Inland

Vor dem Stahlgipfel: „Die Menschen erwarten ein klares Signal der Politik“

6. November 2025 08:08:51

Im Märkischen Kreis gibt es keine Hochöfen, aber viel Stahl verarbeitende Industrie. Fabian Ferber, Erster Bevollmächtigter der IG Metall, sagt, was sich die Beschäftigen vom Stahlgipfel erhoffen und warum die heimische Stahlproduktion für Deutschland so wichtig ist.

Große, silberne Rollen gewalzter Stahl liegen übereinander gestapelt

Stahlrollen in Eisenhüttenstadt: Stahl ist der wichtigste Werkstoff, den wir hier in der Industrie verarbeiten.

Die deutsche Stahlindustrie steht wegen Billigimporten und steigenden Energiepreisen schon länger unter Druck. Das trifft nicht nur Produktionsstandorte wie Duisburg und Salzgitter. Wie ist die Situation bei Ihnen im Märkischen Kreis?

Stahl aus dem Märkischen Kreis findet man im Grunde auf der ganzen Welt. Der Grundstoff kommt zwar aus Duisburg, Salzgitter, Georgsmarienhütte oder sonst überwiegend aus Europa, aber bei uns wird er gewalzt, gegossen, geschmiedet und gezogen. Einige unserer Unternehmen sind in diesen Bereichen Weltmarkführer. Bei uns fand schon Eisenverarbeitung statt als es die großen Industriezentren von heute noch gar nicht gab. Insofern ist unsere Region eng mit dem Stahl verbunden und natürlich hat die aktuelle schwierige Situation auch große Auswirkungen. Die Menschen in den Betrieben sind verunsichert und erwarten ein klares Signal der Politik, dass es mit der Stahlproduktion in Deutschland weitergeht.

Fabian
Ferber

Eine Verlagerung der Stahlproduktion ins Ausland hätte milliardenschwere volkswirtschaftliche Verluste zur Folge.

Warum ist eine deutsche Stahlproduktion so wichtig? Man könnte den Stahl doch auch aus anderen Ländern importieren, um ihn in Deutschland zu verarbeiten.

Stahl ist der wichtigste Werkstoff, den wir hier in der Industrie verarbeiten. Stahl landet in unseren Steckdosen, Stahl landet in Haushaltsgeräten, Stahl landet im Auto, Stahl landet in unseren Gebäuden, Stahl landet in unseren Brücken. Wenn wir den Stahl nicht mehr in Deutschland produzieren, sind wir selbst bei der öffentlichen Infrastruktur abhängig von anderen. Eine Verlagerung der Stahlproduktion ins Ausland hätte milliardenschwere volkswirtschaftliche Verluste zur Folge. Das hat eine Studie der Universität Mannheim gerade herausgearbeitet. Deswegen ist es wichtig, dass wir weiterhin Stahlstandort bleiben. Nicht zuletzt sind hunderttausende Arbeitsplätze in Deutschland abhängig davon, dass wir sichere Lieferketten im Bereich Stahl haben. Stahl ist und bleibt unsere Zukunft.

Wie wirkt sich die derzeitige Krise der Branche bei Ihnen vor Ort aus?

In einigen Betrieben gibt es bereits Kurzarbeit. In anderen haben wir Sondertarifverträge abgeschlossen, um Beschäftigung zu sichern. Wir erleben aber auch schon jetzt echten Beschäftigungsabbau. In den letzten fünf Jahren haben wir zwischen fünf und zehn Prozent der Industriearbeitsplätze in unserer Region verloren und das, obwohl wir die Werkbank der Nation sind. Wir sind mitten in Deutschlands drittgrößter Industrieregion und die Leute spüren hier, dass etwas passiert. Und deswegen ist es auch so wichtig, dass der Stahlgipfel ein Signal der Sicherheit sendet.

Wie muss dieses Signal aus Sicht der IG Metall konkret aussehen?

Lange war ja gar nicht klar, ob es einen solchen Gipfel überhaupt gibt. Dass es jetzt dazu kommt, ist auch ein Verdienst von Lars Klingbeil, der Wochen und Monate darauf gedrängt hat. Insofern ist es schon mal ein gutes Signal, dass es diesen Gipfel nun gibt. Aber natürlich hilft er der Branche nur, wenn es auch klare Verabredungen gibt. Es muss klar sein, dass europäischer, insbesondere deutscher Stahl abgesichert wird. Ebenso klar muss sein, dass wir keinen Stahl aus Regionen beziehen, wo Kriege geführt werden. Und es muss eine Idee geben, wie die Wertschöpfungskette abgesichert wird, bis hin zu den stahlverarbeitenden Unternehmen, die in meiner Region angesiedelt sind. Dafür erwarte ich mir von dem Stahlgipfel einen klaren Fahrplan.

Fabian
Ferber

Zurzeit haben viele Beschäftigte den Eindruck, dass Transformation vor allem den Abbau von Arbeitsplätzen bedeutet.

Eine Forderung von Gewerkschaften wie SPD scheint sich bereits zu erfüllen: Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat angekündigt, dass es ab dem kommenden Jahr einen Industriestrompreis geben soll. Wie muss der ausgestaltet sein, damit er der Stahlbranche hilft?

Zunächst muss die Frage beantwortet sein, welche Unternehmen wirklich energieintensiv sind. Da gibt es auch aus steuerlichen Gründen zum Teil sehr schwierige Abgrenzungen. Ich würde mich auch nicht auf einen Preis festlegen – manchen sagen ja, es müssen fünf Cent pro Kilowattstunde sein – da die Rahmenbedingungen hier entscheidend sind. Ein großes Thema, das damit verbunden ist, ist zum Beispiel die Frage, wie der Mittelstand eigentlich die Transformation finanziert. Die Banken sind gerade in unserer Branche mit Krediten leider oft sehr zurückhaltend. Auch hier hat der Industriestrompreis Auswirkungen.

Die Beschäftigen stehen aber weiterhin zum grünen Stahl und zur Transformation der Branche hin zur Klimaneutralität?

Insgesamt ja. Es will ja niemand in einer Welt leben, in der man unnötig Abgase einatmet. Die Menschen merken aber auch, dass einiges, was angekündigt wurde, nicht so kommt, wie es versprochen wurde. Das führt zu Frust. Zurzeit haben viele Beschäftigte den Eindruck, dass Transformation vor allem den Abbau von Arbeitsplätzen bedeutet. Deshalb brauchen sie eine klare Perspektive, wie die Transformation gelingen soll. 

Der Gesprächspartner

Fabian Ferber ist Erster Bevollmächtigter der IG Metall im Märkischen Kreis in Nordrhein-Westfalen und Mitglied des SPD-Parteivorstands.

Porträt von Fabian Ferber im blauen Hemd und hellem Sakko
Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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