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Neue Help-Präsidentin: Warum Svenja Schulze der Entwicklungspolitik treu bleibt

Svenja Schulze ist die erste Präsidentin der Hilfsorganisation Help. Deren Geschichte ist eng mit dem Deutschen Bundestag verflochten. Doch nicht nur das macht sie besonders. 

von Jonas Jordan · 22. Oktober 2025
Svenja Schulze während eines Besuchs als Entwicklungsministerin im Gespräch mit einer Bio-Bäuerin in Burkina Faso

Svenja Schulze während eines Besuchs als Entwicklungsministerin im Gespräch mit einer Bio-Bäuerin in Burkina Faso

Der Bundeskanzler hat ein starkes Engagement Deutschlands beim Wiederaufbau von Gaza in Aussicht gestellt. Wie kann die Rolle von Help dabei aussehen?

Es ist eine wichtige Nachricht für den Nahen Osten, dass Deutschland den Wiederaufbau unterstützt und das deutsche Engagement durch das Entwicklungsministerium gesteuert wird. Was Help besonders gut kann, ist „Hilfe zur Selbsthilfe“, also Menschen vor Ort in die Lage zu versetzen, aus eigener Kraft ihre Lebensumstände nachhaltig zu verbessern. Wegen der aktuellen Lage und des weiterhin schwierigen Zugangs prüft Help derzeit, wann und in welcher Form wieder humanitäre Hilfe und mittelfristig auch Wiederaufbaumaßnahmen im Gazastreifen möglich sind. Help unterstützt aber schon heute Familien, die aus Gaza nach Ägypten geflohen sind, mit Unterkünften, medizinischer und psychologischer Betreuung sowie lebensnotwendigen Hilfsgütern.

Wie kann humanitäre Nothilfe und der Wiederaufbau in Gaza aussehen?

Wegen des Krieges war humanitäre Hilfe in Gaza zuletzt nur sehr begrenzt möglich. Bislang stand dabei auch die akute Nothilfe im Vordergrund. Nach der Eskalation des Konflikts hat Help 2024 betroffene Familien in Gaza beispielsweise in Zusammenarbeit mit lokalen Partnerorganisationen mit Lebensmittelpaketen und warmen Mahlzeiten unterstützt. Den Menschen in Gaza fehlt es an allem, Trinkwasser, Nahrungsmitteln, aber auch medizinischer Versorgung. Diese Bedarfe zu decken, ist das oberste Gebot. Danach benötigen die Menschen vor Ort langfristige und nachhaltig angelegte Unterstützung, etwa durch den Wiederaufbau von Häusern und öffentlicher Infrastruktur, aber auch durch die Wiederbelebung der lokalen Wirtschaft, damit sie ihr Land wieder aufbauen können. 

Sie sind seit kurzem die erste Präsidentin von Help. Wie kam das?

Help ist 1981 überfraktionell von Abgeordneten des Deutschen Bundestages gegründet worden. Deswegen bestand der ehemalige Vorstand und besteht nun auch das Präsidium aus aktiven und ehemaligen Mitgliedern des Bundestages. Jetzt wurde zum ersten Mal eine Präsidentin gesucht, weil die Organisation sich wachstumsbedingt in ihren Strukturen etwas verändert hat. Als Politikerin mit langjähriger Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit bot es sich an, mein Engagement für die internationale Zusammenarbeit fortzusetzen. Es ist eine Aufgabe, die ich sehr, sehr gerne mache.

Svenja
Schulze

Wer einmal die Not gesehen hat und gesehen hat, was außerhalb Deutschlands alles passiert, der sieht viel stärker, wie gut es uns geht.

Sie waren von Dezember 2021 bis Mai 2025 Entwicklungsministerin. Warum engagieren Sie sich weiterhin in diesem Bereich?

Wer einmal die Not gesehen hat und gesehen hat, was außerhalb Deutschlands alles passiert, wer außerhalb des eigenen Landes unterwegs war, der sieht viel stärker, wie gut es uns geht. Als Sozialdemokratin liegt mir internationale Solidarität am Herzen. Mir ist es wichtig, mitzuhelfen, dass es anderen Menschen wieder besser geht. Ich habe als Ministerin unglaublich engagierte Menschen erlebt in anderen Ländern, zum Beispiel in der Ukraine. In meiner neuen Funktion will ich mit dazu beitragen, dass diese Menschen schneller ihr Land wieder aufbauen können und die vielen Organisationen, die sich vor Ort gegründet haben, ausreichend Unterstützung dafür von uns bekommen. Das treibt mich an.

Fokus auf die Ukraine

Svenja Schulz beim Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew

Svenja Schulze bei einem Besuch in Kiew

Die USA haben ihre Entwicklungszusammenarbeit unter Donald Trump komplett eingestellt. Auch hierzulande ist der Bereich massiv von Kürzungen betroffen. Wie bleiben Sie trotzdem zuversichtlich?

Mich machen die vielen Menschen, die ich bei meinen vielen Reisen in Entwicklungsländer erlebt habe, absolut zuversichtlich. Ja, es ist eine schwierige Lage in der Welt. Es gibt eine sehr starke Entwicklung, dass die Staaten alle sich nur noch selbst sehen und überhaupt nicht mehr merken, dass wir alle auf einem Planeten leben und dass wir alle miteinander vernetzt sind. Wenn, wie jetzt passiert, die USA die Unterstützung fürs Impfen von Kindern einstellen, werden die ganzen Krankheiten wieder zurückkommen, die wir schon so gut wie bekämpft haben. Dann werden Krankheiten sich weltweit verbreiten, und zwar nicht nur in den Ländern, wo nicht geimpft wird, sondern überall auf der Welt. Diese Verbundenheit müssten wir eigentlich seit Corona alle kennen. Trotzdem haben wir nicht genug darüber gelernt und nicht genug getan für diese internationale Zusammenarbeit. 

Ich bin aber immer noch optimistisch, dass wir das auch wieder ändern können. Menschen wollen doch friedlich zusammenleben. Es ist doch nicht so, dass es uns ganz egal ist, wie das Klima ist oder ob die Luft sauber ist, ob die Böden sauber sind, ob die Natur funktioniert und ob wir ein gutes Gesundheitssystem haben. Deswegen habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Als Sozialdemokratin muss man grundoptimistisch sein, um was zu bewegen. Das motiviert mich, in einer Organisation wie Help mitzuarbeiten.

Svenja
Schulze

Ich finde die Einsparungen nicht richtig. Ich finde immer noch, dass man das auch öffentlich sagen muss und dass wir dagegenhalten müssen.

Muss die Entwicklungszusammenarbeit kreativer werden, um trotz Einsparungen mit weniger Mitteln genau so viel zu erreichen?

Erst mal finde ich die Einsparungen nicht richtig. Ich finde immer noch, dass man das auch öffentlich sagen muss und dass wir dagegenhalten müssen. Wenn man nicht mithilft, dass andere Lebensmittel anbauen können, um genügend zu essen zu haben, werden wir die Auswirkungen auch in Deutschland spüren. 

Ja, man muss sowohl in der Entwicklungszusammenarbeit als auch der humanitären Hilfe immer wieder neue Lösungen finden. Es ist sehr beeindruckend, was Help in der Ukraine macht. Dort gibt es das Pilotprojekt „Hilfe lokal fördern“, gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt. Es stellt ukrainischen humanitären Hilfsorganisationen gezielt Mittel und Trainingsmöglichkeiten bereit, um ihre Arbeit nah an den Realitäten der notleidenden Bevölkerung umzusetzen. Denn lokale Akteure vor Ort wissen am allerbesten, was gebraucht wird, und können Mittel deutlich effizienter umsetzen als viele internationale Akteure. Deswegen stärken wir gezielt die lokale Zivilgesellschaft, die wiederum entscheidet, wie die Mittel ganz genau eingesetzt werden – das nennt man auch Lokalisierung. Das ist ein sehr, sehr guter Ansatz, an dem man zeigen kann, wie sich Projektarbeit weiterentwickelt.

Ist die Ukraine aktuell das wichtigste Land, in dem Help tätig ist?

Nein, so pauschal lässt sich das nicht sagen. Alle Projektregionen, in denen Help aktiv ist, haben unterschiedliche, wichtige Bedarfe. Insgesamt sind wir in 31 Ländern tätig und auch auf dem afrikanischen Kontinent oder im Nahen und Mittleren Osten sehr stark vertreten. Die humanitären Bedarfe sind weltweit auf einem neuen Höchststand und auch die Entwicklungserfolge der vergangenen Jahrzehnte drohen durch den Rückzug wichtiger Geber und die Folgen von Kriegen, Klimawandel und der Corona-Pandemie verloren zu gehen. 

Welche Akzente oder regionalen Schwerpunkte wollen Sie als neue Präsidentin setzen?

Ich möchte gerne an die erfolgreiche Arbeit von Help anknüpfen, die Organisation funktioniert heute schon sehr gut und den Ansatz der Lokalisierung von Projektarbeit halte ich für sinnvoll. Ich möchte, dass die Arbeit und Wirkung der Organisation stärker wahrgenommen werden. Ich möchte mithelfen, dass Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe auch in all ihrer Kompetenz sichtbar werden. Das kann ich als Präsidentin von Help mitvorantreiben.

Was möchten Sie am Ende Ihrer Präsidentschaft erreicht haben?

Ich möchte mit Help erreichen, dass noch mehr humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit von lokalen Organisationen geleistet wird, also dass wir als Organisation hier wegweisend sind. Gleichzeitig werden wir in Deutschland dafür werben, solidarisch zu sein und auch Geld zur Verfügung zu stellen, aber in der Gesellschaft und Politik auch stärker verankern, dass die Arbeit vor allen Dingen von den Menschen vor Ort gemacht wird, da sie ihre Länder und Bedarfe am besten kennen.

Erste Help-Präsidentin

Von Dezember 2021 bis Mai 2025 war Svenja Schulze (SPD) Entwicklungsministerin. Seit kurzem ist sie die erste Präsidentin von „Help – Hilfe zur Selbsthilfe“, hier nach ihrer Wahl mit den beiden hauptamtlichen Vorständen, der stellvertretenden Generalsekretärin Bianca Kaltschmitt und Generalsekretär Thorsten Klose-Zuber.

Svenja Schulze nach der Wahl zur ersten Präsidentin mit der stellvertretenden Help-Generalsekretärin Bianca Kaltschmitt und Generalsekretär Thorsten Klose-Zuber
Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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2 Kommentare

Gespeichert von Gerhard Karpiniec (nicht überprüft) am Mi., 22.10.2025 - 15:02

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Ein sehr „netter“ Beitrag in dem die Interviewte scheinbar vergessen hat das die EZA schon seit ca. 70 Jahren tätig ist. Natürlich sind Verbesserungen permanent notwendig. Leider wird an strukturellen Fehlern nie gedacht.
Wenn es derzeit laut EZA-NGO´s noch 800 Million bis eine Milliarde offene Feuerstellen im Haushalt gibt.So wäre spätestens jetzt, der Zeitpunkt über eine Fehleranalyse der derzeitigen EZA-Arbeit zu denken.
Gerhard Karpiniec
Münchendorf/Österreich