellen. Aber wir sind nicht allein, sondern sehr viele, die Demokratiearbeit leisten. „Gesicht Zeigen!“ zählte sicherlich zu denjenigen, die das sehr früh markiert haben, als Uwe-Karsten Heye, Paul Spiegel, Michel Friedmann und andere vor 25 Jahren die NGO gegründet haben.

Was war der Anlass dafür?

Die Situation war ähnlich problematisch, nur anders gelagert wie heute. Denn es gab Übergriffe von Rechten in Rostock-Lichtenhagen, Solingen und Mölln gegenüber Menschen, die bei uns gearbeitet haben, die bei uns Schutz Sicherheit gesucht haben. Das bestimmte die Medien. Uwe-Karsten Heye, unser langjähriger Vorsitzender, sprach später von „No-Go-Areas“ in Bereichen von Ostdeutschland. Heute ist es ein gesamtdeutsches Problem. Rechtsextreme sitzen in den Landtagen und im Bundestag. Wir sehen mit Sorge auf das kommende Jahr, wenn in fünf Bundesländern Landtagswahlen anstehen.

Zur Person

Peter Ruhenstroth-Bauer ist Vorsitzender von „Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland“. In der Vergangenheit war er unter anderem der Nationale Direktor der UNO-Flüchtlingshilfe und zuvor Staatssekretär bei Renate Schmidt im BMFSFJ.

Peter Ruhenstroth-Bauer ist Vorsitzender von Gesicht Zeigen.

Laut einer aktuellen Umfrage käme die AfD in Sachsen-Anhalt auf 40 Prozent der Stimmen. Droht der erste rechtsextreme Ministerpräsident seit 80 Jahren?

Die Umfrage ist das eine, die Realität das andere. Trotzdem sind wir alle aufgefordert, als Zivilgesellschaft deutlich zu machen, wo für uns die roten Linien liegen: Wir müssen mit klarer Haltung für Demokratie und Vielfalt einstehen und auch heute schon deutlich machen, was passiert, wenn gesichert Rechtsextreme an die Regierung kommen.

1932 gab es im Freistaat Anhalt den ersten NSDAP-Ministerpräsidenten. Droht sich die Geschichte zu wiederholen?

Natürlich sind die Umfragewerte in Sachsen-Anhalt für die Demokratie mehr als bedrohlich. Ich glaube aber nicht, dass man das so lokalisieren kann. Die Herausforderung, die Demokratie zu sichern und jeden Tag hart darum zu kämpfen, gilt genauso für Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg. Vor allem die demokratischen Parteien sind in der Pflicht. Wenn sie mit den Worten der Rechtsextremen spielen, kommen wir in eine Schieflage. Denn am Ende nehmen die Wählerinnen und Wähler gleich das Original und nicht die Kopie.

Peter
Ruhenstroth-Bauer

Wenn der Bundeskanzler über das Stadtbild in Verbindung Abschiebungen spricht, ist das mehr als grenzwertig.

Wie blicken Sie auf die aktuellen Äußerungen von Friedrich Merz?

Ich erwarte von der Bundesregierung, von Spitzenpolitiker*innen aus allen demokratischen Parteien, dass sie wissen, dass jedes ihrer Worte sehr klar gewählt und einsortiert werden muss. 

Wenn der Bundeskanzler über das „Stadtbild“ in Verbindung Abschiebungen spricht, ist das mehr als grenzwertig. Was wir brauchen, ist genau das Gegenteil: Politiker*innen, die Vielfalt in einer Gesellschaft wertschätzen und die positiven Beispiele nach vorne stellen. Natürlich muss man auch über das Stadtbild – immer verbunden mit Lösungsvorschlägen – sprechen. 

Wie können diese aussehen?

Wir brauchen in Deutschland rund 400.000 zusätzliche Menschen im Arbeitsprozess. Das sind mit ihren Familien 1,5 Millionen Menschen. Die 1,5 Millionen Menschen, die jedes Jahr zu uns kommen sollen, um hier zu arbeiten und ihren Weg zu machen, brauchen nicht nur eine Perspektive, sondern auch ein Klima des Willkommens, der Wertschätzung, des Respekts und der Achtung. Das, was man aktuell sieht und hört, ist genau das Gegenteil.

Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger hat bei Ihrer Jubiläumsfeier gesagt, es sei nicht mehr fünf vor zwölf und wehret den Anfängen gelte auch nicht mehr. Was heißt das für Ihre Arbeit?

Die Situation ist wesentlich bedrohlicher, als sie noch vor Jahrzehnten war. Wie müssen sich Menschen, die eine andere Hautfarbe haben als ich, die einen anderen Glauben haben als ich oder die andere sexuelle Orientierung haben, in einer Gesellschaft fühlen, die genau diese Vielfalt nicht mehr bereit ist zu akzeptieren? Deswegen ist der Appell von Anke Rehlinger genau der Richtige gewesen, nämlich deutlich zu machen, dass es nicht die Politik allein richten kann, sondern dass auch die Zivilgesellschaft dazu gehört und wir das gemeinsam machen müssen, alle Demokratinnen und Demokraten.

Peter Ruhenstroth-Bauer

Wir sehen mit großer Sorge, wie gerade eine Kampagne, die auch uns als NGO „Gesicht Zeigen!“ trifft, gegen Nichtregierungsorganisationen gefahren wird.

Was haben Sie sich für die nächsten 25 Jahre vorgenommen, damit es dann keine rechtsextreme Partei mehr in den Parlamenten gibt?

Das muss immer die Zielvorstellung sein. Wir wollen eine engagierte Zivilgesellschaft, die sich auch selbst organisiert in Nichtregierungsorganisationen. Wir sehen mit großer Sorge, wie gerade eine Kampagne, die auch uns als NGO „Gesicht Zeigen!“ trifft, gegen Nichtregierungsorganisationen gefahren wird. Hier wird bewusst die Arbeit der Zivilgesellschaft, die Demokratiearbeit delegitimiert. Dagegen wollen und müssen wir aufstehen, gemeinsam mit der Politik. Die Zivilgesellschaft muss sich organisieren können. Denn Demokratie fällt nicht vom Himmel, sondern man muss sie ständig neu erarbeiten.

Was heißt das konkret?

Die Politik muss erkennen, dass die Finanzierung dieser Arbeit der NGOs nicht weiter infrage gestellt werden darf. Wir hören zum Beispiel, dass für den nächsten Haushalt, gerade auch bei der Demokratiearbeit, jetzt schon Fragezeichen gesetzt werden und im Bundeshaushalt 2027 sogar noch stärker gespart werden soll. Stattdessen sollte Demokratiearbeit auch finanziell auf solide Füße gestellt werden. Das hatte sich schon die letzte Koalition vorgenommen, aber durch den Widerstand der FDP nicht geschafft. Die Bundesregierung sollte schnell ein Demokratieförderungsgesetz auf den Weg zu bringen, damit die Zivilgesellschaft den wichtigen Beitrag leisten kann, die Demokratie nach innen zu stabilisieren.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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