Staatsmodernisierung: Das planen Bund und Länder
Die Regierungschef*innen der Länder planen 200 Maßnahmen, um Verwaltungsverfahren zu beschleunigen. Zur Frage, wie finanzielle Mehrbelastungen der Kommunen infolge neuer Bundesgesetze ausgeglichen werden können, gab es zunächst keine Einigung.
Jens Krick
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) mit den Ministerpräsidenten Alexander Schweitzer (SPD, rechts) und Michael Kretschmer (CDU, links).
Die Bundesregierung und die Länder wollen den Staat und die Verwaltung in Deutschland grundlegend erneuern. Darauf haben sich die Ministerpräsident*innen der 16 Bundesländer am 4. Dezember mit Vertreter*innen der Bundesregierung verständigt.
Fünf Schwerpunkte für einen modernen Staat
Gemeinsam haben sie eine Modernisierungsagenda beschlossen, die mehr als 200 Einzelmaßnahmen umfasst. Das Ziel sei es, „Bürokratie abzubauen, Verfahren zu beschleunigen und staatliche Strukturen effizienter zu gestalten“, erklärte Alexander Schweitzer, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der Ministerpräsident*innenkonferenz (MPK).
Nach Angaben der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei sind die Maßnahmen fünf Leitthemen zugeordnet:
- Weniger Bürokratie: Pflichten sollen reduziert, Formerfordernisse modernisiert und Genehmigungen vereinfacht werden.
- Schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren: Insbesondere sollen Baurecht, Umweltrecht und Vergaberecht vereinfacht werden.
- Effiziente und resiliente staatliche Strukturen: Bund, Länder und Kommunen sollen besser zusammenarbeiten und Prozesse gebündelt werden.
- Digitale Verfahren: Diese sollen in der Verwaltung und für Unternehmen Zeit sparen und den Bürger*innen den Alltag erleichtern.
- Bessere Rechtsetzung: Diese solle verständlich, praxistauglich und verlässlich sein.
Die beschlossenen Maßnahmen betreffen auch die kommunale Ebene. Zum Beispiel soll es für die Bürger*innen zum Beispiel Erleichterungen geben bei der Beantragung von Pässen und Ausweisen, bei der elektronischen Ummeldung von Wohnungen oder dem Ausstellen von Meldebescheinigungen. Es sollen weniger amtliche Beglaubigungen nötig sein. Bürger*innen über 70 Jahre werden in Zukunft einen Personalausweis mit unbefristeter Gültigkeit erhalten. Im Amtsverkehr sollen auch E-Mails als rechtsgültig anerkannt werden. Reparaturen an öffentlichen Gebäuden sollen deutlich schneller durchgeführt werden als bisher.
Bürokratie-Kosten für Unternehmen sollen sinken
Auch Unternehmen sollen entlastet werden, etwa indem viele Berichts- und Dokumentationspflichten abgeschafft werden. Der Kanzler und die Ministerpräsident*innen gehen davon aus, dass die Bürokratiekosten für die Wirtschaft so um 25 Prozent gesenkt werden können. Eine wesentliche Maßnahme sei die „Lastenumkehr“, informiert die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz. „Wenn ein Antrag vollständig eingereicht wurde, aber binnen von drei Monaten nicht beschieden wird, gilt er als bewilligt“. Der Fachbegriff dafür heißt Genehmigungsfiktion. Zudem soll ein digitaler Marktplatz für öffentliche Beschaffung geschaffen werden, der aufwendige Ausschreibungsverfahren ersetzt.
Weil in den Verwaltungen Fachkräftemangel herrscht, planen die Ministerpräsident*innen auch dort Entlastungen. Etwa mit einer einheitlichen IT-Infrastruktur: Geplant ist ein „Deutschland-Stack“, also eine nationale Technologie-Plattform für die digitale Verwaltung. Dort sollen Dokumente wie Führerschein, Reisepass, Personalausweis oder Sozialversicherungsnummer zusammengefasst und datensicher aufbewahrt werden. Angestrebt werden zudem „KI-unterstützte Verwaltungsverfahren einschließlich einer Zentralisierung des Onlinezugangs in einem Portal mitsamt KI-Unterstützter Deutschlandapp“, so die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz. Mindestens die Hälfte aller Berichtspflichten der Verwaltung solle entfallen.
Verwaltungen sollen auch mehr Spielräume erhalten, um neue Wege zu erproben, wie sie ihre Leistungen erbringen können. Ministerpräsident Schweitzer verwies in diesem Kontext auf eine geplante Experimentierklausel in Rheinland-Pfalz, die es erlauben solle, dass einzelne Kommunen von landesrechtlichen Regelungen abweichen.
Gespräche zum Kostenausgleich für Kommunen gehen weiter
Keine Einigung konnte die MPK in einem anderen wichtigen Punkt erzielen: in der Frage, wie Kommunen für Mehrkosten entschädigt werden können, welche durch Bundesgesetze ausgelöst werden. Zwar haben sich vergangene Bundesregierungen immer wieder zum sogenannten Konnexitätsprinzip bekannt – also zum Grundsatz „Wer bestellt, bezahlt“. Auch die aktuelle Regierung hat sich im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet. In der Praxis werde das aber nicht immer vollumfänglich eingehalten, kritisieren Kommunen. Auch deshalb erwarten die kommunalen Spitzenverbände im laufenden Jahr ein kommunales Finanzierungsdefizit von 35 Milliarden Euro. Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung sind steigende Sozialausgaben.
Schweitzer erklärte dazu: „Weil das Ergebnis so wichtig ist, haben wir uns in der Länderfamilie darauf verständigt, die Beratungen mit dem Bund fortzusetzen.“ Dies soll im ersten Quartal 2026 geschehen. Auch über die Weiterentwicklung des Sozialstaats wollen Bund und Länder dann sprechen.
Kommunen sehen Modernisierungsagenda positiv
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erklärte nach dem Treffen: Die Föderale Modernisierungsagenda sei ein wichtiger Baustein der dringend notwendigen Staatsreformen. „Auch bei meinem heutigen Treffen mit den kommunalen Spitzenverbänden bestand Einigkeit, dass umfassende Reformen zwingend nötig sind.“
Das bestätigt auch der Deutsche Landkreistag. Dessen Präsident Achim Brötel kommentierte in einer Mitteilung: „Die Agenda greift viele unserer langjährigen Forderungen auf – vom Abbau von Berichtspflichten über Vereinfachungen im Planungs- und Vergaberecht bis hin zur Digitalisierung staatlicher Leistungen.“ Kritisch sehe der Landkreistag nur wenige Elemente, zum Beispiel das Instrument der Genehmigungsfiktion. Die Ursachen für lange Verfahren seien „viel zu komplexe gesetzliche Vorgaben, ständig neue Anforderungen und die fehlenden Ressourcen“. Genehmigungsfiktionen würden diese Probleme nicht lösen, sondern die Arbeit nur auf andere verlagern, meint Brötel.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf demo-online.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.