Inland

Mitte-Studie: Mehrheit der Deutschen sorgt sich wegen Bedrohung von rechts

Immer mehr junge Menschen teilen rechtsextreme Positionen. Das zeigt die neue Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die SPD fordert, die politische Bildungsarbeit in den Schulen zu stärken.

von Nils Michaelis · 6. November 2025
Protestmarsch gegen Rechtsextremismus in Hamburg

Januar 2024: Protestmarsch gegen Rechtsextremismus in Hamburg.

Wie steht es um den Rückhalt für die Demokratie in Deutschland? Zunächst die gute Nachricht: Eine breite Mehrheit der Deutschen, nämlich 76,1 Prozent, ist demokratisch eingestellt. Zu diesem Ergebnis kommt die am 6. November vorgestellte Mitte-Studie 2024/25 der Friedrich-Ebert-Stiftung. Diese trägt den Titel „Die angespannte Mitte“. 

Antidemokratische Einstellungen werden zunehmend normal

Diese Anspannung erklärt sich unter anderem so: Die Mehrheit (70 Prozent) der Menschen, die für die repräsentative Studie befragt wurden, sorgt sich wegen des wachsenden Zuspruchs für rechtsextreme Einstellungen. Womit wir bei den schlechten Nachrichten sind: In der Mitte der Gesellschaft sei eine Normalisierung bezüglich antidemokratischer und menschenfeindlicher Aussagen zu beobachten, so die Studie. So teile je etwa ein Drittel abwertende Einstellungen gegenüber Asylsuchenden (30,2 Prozent). 17,0 Prozent würden israelbezogenem Antisemitismus eher oder ganz zustimmen. 3,3 Prozent hätten ein rechtsextremes Weltbild. Das ist ein Rückgang gegenüber dem Anteil von vor zwei Jahren (acht Prozent), aber höher als gegenüber den Jahren zwischen 2014 und 2021, als zwei bis drei Prozent gemessen wurden.

Die Demokratie im Allgemeinen genießt weiterhin eine große Zustimmung. Doch das Misstrauen in sie wächst. 21,5 Prozent haben kein Vertrauen in die demokratischen Institutionen. 18,2 Prozent fehlt das Vertrauen in demokratische Wahlen. Das sei dreimal so viel wie vor vier Jahren, hieß es. Der Zweifel an der Demokratie gehe mit Einstellungen einher, die dem liberalen Geist des Grundgesetzes widersprechen: 87,7 Prozent hätten angegeben, in einer Demokratie solle die Würde und Gleichheit aller an erster Stelle stehen. Zugleich sei ein Drittel (34,1 Prozent) der Ansicht „Im nationalen Interesse können wir nicht allen die gleichen Rechte gewähren“. Ein Viertel (25,3 Prozent) meine, es werde zu viel Rücksicht auf Minderheiten genommen.

Erarbeitet wurde die Studie von einem Team aus Wissenschaftler*innen um den Sozialpsychologen Andreas Zick von der Universität Bielefeld. Zick verwies auf einen besonders auffälligen Trend: Menschen mit einem rechtsextremen Weltbild werden immer jünger. 6,8 Prozent der Befragten zwischen 18 und 34 Jahren hätten angegeben, derartige Ideen zu vertreten. Bei den über 65-Jährigen seien es 1,4 Prozent gewesen. Vor der Corona-Pandemie habe gegolten: je älter, desto affiner für Rechtsaußen-Positionen. Dieser Trend habe sich ins Gegenteil verkehrt.

Breite Mehrheit will mehr politische Bildung

Was die Frage aufwirft: Was tun gegen den erstarkenden Rechtsextremismus gerade unter jungen Menschen? Auch hierzu gibt die Mitte-Studie Auskunft: 61 Prozent fordern mehr politische Bildung gegen rechts. Dieser Forderung schlossen sich die Autor*innen der Studie an. Und formulierten einen klaren Auftrag an die Politik. 

„Die politische Bildung an den Schulen und in den zivilgesellschaftlichen Einrichtungen wird seit 1990 immer mehr zurückgefahren“, so die Politikwissenschaftlerin Sabine Achour. Feste Strukturen seien zunehmend durch Projekte ersetzt worden. Insbesondere im ländlichen Raum seien Lücken entstanden, die Rechtsextremist*innen gezielt gefüllt hätten. „Wir brauchen keine neuen, sondern gut verankerte Bildungsangebote“, forderte sie. Zudem sei es fatal, wenn konservative Politiker zivilgesellschaftliches Engagement gegen rechts schlechtredeten.

Die SPD-Bundestagsfraktion sieht in der Mitte-Studie einen „klaren Auftrag, politische Bildung zu stärken, klare Haltung gegen Extremismus zu zeigen und das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates zu fördern". „Der Auftrag unseres Grundgesetzes, unsere Demokratie wehrhaft zu halten muss von allen demokratischen Kräften ernst genommen werden“, teilte die Bundestagsabgeordnete und Sprecherin der AG Strategien gegen Rechtsextremismus, Maja Wallstein, mit. 

Abgeordnete Maja Wallstein: Staat muss Partner der Zivilgesellschaft sein

Mit Blick auf die rechtsextreme AfD ließ Wallstein wissen: „Parteien, die durch die Einstufung durch den Verfassungsschutz im Verdacht stehen verfassungsfeindlich zu sein, müssen schleunigst durch das Bundesverfassungsgericht auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft werden.“ Zudem brauche es eine „verlässlich finanzierte Demokratieförderung und die Unterstützung unserer demokratischen Zivilgesellschaft“ durch den Staat. 

Die seit dem Jahr 2006 in zweijährigem Abstand veröffentlichten Mitte-Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung geben Auskunft über die Verbreitung, Entwicklung und Hintergründe rechtsextremer, menschenfeindlicher und antidemokratischer Einstellungen in Deutschland. Für die aktuelle Studie im vergangenen Sommer wurden 2001 Menschen im Alter von 18 bis 94 Jahren befragt.

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