Inland

„Die AfD braucht ihre Jugendorganisation als Radikalisierungslabor.“

Am Wochenende gründet sich die neue Jugendorganisation der AfD in Gießen. Im Interview sagt Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder, welche Rolle die „Generation Deutschland“ für die rechtsextreme Partei spielt – und warum sie für die AfD auch ein Risikofaktor ist.

von Kai Doering · 28. November 2025
Zwei Männer in blauen Pullovern mit der Aufschrift "AfD-Jugend" in einer Menschenmenge, aufgenommen von hinten

Brücke der AfD ins radikale Milieu: Die neue Jugendorganisation ist für die Partei notwendig und gleichzeitig ein Risiko, sagt der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder.

Anfang des Jahres hat die AfD beschlossen, sich von ihrer Jugendorganisation zu trennen. Im März löste sich die „Junge Alternative“ dann auf. Nun soll am Wochenende eine neue AfD-Jugendorganisation gegründet werden. Was verspricht sich die Partei von dem Schritt?

Die „Junge Alternative“ war – anders als die AfD – von Anfang an sehr radikal ausgerichtet im Kampf gegen Migration und den Islam. Sie ist auch von Beginn an für eine andere politischen Kultur in Deutschland eingetreten. Dabei war die „Junge Alternative“ außerhalb der Partei als eigenständiger Verein mit eigener Geschäftsordnung organisiert.

Dadurch konnten sie unabhängig von der AfD agieren, sich aber gleichzeitig auf sie beziehen. Und die AfD konnte sich bei bedarf auch abgrenzen, ohne direkt in Haftung genommen zu werden. Die „Junge Alternative“ war damit gewißermaßen so etwas wie ein Radikalisierungslabor für die AfD, zumal sie eng vernetzt war mit dem rechtsextremen Bewegungs-Umfeld der AfD. Die Jugendorganisation hat hier die Brücke für die Partei gebildet.

Und trotzdem hat die AfD sich von der „Jungen Alternative“ getrennt.

Da kommt der Verfassungsschutz ins Spiel. Der hatte die „Junge Alternative“ schon sehr früh auf dem Schirm und hat nach und nach zuerst einzelne Landesverbände als gesichert rechtsextrem eingestuft und 2023 dann auch den Bundesverband. Damit stand ein mögliches Verbot der „Jungen Alternative“ im Raum, was wegen des Vereinsrechts deutlich einfacher wäre als eine Partei zu verbieten. Deshalb ist die AfD eingeschritten, weil sie fürchtete, dass ihr ein Verbot der „Jungen Alternative“ auch selbst gefährlich werden könnte.

Wolfgang
Schroeder

Eine brave Parteijugend, die alles, was von der Parteiführung kommt, abnickt, wird die „Generation Deutschland“ nicht sein.

Warum dann jetzt die Neugründung?

Mit dem vorgeschlagenen Modell folgt die AfD dem Vorbild anderer Parteien. Die Jusos zum Beispiel sind eine Arbeitsgemeinschaft der SPD und dadurch ganz klar an die Partei gebunden. In der AfD soll es künftig so sein, dass jedes Parteimitglied unter 36 Jahren automatisch Mitglied der Jugendorganisation ist. Die Verbindung zwischen Partei und Jugend wird damit deutlich enger und die Jugendorganisation besser kontrollierbar. Es gibt stärkere Durchgriffs- und Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den jungen Mitgliedern. Letztlich bedeutet die neue Struktur auch eine weitere Professionalisierung der Partei insgesamt. Aber auch ein gewisses Gefährdungspotential.

Unter den jungen AfD-Mitglieder gibt es bereits Widerstand gegen eine zu große Kontrolle des Bundesvorstands. Kann das Konzept der AfD-Führung aufgehen?

Eine brave Parteijugend, die alles, was von der Parteiführung kommt, abnickt, wird die „Generation Deutschland“, wie die künftige AfD-Jungend ja wohl heißen soll, nicht sein. Das wäre aber auch nicht im Sinne der Partei. Die AfD braucht ihre Jugendorganisation als vitales Radikalisierungslabor. Sie soll auch ihre Funktion als Brücke ins extreme Vorfeld der AfD behalten und weiter junge Menschen für die Partei rekrutieren sowie dafür sorgen, dass radikale Positionen weiterhin ihren festen Platz bekommen. Die AfD muss eine Gratwanderung hinbekommen: Einerseits wird sie alles dafür tun, dass ihre Jugendorganisation einem möglichen Verbotsverfahren keine zusätzliche Nahrung gibt. Und ihr auch nicht gefährlich wird im Hinblick auf mögliche Koalitionsperspektiven. Anderseits braucht sie dieses Labor, um extreme Positionen vorzubereiten und zu testen und um eine Strahlkraft auch ins rechtsextreme Spektrum zu haben. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Möglicherweise ist der Verband dafür zu groß und der Wettstreit zwischen den Akteuren, wer der radikalste ist, zu stark.

Als designierter Vorsitzender der neuen AfD-Jugend gilt der 28-jährige Brandenburger Landtagsabgeordnete Jean-Pascal Hohm. Wie ist er einzuschätzen?

Jean-Pascal Hohm ist eng vernetzt mit dem rechtsextremen Umfeld der AfD in Brandenburg, aber auch darüber hinaus und ist selbst in diesem Bereich als Aktivist unterwegs, etwa bei der „Identitären Bewegung“. Der Brandenburger Verfassungsschutz hat Hohm deshalb als rechtsextrem eingestuft. Von Hohm ist eher zu erwarten, dass er die AfD als struktureller Radikalisierungskurs zu erwarten. Gleichzeitig ist er mit seinem Einzug in den Landtag im vergangenen Jahr auf einer neuen Stufe der Karriereleiter angekommen. Deshalb wird er vermutlich geschmeidiger in den Gremien der AfD agieren, um unterschiedliche Meinungen und Strömungen möglichst gut zu integrieren. Das bedeutet, dass Hohm eine Pendelbewegung hinbekommen muss: Einerseits muss er die Glut der Radikalisierung am Glühen halten und andererseits eine beschwichtigende Rolle einnehmen an den Punkten, die der AfD-Spitze Schwierigkeiten machten könnten.

Wolfgang
Schroeder

Wenn die AfD-Jugend in Sachen Verfassungstreue negativ auffallen sollte, wird auch der Druck auf die Gesamtpartei zunehmen.

Die AfD konnte schon bei der Bundestagswahl besonders bei jüngeren Menschen punkten. Kann die neue Parteijugend diese Stellung noch weiter ausbauen?

Die Resonanz der AfD bei jungen Menschen ist schon jetzt sehr hoch, auch über Wahlen hinaus. Ein wichtiger Grund ist die Außenseiterposition, die die AfD im Parteienspektrum einnimmt. Für einen bestimmten Teil der Jugendlichen ist diese fundamentaloppositionelle Stellung sehr attraktiv. Das bildet sich ja auch in kulturellen Fragen wie der Musik deutlich ab. Hinzu kommt die starke Verankerung der AfD in Social-Media-Kanälen bis hin zu eigenen Podcasts, die gerade für junge Menschen sehr attraktiv sind. Das Milieu, das sich in den letzten zehn Jahren herausgebildet hat, ist nicht zu unterschätzen und sicher ein Nährboden für die AfD und ihre Jugendorganisation.

Auch der Verfassungsschutz wird den Gründungskongress der neuen AfD-Jugend und die Äußerungen, die dort getätigt werden, sicher aufmerksam beobachten. Werden an eine Jugendorganisation in Sachen Verbotsverfahren dieselben Maßstäbe angelegt wie an die Gesamtpartei?

Im Prinzip ja, aber wenn ein Teil einer Partei in eine bestimmte Richtung strebt, bedeutet das nicht automatisch das Aus für die gesamte Partei. Es gibt aber keine „Narrenfreiheit“. Wenn die AfD-Jugend in Sachen Verfassungstreue negativ auffallen sollte, wird auch der Druck auf die Gesamtpartei zunehmen. Insofern ist die Neugründung innerhalb der AfD für die AfD ambivalent: Auf der einen Seite wird sie künftig mehr Durchgriffsmöglichkeiten haben, auf der anderen wird sie schneller und direkter in Mithaftung genommen werden.

Der Gesprächspartner

Wolfgang Schroeder ist Inhaber des Lehrstuhls Politisches System der Bundesrepublik/Staatlichkeit im Wandel an der Universität Kassel sowie Fellow im Bereich Demokratie und Demokratisierung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

Weitere interessante Rubriken entdecken

Noch keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.