Sanktionen bei Grundsicherung: Was die SPD-Spitze auf die Kritik entgegnet
An den Plänen der Bundesregierung für schärfere Sanktionen beim Bürgergeld, das künftig Grundsicherung heißen soll, gibt es Zweifel. Die Bundesarbeitsministerin und der SPD-Bundestagsfraktionschef halten dagegen.
IMAGO/Bernd Elmenthaler
Die Spitzen von Union und SPD haben ihre Pläne für die neue Grundsicherung vorgestellt.
Mehr Auflagen, schärfere Sanktionsmöglichkeiten: Nachdem die Bundesregierung am Donnerstag ihre Pläne für eine neue Grundsicherung vorgestellt hat, ist zum Teil von einer Abschaffung der Kernelemente des Bürgergelds die Rede. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) betonte deswegen am Freitag im ARD-Morgenmagazin, dass die Reform des Bürgergelds keineswegs das Aus der Sozialleistung bedeute.
Bas: „Wer mitmacht, der hat überhaupt nichts zu befürchten“
Bas kritisierte die Wortwahl von Bundeskanzler Friedrich Merz, der am Donnerstag gesagt hatte: „Das Thema Bürgergeld wird damit der Vergangenheit angehören.“ „Wer mitmacht, der hat überhaupt nichts zu befürchten“, betonte die Ministerin. „Deswegen fand ich diesen Satz schwierig: ‚Das Bürgergeld ist abgeschafft‘ – weil es suggeriert, als hätten wir die Leistung generell abgeschafft.“
Ähnlich formulierte es der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Matthias Miersch. Die neue Grundsicherung werde „in sehr guter Form angegangen“, sagte Miersch am Freitag nach einer Sondersitzung der SPD-Bundestagsfraktion. „Alle, die mitmachen, sollen keine negativen Maßnahmen spüren und sich auf das System verlassen können, aber die, die nicht mitmachen und das System teilweise missbrauchen, sollen mit Sanktionen rechnen“, sagte er.
Miersch: Sanktionen werden noch genauer definiert
Miersch griff damit auch die Kritik der Gewerkschaften auf. Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), hatte am Donnerstag die Pläne für einen vollständigen Leistungsentzug kritisiert. „Ich denke nicht, dass das verfassungsgemäß ist, sollte es zu einer Umsetzung kommen“, hatte die DGB-Chefin dem RedaktionsNetzwerk Deutschland gesagt.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende entgegnete dem mit einem Verweis auf die weitere Ausgestaltung des Gesetzes: „Ich glaube, dass wir da nochmal sehr genau hingucken müssen, wann diese Sanktionen greifen.“ Er sei sich sicher, so Miersch, dass sich das System als tragfähig erweisen werde, wenn der Gesetzesentwurf in den kommenden Wochen dem Bundestag vorliege.
Vollständige Leistungskürzungen sollen künftig möglich sein
Die Spitzen von CDU, CSU und SPD hatten sich im Koalitionsausschuss in der Nacht zu Donnerstag darauf geeinigt, die Auflagen für Bürgergeld-Empfänger*innen deutlich zu verschärfen. Ab dem zweiten verpassten Termin im Jobcenter sollen Leistungen künftig direkt um 30 Prozent gekürzt werden können. Nach mehreren versäumten Terminen soll es möglich sein, alle Leistungen inklusive der Mietzahlungen zu streichen. Die Leistungen sollen ebenfalls gestrichen werden können, wenn eine oder ein Empfänger*in die Arbeitsaufnahme verweigert.
Bislang kann das Bürgergeld nur schrittweise und nach vorheriger Abmahnung gekürzt werden, wenn jemand seine Pflicht zur Mitwirkung verletzt – also Termine nicht wahrnimmt, Schulungen nicht besucht oder Jobangebote ausschlägt. Kürzungen von 30 Prozent gehören bisher zu den höheren Sanktionsstufen.
Zweifel an der Verfassungskonformität der Sanktionen
Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2019 setzt hohe Hürden für Kürzungen von Sozialleistungen. Demnach ist die Bundesregierung dazu verpflichtet, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu ermöglichen. Unter anderem schreibt das Urteil vor, dass Sanktionen beendet werden müssen, wenn sich die Mitwirkung der oder des Empfänger*in bessert.
Schwarz-Rot kündigt im Einigungspapier zum Koalitionsausschuss an, dass die Streichungen der Sozialleistung „im Einklang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts“ sein sollen. Wie das konkret aussehen wird, ist bislang noch unklar. Bundesarbeitsministerin Bas kündigte am Donnerstag an: „Wir verschärfen die Sanktionen bis an die Grenze dessen, was verfassungsrechtlich zulässig ist.“
AfA rechtnet mit Scheitern vor Bundesverfassungsgericht
Davon sind offenbar nicht alle in der SPD überzeugt. Cansel Kiziltepe, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeit (AfA), sagte dem „vorwärts“ am Freitag, sie gehe davon aus, dass Teile der Pläne nicht vor dem Bundesverfassungsgericht standhalten. „Dazu gehört insbesondere die Vollsanktionierung sowie die drohende Obdachlosigkeit bei Streichung der Mietübernahme“, so die SPD-Politikerin, die auch Berliner Sozialsenatorin ist.
Kiziltepe sagte, die Forderungen von Einschnitten beim Sozialstaat von Seiten der Union gefährdeten den sozialen Frieden in Deutschland. Sie seien auch nicht faktenbasiert, denn der Sozialstaat sei gar nicht übermäßig teuer. „Deutschlands Sozialausgaben liegen weiterhin im europäischen Mittelfeld und sind in den vergangenen Jahren nicht übermäßig gestiegen.“
Jusos: SPD wiederholt „Fehler der Vergangenheit“
Scharfe Kritik kommt auch von den Jusos. „Mit den angekündigten massiven Ausweitungen der Leistungskürzungen steuert die Koalition sehenden Auges auf eine Klatsche vor dem Verfassungsgericht zu“, sagte Juso-Chef Philipp Türmer dem „Tagesspiegel“. Die Einigung von SPD und Union wiederhole zudem „Fehler der Vergangenheit“, sagte der Juso-Chef mit Blick auf die härteren Sanktionen, die bis zur Einführung des Bürgergeldes 2023 bei Hartz IV galten. „Dass jetzt unter der Beteiligung der SPD wieder eine Rolle rückwärts gemacht wird, tut extrem weh und ist falsch.“
Türmer kritisierte auch die Rückkehr zum sogenannten Vermittlungsvorrang. Kerngedanke des Bürgergeldes war, Erwerbslose lieber nachhaltig zu qualifizieren, als schnellstmöglich in irgendeine Arbeit zu bringen. In Zukunft sollen Erwerbslose wieder schneller in Arbeit kommen, auch wenn diese unter Umständen nicht zur betreffenden Person passt. „Damit sorgen wir für einen Drehtür-Effekt, den niemanden haben will“, fürchtet der SPD-Politiker. „Das schadet enorm den Betroffenen und nutzt auch keinem Arbeitgeber irgendetwas.“
Sozialverbände kritisieren Sanktions-Pläne
Auch die Fraktionsspitzen von Grünen und Linke sehen die „neue Grundsicherung“ kritisch. „Die Pläne der Regierung sind menschenunwürdig und rechtlich höchst fragwürdig“, sagte Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte, sie gehe davon aus, dass die geplanten Änderung „auch verfassungsrechtlich nicht haltbar sein“ werden. Sie verwies auf den Sozialstaat, „der ein soziokulturelles Existenzminimum vorsieht“.
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, sagte der „Rheinischen Post“, sie befürchte, „dass die neuen Sanktionen wenig hilfreichen Druck auf viele Menschen ausüben werden“. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) nannte die Pläne einen Angriff auf den Zusammenhalt der Gesellschaft. Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt, geht davon aus, dass die Bundesregierung mit Verfassungsklagen rechnen muss.
„Es ist absurd, Menschen aufgrund verpasster Termine die Existenzgrundlage zu nehmen“, kritisierte Groß. „Die Bundesregierung muss sich ernsthaft fragen, ob sie es verantworten möchte, dass Familien ihre Wohnung verlieren, nur weil sie nicht rechtzeitig beim Jobcenter waren.“ Das Existenzminimum sei die allerletzte Haltelinie und nicht armutsfest. „Was die Regierung nun plant, wird Menschen in die Obdachlosigkeit treiben.“
Montagsdemonstrationen, und ich fürchte, wir müssen wieder federn lassen. Sehr schade, dass wir hier der CDSU nachgegeben haben- das wird sich bitter rächen
Es ist schon traurig wie die spd umgefallen ist und sich dem kapital andient.also zurück zu den lohnslaven .Ich werde in det spd bleiben ob ich sie noch wählen werde ...ich glaube nicht .
Die Kritik an der 'neuen Grundsicherung' von Jusos, Sozialverbänden und DGB ist völlig richtig. Ich frage mich, was die Klingbeil/Bas/jetzt leider auch Miersch-SPD umtreibt, um voll auf BlackRock-Merz-CDU/Mir-san-mir-CSU-Linie zu gehen???
War das zuvor eingeführte Bürgergeld, was jetzt abgelöst wird, nur von Vollidioten konzipiert??? - Sicher nicht !!! Diese neue SPD schafft sich selbst ab. Eine Weinflasche, auf der SPD draufsteht, aber keine Sozialdemokratie mehr drin ist, taugt nur noch zum ausschütten. Von der neuen Verschlechterung beim bisherigen Schonvermögen ist man um Verhüllung bemüht. Das ist doch erbärmlich! Volksverdummung!
Die Klingbeil-SPD sollte keine unnütze Zeit mit BlackRock-Merz verbringen und sich dafür objektiv informieren. Z.B. hier:
https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-sozialstaat-ausgaben…
https://www.niedersachsen.dgb.de/schlaglicht/++co++7bcde858-a4e3-11f0-a…
Dann versuche ich d a s mal:
boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-sozialstaat-ausgaben-fur-rente-und-arbeitslose-niedriger-als-fruher-71955.htm
niedersachsen.dgb.de/schlaglicht/++co++7bcde858-a4e3-11f0-a179-a5db544a9f63
Mit freundlichen Grüßen
Helmut Gelhardt
Die Politik der SPD-Spitze, gerade für die sozialen Belange der Bevölkerung, sind aus sozialdemokratischer Sicht unmöglich. Ich warte auf das Abrauschen unter 10, ja gar 5%, bei die nächsten Wahlen. W§as ist das für eine Parteiführung die ichre egenen Grundprinzipien verrät ?
Von wem stammt nochmal "das Wort" vom Müllhaufen der Geschichte ?
Das Bürgergeld war nach den Unsäglichkeiten von Hartz IV immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Jetzt wird wieder eine Rolle rückwärts gemacht. Ihr macht die Menschen, denen es sowieso schon beschissen geht, zu potentiellen Sozialbetrügern statt sie zu schützen und verschleiert schon wieder die Spaltung unserer Gesellschaft, in der die Reichen immer reicher werden, aber sich der Verantwortung für unseren Staat und ihre Mitbürger*innen entziehen. Wo bleibt eine sozialdemokratische Vision??? Eine Partei ohne eine solche ist obsolet, kann keinen überzeugen.