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SPE-Kongress: Warum Lars Klingbeil „mehr europäischen Patriotismus“ fordert

Mehr Europa als Antwort auf die wachsenden weltweiten Herausforderungen. Dafür hat der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil beim Kongress der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) geworben. Als Vorbild sieht er eine europäische Ikone.

von Kai Doering · 18. Oktober 2025
SPD-Chef Lars Klingbeil mit Mikrofon in der Hand vor einem roten Hintergrund

SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil beim SPE-Kongress in Amsterdam: „Wir brauchen jetzt progressive Antworten.“

Lars Klingbeil hat eine weite Reise hinter sich. Gerade erst ist der Bundesfinanzminister von der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington zurückgekehrt. Trotzdem betritt er am Samstagvormittag mit schnellem Schritt die „Beurs van Berlage“, die ehemalige Börse Amsterdams, wo sich die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) zu ihrem zweitätigen Parteikongress trifft.

Klingbeil: „Wir brauchen jetzt progressive Antworten.“

Auch wenn Klingbeil hier als Vorsitzender der SPD auftritt, sind die Themen, über die er spricht, dieselben wie in Washington: die wirtschaftlichen Folgen der verschiedenen Krisen auf der Welt – vom russischen Krieg in der Ukraine über die Lage im Nahen Osten bis zu den Verwerfungen im Welthandel durch Zollkonflikte, Dumpingpreise und Überkapazitäten.

„Die Macht des Gesetzes wird zunehmend von der Macht des Stärkeren abgelöst“, warnt Klingbeil in Amsterdam. Nicht nur der Krieg in der Ukraine fordere Europa heraus, sondern auch die zunehmende Frustration in der Bevölkerung, etwa durch steigende Preise. „Dies ist eine entscheidende Zeit für uns alle“, betont Klingbeil. „Wir brauchen jetzt progressive Antworten.“

Die Marktmacht von 460 europäischen Verbrauchern nutzen

„Eine starke Wirtschaft ist die Basis für unsere Wohlstand“, sagt Klingbeil. Um ihn zu sichern, komme es auf globale Allianzen an. Gleichzeitig müsste der europäische Markt von unfairen Methoden geschützt werden. Und: „Wir müssen die Macht von 460 Millionen Verbrauchern nutzen“, fordert der SPD-Vorsitzende mit Blick auf den europäischen Binnenmarkt. Um diesen zu stärken, brauchen es „mehr europäischen Patriotismus“.

Vorbild könne hier einer der berühmtesten Europäer sein: Jacques Delors. Die EU-Kommissionspräsidentschaft des Franzosen beendete ein Jahrzehnt des Euroskeptizismus und der Stagnation des Integrationsprozesses. Mehr Europa als Antwort auf die gegenwärtigen Krisen – das sei auch heute das richtige Rezept, sagt Lars Klingbeil. „Wir brauchen Jacques Delors 2.0.“

„Seid einig! Baut Brücken! Seid freundlich!“

„Unsere Einigkeit wird unsere Stärke sein“, betont auch der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez im Amsterdam. Weltweit untergrüben extrem rechte Kräfte die Demokratie, zum Teil mit Unterstützung Russlands. Dem müssten die progressiven Parteien etwas entgegensetzen. „Wir müssen unsere Seele verteidigen, das soziale Europa“, fordert Sánchez. Zwar könne sich niemand die Herausforderungen aussuchen, „aber wir können uns aussuchen, wie wir mit ihnen umgehen“.

Eine spezielle Art des Umgangs mit der extremen Rechten in den Niederlanden hat die Partij van de Arbeid (PvdA) gefunden. Sie beschloss im Sommer, mit den Grünen („GroenLinks“) zu fusionieren. Bei der Parlamentswahl Ende des Monats treten sie bereits mit einer gemeinsamen Liste an. „Wir haben eine neue politische Bewegung in den Niederlanden geschaffen“, sagt Spitzenkandidat Frans Timmermans am Samstag vor den SPE-Delegierten. Die Zukunft linker Politik liege darin, sich zu öffnen.

Den Delegierten gibt er schließlich drei Dinge mit auf den Weg: „Seid einig! Baut brücken! Und vergesst dabei nicht, freundlich zu sein!“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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4 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mo., 20.10.2025 - 12:51

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Wir brauchen eine sozialdemokratische statt einer "progressiven" Politik, denn Gendersternchen und sogenannte Dievösitie baut keine Wohnungen, beheizt diese auch nicht, fördert keine Mobilität oder Bildung ........... .
Bezeichnend für den vorwärts ist ja mal wieder daß die Kommentarmöglichkeit zu dem Artikel zu dieser Frau Machado ("Friedensnobelpreis") nicht zugänglich ist. Auf die Diskussion wäre ich gespannt.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Di., 21.10.2025 - 14:34

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Lars Klingbeil - who? – kommt nach „weiter Reise“ vom „Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank“ zurück, um noch schnell den Parteikongress der SPE zu besuchen. Dort fasst er seine Analyse des „kritischen Moments der Geschichte“ (Stefan Löfven: 17.10.25) zusammen durch einen seiner Lieblingssätze: „Die Macht des Gesetzes wird zunehmend von der Macht des Stärkeren abgelöst“ (und Variationen). Das ist eine bemerkenswerte Analyse, denn noch vor kurzem hatten sich „bisher die großen globalen Player weltpolitischen Einfluss über Druck und Gefolgschaft gesichert“ (Klingbeil: 14.10.22). Wenn sich letzteres „zunehmend“ wieder einstellt, muss es doch dazwischen einen geradezu Idealzustand gegeben haben. Wann und welcher war das? (Ich kann mich an ihn erinnern.) Warum wurde er aufgegeben?

Natürlich hat Klingbeil auch eine Lösung in gestanzter Prägnanz parat: „Dies ist eine entscheidende Zeit für uns alle“; „wir brauchen jetzt progressive Antworten.“ Ein Satz für die Ewigkeit.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Di., 21.10.2025 - 14:37

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Konkret bedeutet er „mehr europäischen Patriotismus“. Wer jetzt eine kurze kritische Betrachtung erwartet von der Art, „ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt, ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet. Wir aber wollen ein Volk der guten Nachbarn sein, in Europa und in der Welt“ (Patriotismus heute: Definition eines zu Unrecht diskreditierten Begriffs, arbeitspapier_sicherheitspolitik_2016-26. Der Artikel zitiert hier Johannes Rau.), der sieht sich gewaltig getäuscht: Klingbeil meint mit „europäischem Patriotismus“ schlicht buy european.
Pedro Sánchez will „unsere Seele verteidigen, das soziale Europa“. Stefan Löfven (17.10.25) kündigt mit Blick auf „Russlands Krieg in der Ukraine, Wahlerfolge rechtsextremer Parteien und einem Klimawandel, dessen Folgen immer offensichtlicher werden“, eine „progressive Mobilisation in Europa und darüber hinaus“ an. Konkreter ist da schon sein Credo, „der Kampf der Ukraine ist Europas Kampf;

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Di., 21.10.2025 - 14:40

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die Ukraine muss gewinnen“. Damit verspricht er der Ukraine, was er (vermutlich) nicht wird halten können. Damit versperrt er aber auch die Hoffnung auf einen baldigen Frieden für die Ukraine, bekämpft er Trumps Friedensinitiative, verweigert er auch eine objektive Analyse des Konfliktfeldes, das zum Ukraine-Krieg geführt hat. Die aber ist Voraussetzung für einen nachhaltigen Frieden. Damit hat der Vorsitzende der SPE sicher die Vorstellung der deutschen Delegierten getroffen. Den „Jubel der Delegierten“ aber bekam der verbale SPD-Dauerbrenner, „wir werden die extreme Rechte mit aller Macht bekämpfen.“

Das Friedens-Projekt Europa haben wohl alle aufgegeben.
Wir sollten das nicht mitmachen.

PS. Da anderweitig nicht möglich: Der Vorwärts sollte sich mal mit der diesjährigen Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums beschäftigen, die der Bericht des Tagesspiegels so einleitet: „BND-Chef warnt vor russischem Angriff vor 2029 auf Nato-Gebiet.“