Inland

Sozialstaat: MPK-Chef Schweitzer kritisiert „Kürzungsfetischismus“

Seit Wochen tobt eine öffentliche Debatte über die Zukunft des Sozialstaats. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Alexander Schweitzer, hat nun zu einer Versachlichung aufgerufen – und eigene Vorschläge angekündigt.

von Kai Doering · 24. Oktober 2025
Alexander Schweitzer am Redepult bei einer Pressekonferenz

Will sachlich über die Zukunft des Sozialstaats diskutieren: der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz Alexander Schweitzer

Wie geht es weiter mit dem Sozialstaat? Darüber wird seit einigen Wochen heftig in Deutschland diskutiert. Am Donnerstag und Freitag hat das Thema auch die Jahreskonferenz der Ministerpräsident*innen in Mainz beschäftigt. „Es geht nicht um Kürzungen, sondern darum, einfacher und effektiver zu werden“, sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), Alexander Schweitzer, im Anschluss bei einer Pressekonferenz. In dieser kritisierte der sozialdemokratische Landeschef von Rheinland-Pfalz einen „Kürzungsfetischismus“ und betonte: „Wir wollen die Debatte sachlich führen.“

Sozialstaatsreform: Arbeitsgruppen sollen Vorschläge erarbeiten

Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz hatte diese Ende August angestoßen. „Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar“, sagte er beim Parteitag der niedersächsischen CDU. „Das Backoffice des Sozialstaats ist in den letzten Jahren etwas groß geworden“, gestand auch Alexander Schweitzer am Freitag ein, erteilte Leistungskürzungen jedoch eine Absage. Bis Anfang Dezember sollen Bund-Länder-Arbeitsgruppen Beschlüsse zur Reform des Sozialstaats und zur Staatsmodernisierung erarbeiten. Am 4. Dezember treffen sich die Ministerpräsident*innen mit dem Bundeskanzler in Berlin.

Dann wird es auch um das Thema Konnexität gehen, also die Frage, welche Ebene welche Dinge bezahlt. „Wir müssen raus aus dem Zirkel, dass der Bund gute Ideen hat, die zu Lasten der Länder und der Kommunen gehen“, betonte MPK-Chef Schweitzer am Freitag. Der zwischen Ländern und Kommunen geltende Konnexitätsgedanke „Wer bestellt, bezahlt“ müsse auch im Bund die Richtschnur sein. „Das bedeutet, wenn der Bund neue Aufgaben gesetzlich verankert, die von den Kommunen ausgeführt werden müssen, oder wenn der Bund höhere Standards insbesondere im Bereich sozialer Leistungen setzt, muss er sich auch für eine entsprechende auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen einsetzen“, so Schweitzer.

Schweitzer sieht Ministerpräsidenten als „Möglichmacher“

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident unterstrich dabei die „Scharnierfunktion“ der Länder zwischen Bundesebene und den Kommunen. „Die Ministerpräsidentenkonferenz ist der Kreis der Möglichmacher“, so Schweitzer. Trotz Unterschieden in der Parteizugehörigkeit seien die Länderchef*innen in der Lage, „tragfähige Kompromisse“ zu erarbeiten. „Wir haben die Aufgabe, uns die Hand zu reichen“, sagte Alexander Schweitzer. „Die großen Zukunftsaufgaben können nur im Schulterschluss aller staatlichen Ebenen gelingen.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

Weitere interessante Rubriken entdecken

2 Kommentare

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Sa., 25.10.2025 - 15:12

Permalink

Endlich eine Stimme aus den Führungsetagen, die sich gegen den Kürzungsfetischismus ausspricht, während angesichts der Milliardengewinne der Reichen in unserem Lande eine gerechte Steuerpolitik von deren Lobbyisten immer wieder als Neiddebatte angeführt wird.
Alle Mittel gegen Steuerhinterziehung und Stopfung von Schlupflöchern würden allein schon ausreichen, um die inzwischen nahezu menschenrechtswidrigen Kürzungen überflüssig zu machen. Aber leider scheint die Macht derjenigen, die von diesen Praktiken profitieren, größer zu sein als die vergeblichen Versuche einiger Weniger, die Welt gerechter zu gestalten.