Bilanz der COP in Brasilien: „Es braucht eine Reform der Klimakonferenzen“
Die Ergebnisse der Klimakonferenz in Belém (COP30) blieben hinter den Erwartungen zurück. Warum es dennoch Erfolge gibt und wie das Abkommen im Gastgeberland Brasilien bewertet wird, erklären Yvonne Blos und Jan Souverein von der Friedrich-Ebert-Stiftung im Interview.
IMAGO/ZUMA Press Wire
Auch wenn „Curupira“, das Maskottchen der COP30, gut lachen hat: Die Bilanz der Weltklimakonferenz im brasilianischen Belém ist eher ernüchternd.
Die Erwartungen an die Klimakonferenz in Belém waren groß. Gemessen daran scheinen die Ergebnisse eher klein auszufallen. Wie bewerten Sie die COP30?
Jan Souverein: Die COP30 war für Brasilien und Präsident Luiz Inácio Lula da Silva der Abschluss einer Reihe bedeutender internationaler Konferenzen unter brasilianischer Präsidentschaft. Lula setzte dabei jeweils sein politisches Gewicht ein, um den Konferenzen zum Erfolg zu verhelfen und den Multilateralismus als zentrales Konzept der internationalen Politik zu stärken. Vor diesem Hintergrund bestand für die brasilianische Präsidentschaft ein grundlegendes Ziel der diesjährigen COP darin, das Austreten weiterer Länder aus dem Pariser Klimaabkommen und ein Auseinanderbrechen des Prozesses der Klimakonferenzen zu verhindern.
Dafür kommt das Abschlussdokument allerdings denjenigen Staaten stark entgegen, die eine ambitionierte Klimapolitik zu bremsen versuchen, vor allem mit Blick auf den Ausstieg aus fossilen Energien. Die Bilanz fällt daher gemischt aus: Das schlimmste Szenario konnte abgewendet werden, ehrgeizige Erwartungen zur Klimafinanzierung und hinsichtlich anderer Fortschritte beim Kampf gegen die Klimakrise blieben aber unerfüllt.
Yvonne
Blos
Besonders schwer wiegt das Versagen, keinen Konsens bei dem Ausstieg aus den fossilen Energien auf UN-Ebene zu erzielt zu haben.
Yvonne Blos: Gemessen an den Herausforderungen bei der Bekämpfung der Klimakrise und den hohen Erwartungen sind die Ergebnisse in der Tat mager. Nichtsdestotrotz konnte die Klimakonferenz mit der Verabschiedung des Arbeitsprogramms für sozial gerechte Übergänge – besser bekannt unter dem englischen Schlagwort „Just Transition“ – einen besonders aus sozialdemokratischer Sicht sehr wichtigen Achtungserfolg erzielen. Denn dort wird gefordert, dass ein Mechanismus für Just Transition auf globaler Ebene im Rahmen der UN-Klimakonferenzen entwickelt werden soll.
Es ist das erste Mal, dass das Thema innerhalb der UN-Klimarahmenkonvention einen zentralen Platz bekommt. Das ist essenziell, um die soziale Akzeptanz für Klimapolitik zu fördern – in Deutschland, aber auch weltweit. Denn mehr Ambition bei der Bekämpfung der Klimakrise ist nur mit sozial gerechten Übergängen möglich.
Die Ergebnisse in anderen Bereichen wie der Minderung des CO2-Ausstoßes, der Klimafinanzierung und auch beim Thema Anpassung an den Klimawandel bleiben jedoch hinter den Erwartungen zurück. Besonders schwer wiegt das Versagen, keinen Konsens bei dem Ausstieg aus den fossilen Energien auf UN-Ebene zu erzielt zu haben. Viele wichtige Initiativen, wie z.B. die Fahrpläne für den Ausstieg aus fossilen Energien und dem Stopp der Entwaldung sowie der von Brasilien ins Leben gerufene Fonds zum Schutz des Regenwaldes, wurden tatsächlich außerhalb der offiziellen COP-Beschlüsse erzielt.
Jan
Souverein
Der Regenwaldfonds wurde positiv aufgenommen, konkrete Finanzierungszusagen gab es jedoch wenige.
Brasilien ist mit Abstand das Land mit dem meisten Regenwald. Wie wird die Einigung auf den Fonds zum Schutz der Regenwälder hier aufgenommen?
Souverein: Ein erfolgreicher Start der Tropical Forests Forever Facility (TFFF) war eine Priorität Brasiliens für die COP30. Die Idee: Mit einer öffentlichen Anschubfinanzierung soll vor allem privates Kapital mobilisiert werden. Die Erträge des Fonds fließen anschließend an Länder mit tropischen Wäldern – allerdings nur, wenn diese ihre Wälder nicht abholzen. So entsteht ein direkter finanzieller Anreiz für effektiven Waldschutz. Brasilien möchte 25 Milliarden US-Dollar als Basiskapital nutzen, um weitere 100 Milliarden USD auf dem Kapitalmarkt einzusammeln.
Während der COP30 sagten jedoch nur wenige Länder finanzielle Beiträge zu. Die Bundesregierung unterstützt diese Initiative und hat eine Milliarde Euro dafür versprochen. Das investierte Geld erhält Deutschland am Ende der Laufzeit wieder zurück. Insgesamt belaufen sich die Zusagen bisher auf 6,7 Milliarden US-Dollar – weit entfernt von den angestrebten 25 Milliarden und auch unter den 10 Milliarden, die mindestens notwendig sind. Auch hier ist die Bilanz also gemischt: Der Fonds wurde positiv aufgenommen, konkrete Finanzierungszusagen gab es jedoch wenige.
Brasiliens Präsident Lula da Silva hatte vor Beginn der Konferenz auch einen verbindlichen Fahrplan zum globalen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen gefordert. Länder wie Deutschland hatten ebenfalls darauf gedrängt. Der findet sich aber nicht in der Abschlusserklärung, denn andere Länder stellten sich deutlich dagegen. Wie schwer wiegt das?
Blos: Dass kein Hinweis zum fossilen Ausstieg in den Abschlussdokumenten der COP auftaucht, kann tatsächlich als größter Misserfolg der COP30 bezeichnet werden. Hier hat sich die kleine, aber sehr mächtige Gruppe der Blockierer – allen voran Petrostaaten, die die fossilen Wirtschaftsinteressen vertreten – leider durchgesetzt. Dadurch konnte ein Fahrplan zum Ausstieg aus den fossilen Energien nicht einstimmig beschlossen werden, obwohl die EU, aber auch andere Länder, bis zum Schluss dafür gekämpft hatten. Im offiziellen UN-Rahmen wurde zumindest eine Initiative beschlossen, die dafür sorgen soll, dass die nationalen Klimaschutzpläne der Vertragsstaaten mit dem 1,5-Grad-Ziel in Einklang gebracht werden – wenn auch auf freiwilliger Basis.
Ein Lichtblick ist jedoch, dass es einen freiwilligen Fahrplan zum fossilen Ausstieg auf Initiative Brasiliens gibt, dem sich mehr als 90 Vertragsstaaten angeschlossen haben und der nun in den nächsten zwei Jahren konkretisiert werden soll. Und im April 2026 wird auf Initiative von Kolumbien und der Niederlande eine internationale Konferenz zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern stattfinden.
Yvonne
Blos
Ich glaube, dass wir beides brauchen: Klimakonferenzen auf UN-Ebene und Zusammenschlüsse von besonders ambitionierten Staaten, um schneller und ambitionierter voranzugehen, als dies im UN-Kontext möglich ist.
Nach dieser Erfahrung von Belém: Wäre es sinnvoller, wenn künftig kleinere Gruppen von Ländern den Klimaschutz voranbringen, anstatt immer eine Einigung von 194 Staaten erzielen zu wollen?
Blos: Ich glaube, dass wir beides brauchen: Klimakonferenzen auf UN-Ebene und Zusammenschlüsse von besonders ambitionierten Staaten, um schneller und ambitionierter voranzugehen, als dies im UN-Kontext möglich ist. Wichtige Initiativen wie der Entwaldungsstopp oder der Ausstieg aus fossilen Energien konnten nur durch Koalitionen der Willigen auf der COP30 vorangetrieben werden.
Gleichzeitig ist auch klar, dass solche Initiativen eine Plattform wie die UN-Klimakonferenz brauchen, um überhaupt zustande zu kommen. Und so mühsam das langsame Vorankommen auf den UN-Klimakonferenzen auch ist: sie sind ein extrem wichtiges multilaterales Instrument, in dem alle vertreten sind – z.B. auch kleine Inselstaaten, die sonst kein Gehör finden. Auch die Zivilgesellschaft hat klar definierte Partizipationsmöglichkeiten im Kontext der COPs, was bei anderen Initiativen ebenfalls nicht sichergestellt ist.
Trotzdem braucht es auch eine Reform der Klimakonferenzen, damit diese nicht weiter von wenigen, aber gut organisierten fossilen Lobbygruppen ausgehöhlt werden. Hierzu gehören z.B. verbesserte Transparenz und Kriterien, um die Einflussnahme fossiler Interessen auszuschließen. Und auch über eine Überarbeitung des Konsensprinzips muss nachgedacht werden, damit die COPs wirkmächtig bleiben.
Die Klimakonferenz 2026 wird in der Türkei stattfinden. Die Verhandlungsleitung übernimmt Australien. Was muss bis dahin auf den Weg gebracht sein?
Blos: Dass die Klimakonferenz nun im nächsten Jahr in der Türkei stattfindet, kam für viele überraschend. Denn bereits seit einigen Jahren hatte sich Australien proaktiv um die Durchführung der COP31 beworben. Da die Entscheidung im Konsensprinzip fallen muss, hat sich letztlich die Türkei durchgesetzt.
Der Kompromiss sieht vor, dass die Konferenz zwar in der in der türkischen Küstenstadt Antalya stattfinden wird, Australien jedoch die Verhandlungsführung übernehmen wird. Das ist gut, denn bis dahin wäre es vor allem wichtig, die Beschlüsse zur freiwilligen Umsetzung des Fahrplans zum Ausstieg aus fossilen Energien umzusetzen sowie konkrete Ideen zum Schließen der Ambitionslücke bei den Klimaschutzplänen vorzulegen. Hier wird Australien deutlich mehr zugetraut.
Gleichzeitig ist für uns zentral, dass es zu einer erfolgreichen Entwicklung des Mechanismus für Just Transition kommt. Dessen Umsetzung soll ebenfalls auf der COP31 beschlossen werden. Auch das Thema Klimafinanzierung wird im kommenden Jahr sicher wieder auf der Agenda stehen. Denn ohne eine entsprechende Steigerung der Mittel wird es schwierig sein, Minderungsziele oder Maßnahmen zur Anpassung umzusetzen.
Jan
Souverein
Friedrich Merz‘ abfällige Aussagen waren verletzend und haben dem Image Deutschlands geschadet.
In Belém wurde vor der COP sehr viel Geld investiert, unter anderem um den Hafen zu renovieren. Was bleibt von der Konferenz in Brasilen?
Souverein: Im Vorfeld der COP wurden zahlreiche historische Gebäude sowie Teile der Infrastruktur und des öffentlichen Raums in Belém renoviert oder ausgebaut. Das wurde von der lokalen Bevölkerung ausgesprochen positiv aufgenommen. Belém zählt zu den ärmeren Großstädten Brasiliens; die Amazonasregion ist strukturschwach und weit von den wirtschaftlichen Zentren entfernt. Entsprechend groß waren Freude und Stolz der Bewohner*innen, die Welt zu einem solch wichtigen Ereignis empfangen zu dürfen.
Aus deutscher Sicht ist besonders wichtig zu wissen, dass die respektlosen und undiplomatischen Kommentare unseres Bundeskanzlers zu Belém nicht nur dort, sondern im ganzen Land sehr genau wahrgenommen wurden und viele negative Reaktionen hervorgerufen haben. Das brasilianische Volk ist sehr gastfreundlich und freut sich, wenn sich ausländische Gäste dort wohlfühlen. Friedrich Merz‘ abfällige Aussagen waren verletzend und haben dem Image Deutschlands geschadet. Neben den positiven Auswirkungen für die Stadt und ihre Bevölkerung bleibt daher ein bitterer Beigeschmack.
Das Interview wurde schriftlich geführt.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.