Kultur

Film „Kein Weg zurück“: Wenn der verlorene Sohn den Islamismus liebt

Ein Vater reist nach Syrien, um seinen Sohn vom Irrweg des islamistischen Terrors abzubringen: Das spannende Kinodrama „Kein Weg zurück“ erzählt vom hartnäckigen Kampf gegen ideologische Verblendung.

von Nils Michaelis · 12. Dezember 2025
Szene aus dem Film "Kein Weg zurück"

Christian (Nikolaj Lie Kaas, hinten rechts) will seinen Sohn Adam (Albert Rudbeck Lindhardt, hinten, zweiter von links) zurück nach Dänemark holen.

Der neue Film der dänischen Regisseurin Charlotte Sieling („Margarete, Königin des Nordens“, „Homeland“) verschwendet keine Zeit und geht von Beginn an in die Vollen. Ein Minibus spuckt eine Gruppe von Männern irgendwo an der Grenze zu Syrien aus. Wenige Filmaugenblicke später haben sie diese überquert und stehen bärtigen Kämpfern gegenüber, die sie in ihre Reihen aufnehmen.

Männer aus Europa kämpfen in Syrien

Einer dieser aus Europa angereisten Neulinge ist Christian (Nikolaj Lie Kaas). Kämpfen ist sein Metier: Der Ex-Soldat hat mehrere Einsätze in Afghanistan und im Irak hinter sich. Seine gegenwärtige Mission stellt den Dänen vor anders gelagerte Herausforderungen. Christians Sohn Adam hat Kopenhagen verlassen, um sich in Syrien der radikalislamische ISIS-Miliz anzuschließen, die zwischen 2011 und 2014 weite Teile des Landes mit Terror überzieht. Christian ist seinem Sohn hinterhergereist, um ihn zurückzuholen. Über eine mit ISIS verfeindete Rebellengruppe will er sich zu Adam durchschlagen. Doch der Einsatz wird komplizierter als gedacht.

Der Plot dieses Dramas klingt abenteuerlich, hat aber zumindest zum Teil einen realen Hintergrund. Auffallend viele ISIS-Kämpfer stammten aus Dänemark. Sieling zufolge hatte das Königreich, pro Kopf gerechnet, die höchste Anzahl an europäischen Teilnehmenden am syrischen Bürgerkrieg, und zwar auf verschiedenen Seiten. Einige islamistische Kämpfer kehrten nach Dänemark zurück und wurden fortan von dänischen Sicherheitsdiensten überwacht, die entsprechende Präventions- und Reintegrationsprogramme entwickelten.

Eine Rückkehr, auch für Christian, erscheint in diesem Film als fernes Ziel. Und es rückt in immer weitere Ferne, je tiefer sich der Veteran, der auch in Sachen Kaltschnäuzigkeit nichts verlernt hat, ins Bürgerkriegschaos hineinbegibt. Und je näher er der Welt kommt, die Adam, der sich schon lange von seinen Eltern und allen anderen entfremdet hat, zur neuen Heimat geworden ist. Und die er im wahrsten Sinne des Wortes mit Händen und Füßen verteidigt.

Das innere Gefüge der ISIS-Gebiete

Das innere Gefüge der (einst) von ISIS beziehungsweise vom sogenannten Islamischen Staat kontrollierten Gebiete in Syrien und anderswo ist cineastisch unterbelichtet. Sieling nimmt genau dieses in den Blick. Hierfür arbeitete sie mit einem Co-Drehbuchautor zusammen, der als einer von wenigen Journalist*innen Zugang zu Dschihadisten-Gruppen wie Al-Quaida und den Taliban hatte. So ist es wohl nicht zuletzt jenem Nagieb Khaja zu verdanken, dass wir Einblicke gewinnen, die mehr als die üblichen Klischees bieten, indem etwa die multiethnische Struktur der schwarzgewandeten Schwadronen (die „Betriebssprache“ ist Englisch) deutlich wird. Zugleich lässt die Erzählung aber keinen Zweifel an der Brutalität und dem Todeskult der islamistischen Kämpfer.

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Regisseurin Sieling ging es aber um mehr als das jahrelange Gemetzel in Syrien. Ihr Film fragt: Sollte ein Vater das Recht haben, über den Glauben seines Sohnes zu entscheiden? Und überhaupt: Sollte eine Person Macht über eine andere haben? Ist es nicht viel besser, wenn Kinder unabhängige Menschen werden? Und: Wie akzeptieren wir das, was wir nicht verstehen können? 

Viele dürften die Auffassung teilen, dass ein aufrichtiger Dialog zwischen zwei Menschen die Alternative zu den ersten beiden Aspekten und eine zentrale Grundlage für letzteren Punkt darstellt. „Kein Weg zurück“ erzählt auch davon, wie schwer es ist, eine seit langem massiv gestörte Kommunikation wieder ins Lot zu bringen, erst recht unter den extremen Bedingungen, die uns in diesen äußerst kurzweiligen 90 Minuten vor Augen treten.

Herausragende Hauptdarsteller

Sielings neues Kinowerk überzeugt mit atmosphärischer Dichte, einem anhaltend hohen Spannungslevel und stimmigen Genre-Elementen. Teile der Handlung und einige dramaturgische Wendungen sind allerdings wenig glaubhaft und konterkarieren den ambitionierten Anspruch in Sachen Realismus. 

Lob verdient allerdings die Regie-Arbeit im engeren Sinne, insbesondere mit Blick auf Christian und Adam. Nikolaj Lie Kaas zählt zu den bekanntesten Filmgesichtern Dänemarks, unter anderem dank Thomas Vinterbergs Serie „Families Like Ours“. Mit gewohnt stoischem Spiel und minimalistischer Mimik verleiht er Christian eine besondere Energie. Aber auch Albert Rudbeck Lindhardt alias Adam ist ein Erlebnis: Er vermittelt auf ebenso eindringliche wie facettenreiche Weise, wie viel Unsicherheit und Verlorenheit mitunter hinter ideologischer Verblendung steckt. Und dass gerade diese Kombination besonders fatal sein kann.

„Kein Weg zurück“ (Dänemark 2024), Regie: Charlotte Sieling, Drehbuch: Nagieb Khaja und Jesper Fink, mit Nikolaj Lie Kaas, Albert Rudbeck Lindhardt, Arian Kashef u.a., 98 Minuten, ab 16 Jahren.

Im Kino

Weitere Infos unter 24-Bilder.de

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