Bürgergeld: Das soll sich mit der neuen Grundsicherung ändern
Mehr Pflichten, mehr Sanktionen: Die neue Grundsicherung soll das Bürgergeld ablösen, Auflagen für Empfänger*innen werden schärfer. Was im Detail geplant ist – und welche Fragen offen sind
IMAGO/Bihlmayerfotografie
Beziehende der neuen Grundsicherung bekommen beim Jobcenter strengere Auflagen.
Nach wochenlangen Verhandlungen haben die Koalitionspartner am Donnerstag einen Entwurf für eine Reform des Bürgergelds vorgestellt. Die Leistung soll zukünftig nur „neue Grundsicherung für Arbeitssuchende“ heißen, Teile des 2023 in Kraft getretenen Bürgergelds werden rückabgewickelt.
5,5 Millionen Empfänger*innen müssen sich damit auf deutlich schärfere Auflagen einstellen. Die Koalition will Arbeitslose schneller in Arbeit bringen und dadurch Leistungen sparen – Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) sprach von rund einer Milliarden Euro für 100.000 Menschen, die aus der staatlichen Hilfe ausscheiden.
Was ändert sich im Vergleich zum Bürgergeld?
Das Bürgergeld wurde in seiner jetzigen Form 2023 von der Ampel-Regierung eingeführt. Grundgedanke war damals, Menschen nicht mehr schnellstmöglich in irgendeine Arbeit zu bringen – wie es bis dato beim Arbeitslosengeld II, genannt Hartz IV, der Fall war. Stattdessen bekam die nachhaltige Qualifizierung Vorrang. Die schwarz-rote Koalition will das teilweise zurückdrehen: Fördern und Fordern sollen wieder stärker auf eine Linie kommen. Die Vermittlung in eine zumutbare Arbeit bekommt wieder Priorität – Ausnahmen gibt es bei jungen Menschen, bei denen sich Qualifizierung für eine dauerhafte Integration lohne.
An den Regelsätzen ändert sich erstmals nichts. Alleinstehende erhalten 563 Euro im Monat, Kinder je nach Alter 357 bis 471 Euro. 2023 und 2024 wurden die Regelsätze inflationsbedingt erhöht. Im kommenden Jahr wird es eine zweite Nullrunde geben, nachdem die Beträge auch zu 2025 nicht erhöht wurden. Zusätzlich zum Regelbedarf übernehmen die Jobcenter auch weiterhin die Kosten für die Unterkunft, wenn sie als angemessen gelten. Sie orientieren sich dabei an örtlichen Richtwerten. Sind die Wohnkosten zu teuer, müssen Empfänger*innen den Mehrbetrag selbst zahlen oder umziehen.
Um schneller in Arbeit zu kommen, müssen Empfänger*innen in Zukunft stärker mit dem Jobcenter zusammenarbeiten. Wer Grundsicherung beantragt, wird zukünftig zu einem persönlichen Gespräch eingeladen. Dort wird ein Kooperationsplan erstellt, der Rechte und Pflichten der Empfänger*innen regelt. Wer sich nicht an die Auflagen hält, muss mit Sanktionen rechnen.
Wie hoch sind die Sanktionen und wann greifen sie?
Pflichtverletzungen sollen zukünftig mit Kürzungen von 30 Prozent der Leistungen sanktioniert werden. Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn die oder der Empfänger*in den Pflichten nicht nachkommt – also Termine verpasst, Weiterbildungen nicht wahrnimmt oder Jobangebote ohne triftigen Grund ausschlägt. Eine Pflichtverletzung liegt auch vor, wenn falsche Angaben gemacht oder Änderungen nicht mitgeteilt werden.
Beim bisherigen Bürgergeld sind Sanktionen gestaffelt. Bei unentschuldigtem Nicht-Erscheinen können Jobcenter zeitweise zehn Prozent des Regelsatzes kürzen, dann 20 Prozent und schließlich 30 Prozent. Bislang musste vorher aber Ermahnungen verschickt werden. Diese Sanktionsstufen entfallen, härtere Regeln sollen einfacher und schneller greifen: Wer zwei Termine beim Jobcenter verpasst, verliert 30 Prozent der monatlichen Leistung. Wer den dritten Termin nicht wahrnimmt, soll die Geldleistung komplett verlieren. Wenn Beziehende auch im Monat darauf nicht erscheinen, streicht das Jobcenter alle Leistungen inklusive Zahlungen für Miete und Heizung.
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas betonte am Donnerstag, dass die Regierung „nicht die Falschen treffen“ wolle. Härtefälle sollen berücksichtigt werden. „Wenn Hemmnisse, gesundheitliche Erschwernisse“ vorliegen, sollen die Betroffenen keine Sanktionen erhalten.
Was passiert, wenn man ein Jobangebot ausschlägt?
Die Bundesregierung will härter gegen sogenannte Arbeitsverweiger*innen vorgehen. Bislang können Jobcenter den Regelsatz bei zwei abgelehnten Angeboten innerhalb eines Jahres streichen, allerdings lagen derartige Fälle laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) seit Einführung des Bürgergelds nur im zweistelligen Bereich. Grund dafür sind die hohen Hürden, die das Bundesverfassungsgericht 2019 mit einem Urteil zur Ausgestaltung von Sozialleistungen setzte. Demnach ist die Bundesregierung per Grundgesetz dazu verpflichtet, Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Existenzminimum zu schaffen.
Schwarz-Rot kündigt nun an, Leistungen „im Einklang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts“ zu streichen, wenn jemand die Arbeitsaufnahme verweigert. Wie genau das aussehen soll, ist noch offen. Die Kosten für die Unterkunft sollen die Jobcenter dann weiterhin zahlen, aber direkt an die Vermieter*innen.
Welche Personen werden besonders in den Blick genommen?
Jobcenter sollen insbesondere Menschen, die schon länger Bürgergeld beziehen, enger betreuen und häufiger einladen. Die Bundesregierung will eine längere Arbeitslosigkeit von Menschen mit Kindern vermeiden. Sobald Eltern von Kleinkindern über eine Kinderbetreuung verfügen, werden sie zu Integrationsmaßnahmen verpflichtet.
Wie viel Vermögen wird angerechnet?
Beim bisherigen Bürgergeld können Empfänger*innen im ersten Jahr bis zu 40.000 Euro pro Person besitzen, ohne dass dies angerechnet wird. Ab dem zweiten Jahr sinkt das sogenannte Schonvermögen erheblich. Diese Regelung wird nun abgeschafft, Erwerbslose sollen zuerst auf ihre Vermögen zurückgreifen, bevor sie die Grundsicherung nutzen. Wie viel Schonvermögen dann erlaubt ist, wird an Alter und Beitragszeiten in die Arbeitslosenversicherung gemessen.
Wie wird Missbrauch verfolgt?
Mit der neuen Grundsicherung will die Koalition auch Maßnahmen gegen den Missbrauch von Sozialleistungen einführen. Geplant sind unter anderem Maßnahmen gegen Schwarzarbeit, ein verbesserter Datenaustausch sowie Schritte gegen die Vermieter von sogenannten Schrottimmobilien.
Sind die Pläne zur Grundsicherung verfassungskonform?
Bas sagte am Donnerstag: „Wir verschärfen die Sanktionen bis an die Grenze dessen, was verfassungsrechtlich zulässig ist.“ Damit ist vor allem die vollständige Streichung von Leistungen gemeint. In dem Urteil von 2019 nannte Karlsruhe einen vollständigen Wegfall der Leistungen „auf Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse mit den verfassungsrechtlichen Maßgaben nicht vereinbar“.
Ob die Pläne verfassungsgemäß sind, kommt wohl auf die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes an. Bas sagte dazu am Donnerstag: „Wir sind fest davon überzeugt, das ist verfassungsrechtlich sicher.“