„Berlin 2035“: Wie der Zukunftsplan der SPD Populisten ausbremsen soll
Mit dem Zukunftsplan „Berlin 2035“ bereitet die SPD Berlin den kommenden Wahlkampf vor. Kritiker*innen fordern mehr Mut zu linken Positionen. Kian Niroomand, Co-Vorsitzender des Kreisverbands Charlottenburg-Wilmersdorf, erklärt, warum es aus seiner Sicht gerade auf ein breites politisches Angebot ankommt.
Stefan Boness/IPON
Kian Niroomand beim Landesparteitag der SPD Berlin am 24. Mai 2025.
Anfang des kommenden Jahres soll das Programm der SPD Berlin für die Wahl zum Abgeordnetenhaus im September 2026 stehen. Grundlage dafür ist das Zukunftskonzept „Berlin 2035“, das der Spitzenkandidat und designierte Parteivorsitzende Steffen Krach im September vorgestellt hat. Die Diskussion über „Berlin 2035“ hat in den Parteigremien gerade begonnen. Kian Niroomand, Co-Vorsitzender der SPD Charlottenburg-Wilmersdorf, glaubt an den Erfolg des Plans für eine bessere Hauptstadt.
Der Zukunftsplan „Berlin 2035“ dient als Grundlage für das Programm für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im kommenden Jahr. Wo müsste man nachschärfen, um damit eine schlagkräftige Kampagne zu füttern?
Mit Blick auf den Wahlkampf bildet momentan eine Frage die Kernproblematik: Für welche Botschaft sollen uns die Berlinerinnen und Berliner in diesen Zeiten wählen? Das ist etwas, was noch deutlicher herausgearbeitet werden muss. Wir haben mit Steffen Krach einen tollen Spitzenkandidaten, der als Person überzeugt. Aber die Person allein wird nicht ausreichen.
Kritiker*innen vermissen in dem Zukunftsplan einen klaren sozialdemokratischen Markenkern und fordern mehr Mut zu linken Positionen bei Wirtschafts- und Arbeitnehmer*innenfragen. Wie sehen Sie das?
Sozusagen mehr Klassenkampf zu fordern, ist mir zu einfach. Natürlich, wir sind die Partei der Arbeitnehmer*innen und müssen dies auch wieder mehr herausstellen. Gemeinsam mit den Gewerkschaften. Aber: Als SPD waren wir immer dann erfolgreich, wenn wir Arbeitsmarkt -und Wirtschaftspolitik zusammengedacht haben.
Wie sollen etwa kleine oder mittelständische Unternehmer dann noch auf die Idee kommen, SPD zu wählen? Gerade sie sind es, die in Berlin Löhne bezahlen, Geflüchtete anstellen oder eine Ausbildung ermöglichen. Denen müssen wir eine Perspektive bieten, um sie in die Lage zu versetzen, höhere Löhne zu zahlen oder Tarifbindung einzuführen.
Gordon Lemm, SPD-Bezirksstadtrat in Marzahn-Hellersdorf, sagt, man solle das im Zukunftsplan betonte Thema Familienfreundlichkeit stärker in den Vordergrund stellen. Was halten Sie davon?
Einerseits hat Gordon Lemm völlig recht. Ich glaube aber, dass es aktuell um noch mehr geht. In unserer Demokratie werden die Ränder und Extrempositionen immer mehr gestärkt. Ich glaube, die SPD muss den Mut haben, sich als politische Kraft zu präsentieren, die integrativ wirkt.
Das wirkt auf den ersten Blick nicht immer so sexy. Aber aus meiner Sicht braucht es endlich wieder eine Partei, die den Mut hat, dem Populismus und vermeintlich einfachen Antworten eine Politik entgegenzusetzen, die auf den Ausgleich von Interessen setzt, auch wenn es an der einen oder anderen Stelle komplizierter wirkt. Sei es nun Familien-, Verkehrs- oder Wohnungspolitik.
Es würde nicht allein dadurch zu Mietsenkungen kommen, wenn wir, wie in einem Volksbegehren gefordert, Wohnungen oder Konzerne enteignen. Dafür braucht es einen ganzheitlichen Ansatz. Und den muss man den Leuten auf griffige Weise erklären. In der Vergangenheit haben wir uns oft darauf verlassen, diese und jene Maßnahme vorzuschlagen. Daraus wurde im Lauf der Zeit ein Gemischtwarenladen. Nur sagen, dass sie ein Berlin für alle will, genügt nicht, die SPD muss auch praktisch etwas dafür tun.
Laut dem Zukunftsplan soll die Wohnungskrise bis zum Jahr 2035 beendet werden. Vor allem, indem 200.000 neue und auch bezahlbare Wohnungen gebaut werden. Ist das realistisch?
Das ist realistisch, wenn man die Voraussetzungen dafür schafft. Die genannte Wohnungszahl deckt sich mit dem Flächennutzungsplan. Allerdings müssen wir vor allem beim Thema Bürokratieabbau deutlich besser werden. Von städtischen und privaten Wohnungsunternehmen hört man immer wieder, dass die langen Genehmigungsverfahren dazu führen, dass enorme zusätzliche Kosten entstehen und sich Betriebe fragen, ob es für sie überhaupt noch lohnenswert ist, in Berlin Wohnungen zu errichten.
Wir wollen, dass vor allem städtische Wohnungsunternehmen mehr bauen. Dafür brauchen sie die nötige Liquidität. In Zeiten von knappen Kassen muss man womöglich über neue Modelle nachdenken, was Kredit- und Darlehensfinanzierung angeht. Dieser Prozess läuft bereits.
Deckt das Zukunftsprogramm „Berlin 2035“ die verschiedenen Facetten Berlins ausreichend ab, also auch die besonderen Themen der Innenstadt- und Außenbezirke?
Die Innen- und Außenperspektive zusammenzubringen, gehört zur DNA der SPD Berlin. Es gibt sehr starke gemeinsame Themen. Sicherheit, Verschmutzung, ÖPNV, Verkehrssicherheit und Mieten betreffen Menschen überall in Berlin, trotz der spezifischen Merkmale in der City oder am Stadtrand.
Kian Niroomand führt mit Reyhan Şahin den SPD-Kreisverband im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. 2024 kandidierte er gemeinsam mit Jana Bertels für den Landesvorsitz.