Inland

SPD-Fraktionsvize Zorn: „Stahl ist das Rückgrat unserer Industrie“

Die SPD will der angeschlagenen Stahlindustrie auf die Beine helfen, notfalls mit Staatsbeteiligung. Warum die Branche so wichtig ist und was er vom Stahlgipfel Anfang November erwartet, erklärt SPD-Fraktionsvize Armand Zorn im Interview.

von Jonas Jordan · 22. Oktober 2025
Stahlwerk im sächsischen Freital
Vierter S?chsischer Stahlgipfel im Stahlwerk Freital Die Branche ben?tigt verl?ssliche Energieversorgung zu planbaren und wettbewerbsf?higen Preisen Gemeinsame Forderungen von Wirtschaftsminister Dirk Panter, Unternehmen, Wirtschaftsvereinigung Stahl und IG Metall u.a. zu Industriestrompreis und Verl?ngerung der Strompreiskompensation Beschickung eines Elektohochofens. Freital Sachsen Deutschland *** Fourth Saxon Steel Summit at Freital steelworks The industry needs a reliable energy supply at predictable and competitive prices Joint demands by Minister of Economic Affairs Dirk Panter, companies, the German Steel Federation and IG Metall on industrial electricity prices and the extension of electricity price compensation, among oth

Im Bundestagswahlkampf äußerte sich Friedrich Merz skeptisch zur Zukunft von grünem Stahl in Deutschland. Glauben Sie, dass er seine Meinung inzwischen geändert hat?

Ehrlich gesagt: Ich hoffe es – denn ohne grünen Stahl gibt es keine klimaneutrale Industrie in Deutschland. Wer heute noch an der langfristigen Zukunftsfähigkeit von grünem Stahl zweifelt, hat den globalen Wettbewerb verschlafen. Länder wie Schweden oder Kanada investieren massiv in klimaneutrale Produktion. Wenn Deutschland da nicht mitzieht, verlieren wir Wertschöpfung, Arbeitsplätze und technologische Souveränität. Der Wandel ist längst Realität – entscheidend ist, ob wir ihn gestalten oder ihm hinterherlaufen.

Warum ist es so wichtig, dass auch weiterhin Stahl in Deutschland produziert wird?

Stahl ist kein Produkt wie jedes andere – er ist das Rückgrat unserer Industrie. Ohne Stahl gibt es keine Windräder, keine Züge, keine Maschinen, keine Energieinfrastruktur. Wenn wir die Produktion ins Ausland verlagern, verlieren wir nicht nur zehntausende Arbeitsplätze, sondern auch Kontrolle über zentrale Wertschöpfungsketten und unsere industrielle Sicherheit. Auch für unsere Verteidigungsfähigkeit ist es wichtig, dass wir unabhängig bleiben. Eine starke, klimafreundliche Stahlproduktion ist deshalb ein strategisches Fundament – für Wirtschaft, Wohlstand und Sicherheit in Deutschland.

Armand
Zorn

Ein Staatseinstieg ist kein Allheilmittel, sondern eine Sicherheitsleine – für den absoluten Ausnahmefall.

Stahl aus Deutschland ist derzeit insbesondere auch wegen der hohen Energiepreise so teuer. Was würde da ein Staatseinstieg bringen, wie ihn die SPD-Fraktion in ihrem jüngst gefassten Beschluss in Erwägung zieht?

Ein Staatseinstieg ist kein Allheilmittel, sondern eine Sicherheitsleine – für den absoluten Ausnahmefall. Vorrang hat für uns, die Wettbewerbsfähigkeit der Stahlindustrie mit einem fairen Industriestrompreis, günstiger Energie und gezielten Transformationshilfen zu sichern. Darauf muss und wird jetzt unsere absolute Priorität liegen. Nur wenn alle Stricke reißen, sollte der Staat eingreifen, um strategische Abhängigkeiten zu vermeiden oder Produktionskapazitäten zu sichern. Es geht nicht darum, den Markt zu ersetzen, sondern Zukunft und Sicherheit zu garantieren.

Im internationalen Wettbewerb ist der heimische Stahl dem Wettbewerb gegenüber Billigstahl aus China ausgesetzt. Welche Möglichkeiten gibt es auf europäischer Ebene, den hiesigen Markt vor solchen Billigimporten besser zu schützen?

Wir brauchen endlich faire Wettbewerbsbedingungen. Es kann nicht sein, dass Stahl aus China oder Indien mit staatlichen Subventionen und niedrigen Umweltstandards unsere Werke unter Druck setzt. Deshalb unterstützen wir die Vorschläge der EU-Kommission, Importquoten zu senken und Zölle auf Dumpingstahl deutlich zu erhöhen. Zugleich muss der CO₂-Grenzausgleich (CBAM) konsequent umgesetzt werden, damit europäische Produzenten nicht als einzige die Last der Transformation tragen. Die Märkte bleiben offen – in Maßen, nicht für die Stahl-Massen. Und wir brauchen klare ‚Buy European‘-Regeln – damit öffentliche Aufträge nicht den billigsten, sondern den nachhaltigsten Stahl belohnen.

Zum Interviewpartner

Armand Zorn ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. In seinem Wahlkreis in Frankfurt am Main wurde er zuletzt zweimal direkt ins Parlament gewählt.

Armand Zorn während einer Rede im Bundestag

Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich vom Stahlgipfel am 6. November?

Vom Stahlgipfel erwarte ich kein einfaches Gespräch, sondern konkrete Zusagen: einen verbindlichen Fahrplan für den Industriestrompreis, klare Unterstützung für Investitionen in grünen Wasserstoff und den Ausbau der Infrastruktur. Es muss deutlich werden: Deutschland will und kann Stahlstandort bleiben – aber als Vorreiter für klimaneutrale Produktion. Wenn Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften an einem Strang ziehen, kann die Transformation der Stahlindustrie zu einer Erfolgsgeschichte des Industriestandorts Deutschland werden.

Dieses Interview wurde schriftlich geführt.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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