„Berlin 2035“: Was sich die SPD von dem Zukunftskonzept verspricht
Mit dem Zukunftsplan „Berlin 2035“ will die SPD Berlin durchstarten. Bezirkspolitiker*innen erklären, warum sie sich von dem Konzept Rückenwind für die Kampagne für die Wahl zum Abgeordnetenhaus im September 2026 erhoffen.
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SPD-Spitzenkandidat Steffen Krach bei einem Fototermin zum Start der Wahlkampagne am 7. Oktober.
Anfang des Jahres 2026 soll das Programm der SPD Berlin für die kommende Wahl stehen. Grundlage dafür ist das Zukunftskonzept „Berlin 2035“, das der Spitzenkandidat und designierte Parteivorsitzende Steffen Krach im September vorgestellt hat. Die Diskussion über „Berlin 2035“ hat in den Parteigremien gerade begonnen. Reaktionen aus den Kreisverbänden zeigen aber, dass der Plan für ein besseres Berlin die richtigen Akzente setzt.
Wohnungsnot in Berlin: „Viele Menschen haben Angst vor Wohnungsverlust oder Verdrängung“
Zum Beispiel beim Thema Wohnen, das einen von sechs Schwerpunkten bildet. „Dieser Textteil geht im Tenor in die richtige Richtung“, sagt Angela Budweg, stellvertretende Vorsitzende und stadtentwicklungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bezirksparlament von Berlin-Reinickendorf. Auch dort würden „Wohnungen benötigt, haben viele Menschen Angst vor Wohnungsverlust oder Verdrängung“. Es brauche berlinweit enorme Anstrengungen beim Wohnungsneubau, bereits heute würden laut dem aktuellem Stadtentwicklungsplan Wohnen 137.000 Wohnungen fehlen.
„Die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung bis 2040 erfordert mindestens nochmal die gleiche Menge“, so Budweg. Das formulierte Ziel, bis 2035 200.000 Wohnungen zu bauen sei somit absolut richtig. „Ich bin jedoch angesichts der Fertigstellungszahlen der vergangenen Jahre nur verhalten optimistisch, dass das Ziel zu erreichen ist. Aber vielleicht zündet der Bauturbo, erste Signale habe ich bereits vernommen.“ Es müsse aber klar sein, dass diese Kraftanstrengung nur durch alle Akteure des Wohnungsmarktes, die landeseigenen Wohnungsunternehmen, die Genossenschaften sowie große und kleine private Investoren, gemeistert werden könne.
Die zweite große Aufgabe sei nach wie vor, die Mieter*innen von Bestandswohnungen besser zu schützen und den Vermieter*innen, die die angespannte Lage des Wohnungsmarktes ausnutzen, die „rote Karte“ zu zeigen. „Überhöhte Angebotsmieten, Zweckentfremdung, Verwahrlosung und Leerstand von Wohnraum, die rechtswidrige Vermietung von Ferienwohnungen und Eigenbedarfskündigungen sind trotz aller Anstrengungen immer wieder an der Tagesordnung“, so Budweg. Hier bietet das Zukunftskonzept gute Ansätze, für die wir zum Teil die Hilfe des Bundes brauchen.“
Hohe Strafen für Vermieter*innen gefordert
Die Erhöhung des Anteils an kommunalen Wohnungen sei absolut wünschenswert. Ob allerdings die geforderte konsequente Nutzung des Vorkaufsrechts und die Umsetzung des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“ zwingend notwendig sind, bezweifelt Budweg. „Stattdessen sollten wir konsequent die Vermieter verpflichten, die hoffentlich zügig reformierten Gesetze, wie zum Beispiel die Mietpreisbremse, einzuhalten. Gegebenenfalls müssen schmerzlich hohe Strafen verhängt werden.“
Alles in allem sei das Zukunftskonzept „Berlin 2035“ eine gute Grundlage, um in die Konkretisierung beziehungsweise Modifizierung einzelner Maßnahmen zu gehen und diese mit den verschiedenen Gliederungen der Partei zu diskutieren.
Angela
Budweg
Überhöhte Angebotsmieten, Zweckentfremdung, Verwahrlosung und Leerstand von Wohnraum, die rechtswidrige Vermietung von Ferienwohnungen und Eigenbedarfskündigungen sind trotz aller Anstrengungen immer wieder an der Tagesordnung.
Ähnlich äußert sich Gordon Lemm. „Ein schnellerer Wohnungsbau, eine bessere Infrastruktur und mehr Kita-Plätze sind, wie auch andere Schwerpunkte, die relevanten Themen dieser Zeit“, sagt der Bezirksstadtrat für Jugend, Familie und Gesundheit im Bezirk Marzahn-Hellersdorf. „Für den Bereich Mieten gilt das ganz besonders, auch wenn der Druck in den Innenstadtquartieren viel größer ist als in unserem Außenbezirk.“ Dort gebes es relativ viel Wohnungsneubau, was allerdings andere Probleme nach sich ziehe, etwa Lücken in der Infrastruktur.
Zudem begrüßt Lemm das in dem Zukunftsplan ausgegebene Ziel, Berlin bis 2035 zur familienfreundlichsten Metropole Europas zu machen. Das Thema Familienfreundlichkeit sei „nicht nur extrem relevant, sondern auch rein strategisch für die SPD absolut sinnvoll“. Gerade, wenn man den Familienbegriff weiter fasse und zum Beispiel auch Partnerschaften oder gleichgeschlechtliche Ehen einbeziehe. „Eine Stadt, die gut für Familien ist, ist eigentlich gut für jeden“, betont der 48-Jährige. Sei es mit Blick auf den ÖPNV oder die soziale Infrastruktur. „Auf diesem Gebiet, wie auch bei der Bildungsgerechtigkeit, trauen uns die Menschen besonders viel zu, wie Umfragen zeigen.“
SPD-Spitzenkandidat Krach: Hinter ihm „kann sich die gesamte Landespartei versammeln"
Lemm tritt bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus als Direktkandidat an. Er ist davon überzeugt, dass das Zukunftskonzept der SPD, die in Umfragen derzeit auf Platz fünf liegt, Rückenwind verschaffen wird. „Ich sehe da viel Potenzial, gerade auch in der Kombination mit unserem Spitzenkandidaten Steffen Krach“, sagt er. Hinter ihm könne sich die gesamte Landespartei versammeln. „Gerade er kann als dreifacher Vater das Thema Familienfreundlichkeit glaubwürdig vertreten. Dieses Thema ist zentral, um die Wählerinnen und Wähler nicht nur rational, sondern auch emotional zu erreichen.“
Gordon
Lemm
Das Thema Familienfreundlichkeit ist nicht nur extrem relevant, sondern auch rein strategisch für die SPD absolut sinnvoll.
Die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach vermisst in dem Zukunftsplan ein klares linkes Profil, etwa bei ökonomischen und Arbeitnehmer*innen-Fragen, und rät der SPD Berlin, im Wahlprogramm nachzujustieren.
Lemm, der an dem Programm mitarbeitet, sieht das anders. Guter Lohn, gute Arbeit und die Stärkung der Interessenvertretungen gehörten ohnehin zu den Herzensthemen der Sozialdemokratie, erklärt er. „Bei der Vorbereitung des Zukunftskonzepts haben wir genau geschaut, welche Dinge den Menschen unter den Nägeln brennen, die in unserer Programmatik bislang zu kurz gekommen sind", so Lemm. Das bedeute: „Zum Beispiel Verkehr. Die Mängel beim ÖPNV und die vielen nervigen Baustellen machen deutlich, dass Berlin furchtbar gemanagt wird. Verantwortlich ist die CDU-geführte Verkehrsverwaltung.“