Inland

Bas zur Grundsicherung: „Haben das Herzstück des Bürgergelds durchgesetzt“

Die Bundesregierung will das Bürgergeld durch eine „neue Grundsicherung“ ersetzen. Besonders an der SPD wird deshalb Kritik geübt. Bei einer digitalen Mitgliederkonferenz hat Parteichefin Bärbel Bas nun mit einigen Gerüchten aufgeräumt.

von Kai Doering · 15. Oktober 2025
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas redet, die rechte Hand leicht erhoben

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas: „Ich bin immer auf der Seite derer, die diesen Sozialstaat brauchen.“

Die „Totalsanktionierung“ hält Manuel für einen schweren Fehler. „Als Jurist kann ich nur davor warnen“, sagt der Genosse aus Nordrhein-Westfalen und verweist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019. Die Karlsruher Richter*innen hatten damals Hartz-IV-Sanktionen von mehr als 30 Prozent des Regelbedarfs für verfassungswidrig erklärt. Im Papier, das Union und SPD nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses in der vergangenen Woche veröffentlicht hatten, und in dem angekündigt wird, das Bürgergeld durch eine „neue Grundsicherung“ zu ersetzen, heißt es, dass künftig Leistungen „komplett eingestellt“ werden können, wenn ein*e Leistungsberechtigte*r zu vier Terminen im Jobcenter nicht erschienen ist.

„Unser Anspruch ist, dass die Menschen wieder auf eigenen Füßen stehen.“

„Ich bin immer auf der Seite derer, die diesen Sozialstaat brauchen“, stellt Bärbel Bas zunächst klar. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit habe sie bei mehreren Terminen von Jurist*innen überprüfen lassen, so die Bundesarbeitsministerin. Bei der Frage der vollständigen Streichung von Leistungen müsse man zwei Gruppen unterscheiden: die der „Totalverweigerer“ und die der „Terminschwänzer“. Bei ersteren sei eine Streichung aller Leistungen schon jetzt möglich, weil man davon ausgehen müsse, dass sie gar keine Unterstützung benötigen. Bei den „Terminschwänzern“ gebe es auch im Bürgergeld bereits Sanktionsmöglichkeiten. Diese würden jetzt von zehn auf 30 Prozent des Leistungsumfangs erhöht, also in dem Rahmen, den das Bundesverfassungsgericht vorgegeben habe. „Wir führen keine neuen Mechanismen ein“, betont Bas.

Es ist Dienstagabend und die Sozialministerin stellt sich den Fragen von SPD-Mitgliedern in einer Online-Konferenz. Nachdem die Bundesregierung ihre Pläne für eine Reform des Bürgergelds vorgestellt hat, ist die Kritik groß. Vor allem Gewerkschaften und Sozialverbände äußern sich ablehnend. „Unser Anspruch ist, dass die Menschen wieder auf eigenen Füßen stehen. Das ist sozialdemokratisch“, betont Bärbel Bas. In der Debatte würden jedoch viele Aspekte der geplanten Reform miteinander vermischt, manches werde verkürzt dargestellt. „Wir müssen wieder auf einen sachlichen Ton zurückkommen“, sagt die Ministerin.

„Wir drängen niemanden aus der Wohnung.“

Die digitale Mitgliederkonferenz soll dazu beitragen. „Wir drängen niemanden aus der Wohnung“, stellt Bas etwa klar und verspricht: „Das werden wir im Gesetzentwurf sicherstellen.“ Viele Bewertungen der geplanten „Grundsicherung“ beruhten allein auf den Ergebnissen des Koalitionsausschusses. „Lasst uns mal abwarten, bis der Gesetzentwurf wirklich vorliegt“, bittet Bas um Geduld. Bei den besonders in der Kritik stehenden Sanktionen stellt sie klar: „Wir wollen nicht die Falschen treffen.“ Für Menschen mit Erkrankungen etwa werde es Härtefallregelungen geben.

Und auch dem Vorwurf, mit der „Grundsicherung“ werde das Bürgergeld der Ampel komplett rückabgewickelt, tritt die Ministerin entgegen. Zwar hätten CDU und CSU auf eine Rückkehr zum sogenannten Wiedereingliederungsplan mit Druck für Arbeitssuchende bestanden, wie er bei Hartz IV die Regel war, doch habe sich die SPD durchgesetzt, beim „Kooperationsplan“ des Bürgergelds zu bleiben. Hierbei treffen das Jobcenter und die oder der Arbeitssuchende eine Vereinbarung, die die Schritte zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt festlegt. „Wir setzen auf einen Kooperationsplan, der auf Augenhöhe verhandelt wird“, betont Bärbel Bas am Dienstagabend. „Wir haben das Herzstück der Bürgergeld-Reform gegenüber dem Koalitionspartner durchgesetzt.“

„Brauchen eine Debatte darüber, wie wertvoll der Sozialstaat ist“

Den entsprechenden Gesetzentwurf will die Ministerin in den kommenden Wochen vorlegen. Ziel ist, dass das Gesetz im Frühjahr in Kraft tritt. Bas hofft, dass spätestens dann auch Ruhe einkehrt in der aus ihrer Sicht falsch ausgerichteten Debatte über scheinbar faule Leistungsberechtigte. „Wir brauchen endlich mal eine Debatte darüber, wie wertvoll dieser Sozialstaat ist“, findet sie.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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