Reformplan: Sechs Vorschläge für ein besseres Pflegesystem
Mehr Prävention und weniger Bürokratie: Unter anderem darauf zielen die Eckpunkte der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ für eine Pflegereform ab. Bis Ende kommenden Jahres soll ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht werden.
IMAGO/Andreas Franke
Senioren in einem Pflegeheim in Brandenburg.
Eine milliardenschwere Finanzlücke, immer mehr Pflegebedürftige und fehlende Fachkräfte: Deutschlands Pflegesystem kämpft mit vielen Herausforderungen, die wohl nur durch eine große politische Kraftanstrengung zu lösen sind. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ hat am 11. Dezember zum Abschluss ihrer fachlichen Arbeit einen Plan für eine umfassende Reform des Pflegesystems vorgestellt. Das Ziel ist nicht weniger als eine „eine bürgernahe und menschenwürdige pflegerische Versorgung von pflegebedürftigen Menschen in der Stadt und auf dem Land“, und das auf einer „stabilen finanziellen Grundlage“, wie es in einem Bericht der Arbeitsgruppe heißt.
Lösungen für eine zukunftssichere Pflege
In sechs Punkten skizziert ein Papier zentrale Baustellen und Lösungen für eine zukunftssichere Pflege. So geht es etwa um mehr Prävention: Pflegerelevante Krankheiten sollen im Rahmen von regelmäßigen, aber freiwilligen Vorsorgeuntersuchung früher erkannt werden. Auch soll die Betreuung in Pflegeheimen stärker auf Prävention ausgerichtet werden.
Zudem wird mehr individuelle fachliche Begleitung und Unterstützung bei der Pflege zu Hause angestrebt. Die bisherigen Beratungs- und Schulungsleistungen sowie Teile der Leistungen im Pflegegrad 1 seien hinsichtlich ihrer Wirkung zu hinterfragen und die vorhandenen Angebote weiterzuentwickeln. Zudem sollen das Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz zeitnah zusammengeführt und die Regelungen vereinfacht und weiterentwickelt werden.
Ein dritter Komplex zielt auf mehr Flexibilität und weniger Bürokratie bei Pflegeleistungen ab. Um das Leistungsrecht der Pflegeversicherung zu vereinfachen, könnten in einem ersten Schritt verschiedene ambulante Leistungen in einem Sachleistungs- und einem Entlastungsbudget gebündelt und einfacher zugänglich werden.
Pflegekassen und Kommunen sollen Pflegeeinrichtungen führen
Ein vierter Punkt dreht sich um eine Verbesserung in der Fläche: In unterversorgten Regionen sollen Pflegekassen und Kommunen mehr Möglichkeiten bekommen, anstelle von profitorientierten oder gemeinnützigen Anbietern selbst Träger von Pflegeeinrichtungen zu werden, um etwaige Versorgungslücken zu schließen zu können.
Fünftens sollen Pflegeeinrichtungen und Pflegekräfte von überflüssiger Bürokratie und „unzeitgemäßer Regulierung“ weiter entlastet werden, während die Pflegequalität erhalten und weiter verbessert werden soll. Maßnahmen für mehr Flexibilität beim Personaleinsatz und zum Abbau von doppelten Vorgaben auf Landes- und Bundesebene sollen zu einer „neuen Vertrauenskultur“ beitragen, die Arbeitsbedingungen von Pflegenden verbessern und dadurch Pflegeberufe attraktiver machen.
Ein letzter Vorschlag dreht sich unter anderem darum technische Neuerungen schneller und unbürokratisch auf den Weg zu bringen, vor allem auch im Bereich Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.
SPD-Abgeordnete: Pflegeversicherung verlässlich und solidarisch weiterentwickeln
„Der von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitete Zwischenbericht liefert optionale Vorschläge, die nun in ein politisches Gesamtkonzept einfließen“, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dagmar Schmidt, und der gesundheitspolitische Sprecher Christos Pantazis in einem gemeinsamen schriftlichen Statement. „Für die SPD-Bundestagsfraktion ist hierbei zentral: „Wir setzen uns dafür ein, dass die Pflegeversicherung verlässlich und solidarisch weiterentwickelt wird. Eine stabile Pflegeversicherung bleibt ein wesentlicher Bestandteil unseres Sozialstaats - und damit wichtig für Vertrauen und Zusammenhalt in unserem Land.“
„Fachlich greift die Kommission durchaus gute Vorschläge auf, erteilt an verfehlte Ansätze aber auch keine Absage“, kommentierte der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) die Vorschläge. „Uns rennt die Zeit davon, um die Pflegeversicherung aus ihrem Milliardendefizit zu holen – es muss endlich mit verbindlichen Vereinbarungen losgehen! Mehr Prävention und die Zusammenfassung von Leistungen zu Budgets sind fachlich sinnvolle Ansätze, werden die Pflegeversicherung aber nicht retten.“ Die AWO fordert „eine Pflegebürgervollversicherung, in die alle einzahlen und die alle absichert, um Pflegebedürftige sowie Ihre An- und Zugehörigen nicht noch weiter zu belasten“.
Für sämtliche Maßnahmen im Sinne einer „nachhaltigen Pflegestruktur- und -finanzierungsreform“ müssen Bund und Länder aber erst noch die Finanzierung klären. Dennoch steht bereits der Fahrplan für ein entsprechendes Gesetz. Zur Frage der Finanzierung wird das Bundesministerium für Gesundheit einen Vorschlag vorlegen und die Ressortchef*innen der Länder im Februar 2026 zu einem Gespräch einladen. Im Anschluss wird das Bundesministerium einen Gesetzentwurf erarbeiten, der „möglichst Ende 2026 in Kraft treten kann“, wie die im Juli gestartete Bund-Länder-Arbeitsgruppe wissen ließ.