Mit oder ohne AfD? So viele Stimmen erhielten die Verfassungsrichter
Der Bundestag hat es doch noch geschafft, drei neue Richter*innen für Karlsruhe zu wählen. Alle drei bekamen eine Zwei-Drittel-Mehrheit, doch woher kamen die Stimmen?
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Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat entschieden.
Bei der Wahl der Richter*innen für das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag haben alle drei Kandidat*innen die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten: Sigrid Emmenegger, Ann-Kathrin Kaufhold und Günter Spinner. Ob sie das Quorum erreichen, war bis zum Schluss noch spannend. Offen bleibt die Frage, woher die Stimmen kommen.
Emmenegger und Kaufhold waren von der SPD vorgeschlagen worden. Emmenegger ist bisher Richterin am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, Kaufhold ist Rechtsprofessorin in München. Beide sitzen künftig im Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts, der überwiegend für Staatsorganisationsfragen zuständig ist. Die CDU/CSU hatte Günter Spinner nominiert. Er war bisher Richter am Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Er gehört künfig dem Ersten Senat an, der vor allem die großen Grundrechtsfragen bearbeitet.
Wahl von Spinner: Mit oder ohne AfD?
Es ist davon auszugehen, dass die Abgeordneten von CDU/CSU, SPD und Grünen alle drei Kandidat*innen bejaht haben. Spinner bekam mit 424 Stimmen am wenigsten Voten, obwohl die AfD angekündigt hatte, sie werde für ihn stimmen. Das hat sie offensichtlich ganz überwiegend doch nicht getan. Da auch einige Linke-Abgeordnete für Spinner stimmen wollten, ist es gut möglich, dass er die Zwei-Drittel-Mehrheit auch ohne Stimmen der AfD schaffte. Gewissheit gibt es allerdings nicht, weil die Wahl geheim durchgeführt wurde.
Kaufhold erhielt 440 Stimmen, Emmenegger sogar 446 Stimmen. Gegen Kaufhold stimmten 166 Abgeordnete, gegen Emmenegger gab es 161 Voten. Da die AfD-Fraktion nur 151 Mitglieder hat, müssen auch einige Abgeordnete anderer Fraktionen – etwa der Linken oder der CDU – gegen Kaufhold und Emmenegger votiert haben.
Die Amtszeit der drei neugewählten Richter*innen beginnt, sobald der Bundespräsident Zeit hat, sie zu ernennen. Entsprechend der drei Neuwahlen scheiden in Karlsruhe auch drei Richter*innen nach Ende ihrer Amtszeit aus: die bisherige Vizepräsidenten Doris König und Ulrich Maidowski aus dem Zweiten Senat sowie Josef Christ aus dem Ersten Senat.
Kaufhold soll Vizepräsidentin werden
Kaufhold wird am morgigen Freitag auch zur Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts gewählt. Die Wahl findet im Bundesrat statt. Bremens Regierender Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) hat inzwischen einen entsprechenden Antrag gestellt. Da er dort auf „Absprachen“ mit Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und seinem baden-württembergischen Kollegen Winfried Kretschmann (Grüne) verwies, dürfte auch die nächste Wahl Kaufholds gesichert sein. Voraussichtlich wird Kaufhold 2030, wenn der jetzige Präsident Stephan Harbarth ausscheidet, dessen Amt übernehmen und dann bis 2037 Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts sein.
Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei Senaten mit jeweils acht Richter*innen. Diese 16 Richter*innen werden je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt. Dass in diesem Sommer drei Richter*innen im Bundestag gewählt werden und keiner im Bundesrat ist Zufall. Denn die 16 Richter*innen werden nie auf einmal gewählt. Immer wenn ein Posten frei wird, wird nachgewählt. So kam es auch zu den ungleich verteilten Vorschlagsrechten (zwei Mal SPD, nur einmal CDU/CSU).
Wochenlanger Konflikt belastete Koalition
Die Richterwahlen waren im ersten Versuch im Juli geplatzt, da sich in der CDU/CSU-Fraktion trotz vorheriger Absprache Widerstand gegen die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf geregt hatte. Hintergrund war unter anderem ihre liberale Haltung zum Schwangerschaftsabbruch. Nach einer rechten Hetzkampagne gegen sie zog Brosius-Gersdorf ihre Kandidatur zurück. Der Konflikt belastete die Koalition über Wochen.