Inland

Stahlgipfel: Wie die Bundesregierung der kriselnden Branche helfen will

Die deutsche Stahlproduktion steht dramatisch unter Druck. Bei einem „Stahlgipfel“ im Kanzleramt haben sich Politik und Industrie nun auf konkrete Vorhaben zur Unterstützung der Branche verständigt.

von Kai Doering · 6. November 2025
Gunnar Groebler, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Jürgen Kerner an Redepulten vor Deutschland- und Europafahnen

Einig in der Einschätzung der dramatiischen der Lage der Stahlindustrie und bei den notwendigen Gegenmaßnahmen: Gunnar Groebler, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Jürgen Kerner (v.l.)

Wäre die Dramatik der Situation nicht bereits vor dem Stahlgipfel der Bundesregierung bekannt gewesen – spätestens die Pressekonferenz im Anschluss an das Treffen hätte sie wohl jedem bewusst gemacht. Jürgen Kerner, zweiter Vorsitzender der IG Metall, sieht die deutsche Stahlbranche „im Schockraum“. Gunnar Groebler, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, beschrieb die Situation als „dramatisch“. Und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sprach gar von einer „existenzbedrohenden Krise“.

Industriestrompreis soll für drei Jahre gelten

Ebenso einig wie in der Analyse der Situation waren sich die Teilnehmer*innen des Stahlgipfels aber auch bei den notwendigen Gegenmaßnahmen. Um den Import von billigem Stahl, vor allem aus China, einzudämmen, soll sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass der europäische Handelsschutz verschärft wird. Ein weiterer Auftrag ist die Senkung der hohen Energiekosten für die energieintensive Stahlbranche. Und ein dritter Punkt ist die Unterstützung der Branche auf dem Weg in eine klimaneutrale Produktionsweise.

„Wir müssen die Energiekosten weiter senken und die Wettbewerbsbedingungen verbessern“, fasste Vizekanzler und SPD-Chef Lars Klingbeil die anstehenden Aufgaben zusammen. Um die Energiepreise zu senken, will die Bundesregierung einen so genannten Industriestrompreis einführen, also den Preis deckeln, den energieintensive Unternehmen für die Kilowattstunde zahlen müssen. Dem steht allerdings bisher das europäische Wettbewerbsrecht zum Teil entgegen. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hatte sich Anfang der Woche optimistisch gezeigt, in den kommenden Tagen eine Einigung zu erzielen.

„Ohne eine wirksame Absenkung der Strompreise ist diese Industrie nicht überlebensfähig“, mahnte Bundeskanzler Merz mit Blick auf die Stahlbranche. Macht Brüssel mit, solle der Strompreis für energieintensive Unternehmen für drei Jahre abgesenkt werden.

Klingbeil: „Dürfen am Ende nicht die Dummen sein“

Darüber hinaus sollen deutlich höhere Zölle der EU die Stahlproduktion vor Billigimporten schützen. Gerade in China wird Stahl deutlich günstiger produziert, etwa weil es kaum Umweltauflagen gibt. Die Importe verdrängen in der EU hergestellten Stahl vom Markt. „Ich bin überzeugt von offenen und freien Märkten“, sagte Vizekanzler Lars Klingbeil, „aber wir dürfen am Ende nicht die Dummen sein“. Schutzmechanismen seien daher dringend notwendig. „Die Sicherung von Industriestandorten und Arbeitsplätzen in Deutschland hat für uns oberste Priorität“, betonte Klingbeil.

Deshalb will die Bundesregierung die Stahlbranche auch weiter auf dem Weg hin zu einer klimaneutralen Produktionsweise unterstützen. „Es geht uns nicht allein darum, die Stahlindustrie einfach nur zu erhalten, sondern wir wollen sie auch dabei begleiten, sich für die Zukunft erfolgreich aufzustellen“, betonte Bundeskanzler Merz. Förderprogramme will die Koalition jedoch an Bedingungen knüpfen. „Wir haben eine klare Erwartung an die Unternehmen, ihre Standorte zu sichern und Arbeitsplätze zu sichern“, sagte Lars Klingbeil. Diese Forderung hatte der SPD-Vorstand bereits am Montag in einem Beschluss erhoben.

„Wir müssen natürlich auch unsere Hausaufgaben machen“, räumte so auch Stahlpräsident Gunnar Groebler nach dem Gipfel ein und betonte die „neue Qualität“ des Treffens. „Wir haben ein gemeinsames Verständnis von der notwendigen Geschwindigkeit“, lobte er die Gesprächspartner von Arbeitnehmerseite und aus der Politik. Und auch IG-Metall-Vize Jürgen Kerner zeigte sich am Ende des Treffens optimistisch, „dass die Stahlbranche den Schockraum lebend verlassen“ wird.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

Weitere interessante Rubriken entdecken

Noch keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.