Mehr Souveränität und Förderung: Darum geht es beim EU-Digitalgipfel
Um weniger abhängig von US-amerikanischen Konzernen zu werden, haben Bundeskanzler Friedrich Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu einem Digitalen Souveränitätsgipfel nach Berlin geladen. Einige Maßnahmen sind dabei umstritten. Die wichtigsten Themen im Überblick
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Häufig liegen die Daten europäischer Unternehmen auf Servern in den USA. Wie die Abhängigkeit reduziert werden kann, soll beim Digitalen Souveränitätsgipfel in Berlin diskutiert werden.
Die Europäische Union ist vor allem von US-Digitalkonzernen abhängig, so heißt es derzeit oft. EU-Firmen nutzen US-Software, Unternehmen und Privatpersonen sind auf US-amerikanischen Social-Media-Plattformen angemeldet, und die großen Marktführer in Sachen Künstlicher Intelligenz sitzen auch in den Vereinigten Staaten. Wie soll man da noch mithalten können? Und will man eigentlich, dass Unmengen sensibler Daten aus der EU in den USA liegen?
Digitale Souveränität von US-Techt-Giganten
Mit diesen Fragen setzen sich an diesem Dienstag, den 18. November, Vertreter*innen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Forschung sowie Politiker*innen aus zahlreichen EU-Staaten in Berlin auseinander. Der Anlass: Bundeskanzler Friedrich Merz und der französische Präsident Emmanuel Macron haben zum EU-Digitalgipfel eingeladen, bis zu 900 Teilnehmer*innen werden erwartet.
„Digitale Souveränität“, also eine europäische Eigenständigkeit unabhängig von den Tech-Giganten vor allem der USA, ist das große Stichwort. Auch wenn es bei einem solchen Gipfel lediglich um Absichtserklärungen und nicht um verbindliche Beschlüsse geht, so finden sich auf der Agenda für den Tag vor allem Aspekte, die in der EU-Politik schon seit einiger Zeit Thema sind.
1) Der „Digitale Omnibus“: Ein umstrittenes Gesetzespaket
Hierbei geht es nicht um den Personennahverkehr, denn ein „Omnibus“ bedeutet in der EU-Politik, dass mit einem Gesetzgebungsverfahren mehrere Gesetzestexte auf einmal behandelt werden. Der „Digitale Omnibus“ soll zwar erst am Tag nach dem Gipfel vorgestellt werden, wird aber dennoch bei dem Treffen am Dienstag Thema sein.
Tatsächlich wurde das Gesetzespaket auch in den vergangenen Wochen bereits kontrovers diskutiert. Denn laut einem Gesetzentwurf der EU-Kommission, der bereits vorab an die Öffentlichkeit gelangte, geht es beim „Digitalen Omnibus“ vor allem um eine Vereinfachung und Lockerung von Vorgaben zum Datenschutz, Datennutzung, Cyber-Sicherheit und die europäische KI-Verordnung.
Warnung vor einer „umfassenden Deregulierungsagenda“
Laut der EU-Kommission steh dabei der Abbau von Bürokratie für mehr Wettbewerbsfähigkeit im Vordergrund. Aus der Sicht von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie des digitalpolitischen Vereins „D64“ oder Amnesty International wäre das „der größte Rückschritt für digitale Grundrechte in der Geschichte der EU“.
In einem offenen Brief vom 13. November, der von über 120 Organisationen unterzeichnet wurde, warnen sie außerdem vor einer „umfassenden Deregulierungsagenda“ durch die die Kommission plane, „Europas wirksamste Schutzmaßnahmen gegen digitale Bedrohungen ohne viel Aufhebens abzubauen“. Auch die sozialdemokratische Europaabgeordnete Birgit Sippel fand dazu bei einem Pressegespräch anlässlich des Digitalgipfels klare Worte: „Ich glaube, dass die Kommission mit dem digitalen Omnibus in eine völlig falsche Richtung geht.“
2) Verstärkte Förderung von europäischen Tech-Unternehmen und digitalen Strukturen
Um unabhängige digitale Infrastrukturen entwickeln und aufbauen zu können, braucht es auch Investitionen. Oft wird der Erfolg US-amerikanischer Digitalkonzerne in den frühen 2000er-Jahren sowie der KI-Konzerne heutzutage auch durch gezielte staatliche Förderung erklärt.
Die EU hinkte in dieser Sache bislang hinterher, und so können sich die wenigsten europäischen Digitalunternehmen im globalen Wettbewerb behaupten. Auch deshalb hatten Digitalverbände zuletzt mit Blick auf die Förderung der EU-Souveränität gefordert, dass bei der Vergabe von europäischen öffentlichen Ausschreibungen in Zukunft europäische Digitalunternehmen bevorzugt werden. So könnten unabhängige Strukturen entstehen, gleichzeitig würden EU-Unternehmen gestärkt.
3) Datenspeicherung und „Cloudsouveränität“
Auch hier will sich die Europäische Union aus der Abhängigkeit von großen US-Konzernen lösen. Insbesondere seit der erneuten Wahl von US-Präsident Donald Trump und dessen zunehmend autoritärem Vorgehen wächst der Wunsch nach „Cloudsouveränität“, also digitaler Datenspeicherung auf Servern innerhalb der EU.
Wenn aktuell ein Unternehmen seine sensiblen Daten in einer Cloud von US-Konzernen wie Microsoft oder Google speichert, liegen diese meist auch auf US-amerikanischen Servern. Für diese Daten greift dann der „CLOUD Act“ – ein Gesetz, das IT-Unternehmer und Dienstleister in den USA dazu verpflichtet, US-Behörden auf Verlangen Zugriff auf die von ihnen gespeicherten Daten zu gewähren.
Auf dem Digitalgipfel in Berlin soll deshalb auch mit europäischen Cloud-Anbietern darüber gesprochen werden, wie eine sichere und unabhängige Cloud-Infrastruktur in Europa aussehen könnte.
4) Europäische Künstliche Intelligenz
Auch was die Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) angeht, läuft es in der EU schleppend – bislang stand vor allem die Regulierung der Technologie im Vordergrund. Doch andere Staaten, vor allem die USA und China, investieren riesige Summen in die Entwicklung und den Ausbau von KI.
Auf dem EU-Digitalgipfel soll also nun auch hier die Wettbewerbsfähigkeit im Vordergrund stehen, sowie die Frage, wie europäische KI-Start-Ups von besserer Vernetzung untereinander profitieren könnten.
5) EUDI-Wallet: Die digitale Brieftasche für Europa
EUDI steht für „Europäische Digitale Identität“ und ist eines der digitalpolitischen Kernprojekte aus Brüssel. Bis spätestens im Sommer 2026 sollen alle EU-Staaten die EUDI-Wallet kostenlos anbieten.
In der digitalen Brieftasche können EU-Bürger*innen Identitätsnachweise wie ihren Personalausweis oder ihren Führerschein speichern und sich so im digitalen Raum und im Alltag ausweisen, rechtsgültig digital unterschreiben oder Angelegenheiten wie die Eröffnung eines Bankkontos und verschiedene andere Registrierungen digital abwickeln.