„Im Osten was Neues“: Warum ein Ex-Nazi Geflüchtete im Fußball trainiert
Früher war Thomas Eichstädt ein gewaltbereiter Nazi-Skin. Heute zeigt er jungen Geflüchteten, wie man guten Fußball spielt. Der Film „Im Osten was Neues“ zeigt, wie Menschen dort Brücken bauen, wo man es am wenigsten vermutet.
Drop-Out Cinema
Vom Neonazi zum Brückenbauer: Thomas Eichstädt trainiert den FC Pio.
Kahler Schädel, bulliger Körper und tätowierte Arme: So sieht der Typ aus, der in einer Szene von „Im Osten was Neues“ in einer Turnhalle in Vorpommern zu einer Gruppe von jungen Männern spricht. Sie hocken in einem Kreis um ihn herum auf dem Boden, und kommen aus Westafrika, Tschetschenien oder der Ukraine. Vor 20 Jahren hätte der kahlköpfige Typ für sie nur Hass übriggehabt. Damals war er Teil der rechtsextremen Szene. Heute aber fühlt er sich ihnen verbunden und kämpft für den gemeinsamen Erfolg.
FC Pio: Ein multiethnischer Club in der AfD-Hochburg Torgelow
Der Kahlkopf heißt Thomas Eichstädt und gehört, wie die jungen Männer, zum Fußballverein FC Pio. Seit einigen Jahren trainiert er die Spieler des multiethnischen Amateurclubs aus der Kleinstadt Torgelow. Ob Motivation vor dem Spiel, Trost nach einem vergeigten Turnier oder der Appell, sprichwörtlich am Ball zu bleiben: „Eichi“, wie er von allen genannt wird, geht mit jeder Faser in seiner Aufgabe auf. Für seine Schützlinge hegt er väterliche Gefühle.
Die Filmemacherin Loraine Blumenthal hat ihn auf und abseits des Spielfeldes begleitet. Mit ihm und der Mannschaft fuhr die 42-Jährige, die lange Jahre in der Region lebte, zu Turnieren auf dem Land. Die Spieler fallen dort allein durch ihr Äußeres auf, es lässt sich erahnen, was es bedeutet, sich ausgegrenzt zu fühlen.
Der Trainer kämpft mit der Herausforderung, dass sich sein Team immer wieder neu sortiert. Wer als Geflüchteter oder Geflüchtete in Torgelow landet, zieht in der Regel weiter. Das könnte auch mit der Stimmung in der Stadt zu tun haben: Bei der letzten Kommunalwahl wurde die rechtsextreme AfD mit 27,4 Prozent die mit Abstand stärkste Kraft.
Einigen Spielern kommt die Erzählung sehr nahe: zum Beispiel Thomas Bundu. Seit gut fünf Jahren lebt der Mann aus Sierra Leone mit Frau und Kindern in Vorpommern. Alle drei Monate wartet er auf die Erneuerung seiner Duldung. Wie soll die Familie unter diesen Umständen Wurzeln schlagen? „Jeden Tag gibt es neue Probleme, Menschen werden abgeschoben“, sagt er vor der Kamera. „Wir sind verwirrt.“ So wird das Porträt eines Clubs und seiner Menschen zu einem Kommentar der deutschen Migrationspolitik.
Ein junger Tschetschene findet Anschluss
Und da wäre Asad. Gerade 18 Jahre alt geworden, hat er nach einer wenig erfolgreichen Schullaufbahn Mühe, einen Ausbildungsplatz zu finden. Immerhin hat er Kontakte zu gleichaltrigen deutschen Heranwachsenden. Mit ihnen hängt er auf Parkbänken herum und macht sich über die Langeweile in dem Städtchen lustig. Ihre Zukunft scheint woanders zu liegen. Der Film kleidet die Perspektivlosigkeit aber nicht in Hoffnungslosigkeit. Vielmehr betont er in kraftvollen, mitunter fast strahlenden Bildern die Weite des Raumes an Möglichkeiten, die vor diesen jungen Männern liegen, wenn sie denn die Kurve kriegen. Sie erscheinen mehr als Suchende, denn als Verlierer.
Das lässt sich auch von „Eichi“ sagen. Seiner Ex-Partnerin verdankt er es, den Ausstieg aus der Nazi-Szene bewältigt zu haben. Doch auch in seinem Lebensweg ist noch vieles offen, wenngleich es von außen als Sackgasse erscheinen mag. Der Vater von fünf Kindern ist Langzeitarbeitsloser. Die Jobs als Fußballtrainer und im Jugendclub macht er ehrenamtlich. Seine Hoffnung ist ein Minijob. Doch da hat er die Rechnung ohne die chronisch klamme Stadtverwaltung gemacht, die solche Jobs vergibt.
Trotzdem blitzt immer wieder die Erfüllung auf, die dieser überaus sensible Mann durch sein Engagement gewinnt. Er sieht es als seine „zweite Chance“. Dieses Zerbrechliche kommt besonders dann zum Ausdruck, wenn er sein früheres Leben Revue passieren lässt, als saufender Brutalo. Die Archivaufnahmen zur regionalen Neonazi-Szene, aber auch private Fotos lassen schaudern.
Engagement gegen alle Widerstände
Der „Eichi“ der Gegenwart ist hingegen ein Brückenbauer, und zwar gegen alle Kritik und Zweifel aus anderen Vereinen, Teilen der Stadtgesellschaft und trotz der regelmäßigen Shitstorms im Netz. Die Geschichte seines Wandels bleibt fragmentarisch und sein gegenwärtiges Weltbild jenseits des FC Pio völlig unklar. Dennoch spürt man die Tiefe der Transformation, die der nach außen so wuchtig anmutende Mensch durchlebt hat.
Der Film konzentriert sich auf die positiv besetzten Akteur*innen in Torgelow, ohne die anderen gänzlich aus dem Blick zu verlieren. Er ist sehr still, aber umso wirkungsmächtiger. Und er nährt die Hoffnung, dass das, was dort möglich wurde, auch anderswo möglich ist.
„Im Osten was Neues“ (Deutschland 2025), ein Fill von Loraine Blumenthal, 82 Minuten, FSK ab 12.
Im Kino
Weitere Informationen unter imostenwasneues-film.de