SPE-Kongress: Warum Lars Klingbeil „mehr europäischen Patriotismus“ fordert
Mehr Europa als Antwort auf die wachsenden weltweiten Herausforderungen. Dafür hat der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil beim Kongress der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) geworben. Als Vorbild sieht er eine europäische Ikone.
Maurice Weiss/Ostkreuz/PES
SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil beim SPE-Kongress in Amsterdam: „Wir brauchen jetzt progressive Antworten.“
Lars Klingbeil hat eine weite Reise hinter sich. Gerade erst ist der Bundesfinanzminister von der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington zurückgekehrt. Trotzdem betritt er am Samstagvormittag mit schnellem Schritt die „Beurs van Berlage“, die ehemalige Börse Amsterdams, wo sich die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) zu ihrem zweitätigen Parteikongress trifft.
Klingbeil: „Wir brauchen jetzt progressive Antworten.“
Auch wenn Klingbeil hier als Vorsitzender der SPD auftritt, sind die Themen, über die er spricht, dieselben wie in Washington: die wirtschaftlichen Folgen der verschiedenen Krisen auf der Welt – vom russischen Krieg in der Ukraine über die Lage im Nahen Osten bis zu den Verwerfungen im Welthandel durch Zollkonflikte, Dumpingpreise und Überkapazitäten.
„Die Macht des Gesetzes wird zunehmend von der Macht des Stärkeren abgelöst“, warnt Klingbeil in Amsterdam. Nicht nur der Krieg in der Ukraine fordere Europa heraus, sondern auch die zunehmende Frustration in der Bevölkerung, etwa durch steigende Preise. „Dies ist eine entscheidende Zeit für uns alle“, betont Klingbeil. „Wir brauchen jetzt progressive Antworten.“
Die Marktmacht von 460 europäischen Verbrauchern nutzen
„Eine starke Wirtschaft ist die Basis für unsere Wohlstand“, sagt Klingbeil. Um ihn zu sichern, komme es auf globale Allianzen an. Gleichzeitig müsste der europäische Markt von unfairen Methoden geschützt werden. Und: „Wir müssen die Macht von 460 Millionen Verbrauchern nutzen“, fordert der SPD-Vorsitzende mit Blick auf den europäischen Binnenmarkt. Um diesen zu stärken, brauchen es „mehr europäischen Patriotismus“.
Vorbild könne hier einer der berühmtesten Europäer sein: Jacques Delors. Die EU-Kommissionspräsidentschaft des Franzosen beendete ein Jahrzehnt des Euroskeptizismus und der Stagnation des Integrationsprozesses. Mehr Europa als Antwort auf die gegenwärtigen Krisen – das sei auch heute das richtige Rezept, sagt Lars Klingbeil. „Wir brauchen Jacques Delors 2.0.“
„Seid einig! Baut Brücken! Seid freundlich!“
„Unsere Einigkeit wird unsere Stärke sein“, betont auch der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez im Amsterdam. Weltweit untergrüben extrem rechte Kräfte die Demokratie, zum Teil mit Unterstützung Russlands. Dem müssten die progressiven Parteien etwas entgegensetzen. „Wir müssen unsere Seele verteidigen, das soziale Europa“, fordert Sánchez. Zwar könne sich niemand die Herausforderungen aussuchen, „aber wir können uns aussuchen, wie wir mit ihnen umgehen“.
Eine spezielle Art des Umgangs mit der extremen Rechten in den Niederlanden hat die Partij van de Arbeid (PvdA) gefunden. Sie beschloss im Sommer, mit den Grünen („GroenLinks“) zu fusionieren. Bei der Parlamentswahl Ende des Monats treten sie bereits mit einer gemeinsamen Liste an. „Wir haben eine neue politische Bewegung in den Niederlanden geschaffen“, sagt Spitzenkandidat Frans Timmermans am Samstag vor den SPE-Delegierten. Die Zukunft linker Politik liege darin, sich zu öffnen.
Den Delegierten gibt er schließlich drei Dinge mit auf den Weg: „Seid einig! Baut brücken! Und vergesst dabei nicht, freundlich zu sein!“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.