Pflegereform: Wie die SPD die Ideen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe bewertet
Steigende Kosten und immer mehr Pflegebedürftige: Die Soziale Pflegeversicherung kämpft mit vielen Problemen. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ hat nun erste Reformideen vorgelegt. Aus Sicht der SPD bleiben viele Fragen offen.
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Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland wächst seit Jahren.
Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ hat zum Wochenbeginn erste Lösungsansätze präsentiert, wie die Soziale Pflegeversicherung in den kommenden Jahren besser aufgestellt werden könnte.
Der Pflegegrad 1 soll überprüft werden
In einem Beschluss haben sich die Ministerinnen und Minister aus Bund und Ländern darauf verständigt, dass die Finanzlage der Pflegeversicherung nur dann kurzfristig stabilisiert werden kann, wenn die ihr auferlegten versicherungsfremden Leistungen „konsequent aus Steuermitteln finanziert werden“.
Der Pflegegrad 1 soll in seiner bisherigen Form auf den Prüfstand gestellt werden. Die Arbeitsgruppe schlägt vor, einen stärker präventionsorientierten Ansatz für diese Pflegestufe in Betracht zu ziehen. Unter anderem wird vorgeschlagen, die Beratung von Pflegebedürftigen zu verbessern. Dadurch soll verhindert oder zumindest verzögert werden, dass Pflegebedürftige eine höhere Pflegestufe benötigen. Politiker*innen der Union haben gefordert, die Pflegestufe 1 zu streichen, um dadurch Kosten zu sparen. Die SPD lehnt dies ab.
Um eine Begrenzung des Anstiegs der Eigenanteile der Versicherten zu erreichen, soll laut dem Beschluss eine Form der „regelhaften Dynamisierung von Leistungen geprüft“ werden. Damit sind höhere Leistungsbeträge zugunsten der Versicherten gemeint, wie etwa das Pflegegeld. Der Pflegevorsorgefonds zur Stützung der Sozialen Pflegeversicherung soll weiterentwickelt werden. Wie dies alles finanziert werden soll, ist aber noch unklar.
Bundesgesundheitsministerin lehnt höhere Versicherungsbeiträge ab
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken forderte eine „gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern“ für eine umfassende Reform der Sozialen Pflegeversicherung. „Stetige Beitragssteigerungen und Mehrbelastungen können hierfür nicht die Lösung sein“, betonte die CDU-Politikerin. Wohl müsse die Wirkung bisheriger Leistungen überprüft werden. „Die Einnahmen im System müssen ausreichen, um das Leistungsversprechen zu finanzieren“, so Warken. Die Zwischenergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe seien sind ein wichtiger Schritt hin zu einem gemeinsamen Fahrplan für eine Reform.
Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer forderte einen fairen Ausgleich zwischen gesetzlicher und privater Pflegeversicherung sowie eine Kostenbegrenzung, die Pflegebedürftige entlastet. „Eine gute, würdevolle Versorgung im Alter darf auch künftig nicht vom Geldbeutel abhängen“, erklärte die SPD-Politikerin. „Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache.“ Auch Schlotzhauer sieht bei der Sozialen Pflegeversicherung noch viele offene Finanzierungsfragen.
„Was das Ministerium jetzt vorgelegt hat, ist ein Zwischenstand und noch kein Gesamtkonzept“, kommentierten Dagmar Schmidt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, und Christos Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, den Beschluss der Bund-Länder-Arbeitsgruppe in einem gemeinsamen Statement. Für eine echte Reform brauche es Gerechtigkeit in der Finanzierung.
SPD-Bundestagsfraktion: Das Ziel bleibt eine solidarische Pflegevollversicherung
„Wer Solidarität will, muss sie auch fair tragen – in der gesetzlichen wie in der privaten Pflegeversicherung“, so Schmidt und Pantazis. Pflegebedürftige und ihre Familien bräuchten Verlässlichkeit und Planbarkeit. „Deshalb setzen wir uns für einen Pflegedeckel ein, damit niemand Angst haben muss, sich Pflege im Alter nicht leisten zu können.“ Ziel der SPD bleibe eine solidarische Pflegevollversicherung. Gute Pflege müsse aber auch gut bezahlt werden. „Deshalb stehen wir für Tariflöhne für alle Pflegekräfte, die oft bis an ihre Belastungsgrenze und darüber hinaus arbeiten.“
Dringende Nachbesserungen an den Punkten der Bund-Länder-Arbeitsgruppe forderte hingegen IG Metall-Sozialvorstand Hans-Jürgen Urban. „Was bisher auf dem Tisch liegt, löst keine der vorhandenen Strukturprobleme“, so Urban laut einer Pressemitteilung. „Der Vorschlag für eine obligatorische Privatvorsorge führt zu einer einseitigen Belastung der Beschäftigten.“
Mit dem Festhalten am Teilleistungssystem lege sich die Bund-Länder-Arbeitsgruppe unnötige Denkverbote auf. Urban: „Wirkliche Entlastung brächte eine Bürgerversicherung, in die auch Beamte, Politiker und Besserverdienende einzahlen und die als Vollversicherung alle pflegebedingten Kosten übernimmt.“
Bei der Sozialen Pflegeversicherung fehlen zwei Milliarden Euro
Die im Juli gestartete Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ hat den Auftrag, bis Ende dieses Jahres einen Vorschlag vorzulegen, wie die Soziale Pflegeversicherung angesichts einer steigenden Zahl von Pflegebedürftigen nachhaltig finanziert und, auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, die Versorgung sichergestellt werden kann. Im Versicherungssystem fehlen laut Warken im kommenden Jahr rund zwei Milliarden Euro. Eine Erhöhung der Beiträge für die Pflegeversicherung hat die Ministerin bislang ausgeschlossen.