Was hilft gegen den digitalen Feudalismus machthungriger Milliardäre?
Vermögen ist immer ungleicher verteilt. Das gilt in Deutschland, aber auch weltweit. Die Verteilungspolitik braucht deshalb eine neue Richtung. Die Instrumente dafür liegen bereits auf dem Tisch. Die Politik sollte sie jetzt nutzen.
IMAGO/Political-Moments
Reichtum als Instrument politischer Machtausübung: Was Elon Musk in den USA betreibt, macht sich auch in Deutschland immer mehr bemerkbar.
„Die Erde ist nicht mehr flach“, schrieb schon 2019 der französische Ökonom Jean Pisany-Ferry. Er meinte damit, dass sich im Zuge der Digitalisierung immer stärkere regionale und personelle Zusammenballungen von ökonomischen Zentren ergeben anstatt sich breitflächig zu verteilen. Der Grund hierfür ist, dass in einer zunehmend digitalen Ökonomie Größen- oder Wissensvorteile, sich schnell in ökonomische Marktbeherrschung übersetzen, die erhebliche Gewinnmargen erlauben. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Mariana Mazzucato spricht in diesem Zusammenhang von einem digitalen Feudalismus.
Ungleichheit als Ergebnis einer Ungleichheit von Vermögen
Diese ökonomische Klumpenbildung spiegelt sich auf der Vermögensebene wieder. Es entstehen in diesen Zeiten durch die ökonomischen Vorteile derartiger Produktionsprozesse gewaltige Vermögenskonzentrationen, die von deren Inhaber*innen zunehmend auch als Instrument politischer Machtausübung genutzt werden. Der prominenteste Fall ist Elon Musk in den USA. Er mag ein extremes Beispiel sein, aber das Phänomen der Vermögenskonzentration mit Tendenz zur Beeinflussung der politischen Willensbildung ist derzeit weltweit zu beobachten.
Ein immer größerer Anteil der gemessenen Ungleichheit geht auf die Ungleichheit von Vermögen zurück. Anders als früher geht damit das auch in heutigen Debatten häufig anzutreffende Argument, man müsse vor allem die Ungleichheit der Einkommen bekämpfen, haarscharf an der neuen Realität vorbei.
Die breite Mitte der Gesellschaft brauch materielle Sicherheit
Der heutige Kampf um Verteilungsgerechtigkeit ist ein Kampf um Vermögensgerechtigkeit. Gerade in Zeiten mit vielen Krisen spendet Vermögensgerechtigkeit materielle Sicherheit. In einem unsicheren Umfeld sind Rücklagen, die es ermöglichen finanzielle Durststrecken zu überbrücken, von hohem Wert. Diese Sicherheit kann nicht nur für Reiche und Superreiche gelten, sondern ein gewisses Maß an Sicherheit muss auch für die breite Mitte unserer Gesellschaft und erst recht für die Ärmsten ein erreichbarer Zustand sein.
Davon entfernen wir uns aber gerade. Während für die Ärmsten der Sozialstaat einen Mindestschutz bietet, ist diese Sicherheit für mittlere Einkommen vor dem Hintergrund hoher Kosten der Daseinsvorsorge mit belastenden Mieten und teuren Nahrungsmittel bei bestenfalls mäßigen realen Einkommenssteigerungen aus eigener Kraft nur noch schwer zu erreichen.
Die Verteilungspolitik braucht eine neue Richtung
Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, die Verteilungsfrage mit anderen Mitteln als bisher anzugehen. Gewerkschaftlich organisierte Tarifverhandlungen, die den Beschäftigten einen fairen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg sicherten, und eine progressive Einkommensbesteuerung, die höheren Einkommen mit ihrer höheren Leistungsfähigkeit eine höhere absolut und relative Steuerlast aufbürdete, waren bisher die Mittel der Wahl.
Mit der unebeneren Wirtschaftslandschaft werden Tarifverhandlungen schwieriger, weil sich Unternehmen sehr unterschiedlich entwickeln. Die Einkommensteuer verliert ebenfalls an Durchschlagskraft, da sie nicht unmittelbar an den Vermögen ansetzt und zusammen mit den Abgaben für die soziale Sicherung besonders mittlere Einkommen stark belastet.
Die Verteilungspolitik braucht eine neue Richtung. Der Verteilungskampf findet jetzt auf dem Feld der Vermögensverteilung statt. Es gilt also, höhere Vermögen spürbar stärker und direkt zu besteuern.
Die Instrumente für eine bessere Vermögensverteilung sind da
Es gibt viele Wege dies zu tun. Die klassische Vermögenssteuer könnte wiederbelebt werden. Sie ist vom Bundesverfassungsgericht nur ausgesetzt, weil es die Privilegien für Betriebsvermögen für nicht verfassungsgemäß hält. Die Erbschaftssteuer könnte durch Lückenschließungen vereinfacht und für hohe Vermögen erhöht werden. Schließlich ist Erben nicht mit Leistung verbunden. Nicht vergessen werden sollte die Finanzmarkttransaktionssteuer. Richtig konstruiert, greift sie vor allem auf die hohen volatil agierenden Vermögen an den Finanzmärkten zu und dämpft deren Dynamik.
Die aus den Vermögenssteuern fließenden Mittel können in mehrfacher Hinsicht volkswirtschaftlich sinnvoll verwendet werden. Sie können dazu dienen, mittlere Einkommen steuerlich zu entlasten, den Anstieg der Sozialabgaben zu dämpfen oder Investitionen in die Daseinsvorsorge zu finanzieren. Das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer, das den Ländern zufließt, könnte – wie es Beschlusslage in der SPD ist - für ein verbessertes Bildungssystem sorgen.
All dies stärkt die Fähigkeit der breiten Mitte unserer Gesellschaft in unruhigen Zeiten finanziell sicherer zu leben. Und das ist allemal sinnvoller als der digitale Feudalismus machthungriger Milliardäre.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.