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Paragraf 218: Auch Ärzte fordern Reform des Abtreibungsrechts

SPD und Grüne waren mit dem Versuch, Abtreibungen zu legalisieren, kurz vor der Bundestagswahl gescheitert. Heute erscheint eine politische Mehrheit dafür schwieriger denn je. Doch Unterstützung kommt vom Deutschen Ärztetag.

von Jonas Jordan , Lea Hensen · 5. Juni 2025
Menschen auf einer Demonstration mit einem Schild, das die Aufschrift „Paragraph 218 ist eine Schande“ trägt

Am Weltfrauentag sprechen sich Demonstrant*innen für die Abschaffung von Paragraph 218 aus.

Eigentlich gilt der Deutsche Ärztetag eher als konservativ. Einmal jährlich treffen sich 250 Delegierte aus den 17 deutschen Ärztekammern zu einer Versammlung, um gemeinsame Positionen zur Gesundheitspolitik zu diskutieren. Mit überraschend deutlicher Mehrheit hat sich der Ärztetag nun für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland ausgesprochen. Derzeit sind Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich illegal, bleiben aber in den ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft straffrei, wenn sich die Frau zuvor beraten lässt und danach eine Wartefrist von drei Tagen verstreichen lässt. 

Auf dem Ärztetag stimmten nun mehr als 90 Prozent nun dafür, Abbrüche in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft grundsätzlich außerhalb des Strafrechtes zu regeln. Die Beratungspflicht soll den Ärzt*innen zufolge bleiben. Die Regelung außerhalb des Strafgesetzbuches soll aber zu einer besseren Versorgung führen. „Zum Teil droht in ganzen Versorgungsgebieten Unterversorgung bei Wegfall eines versorgenden Gynäkologen oder Gynäkologin“, schreiben die Ärzt*innen in ihrem Beschluss.

Schon im vergangenen Jahr Thema auf dem Ärztetag

Dieser freut besonders Stefanie Minkley. Die Ärztin aus Hessen gehörte zu den Unterstützerinnen des entsprechenden Antrags. Bereits auf der Hauptversammlung im vergangenen Jahr hatte sie für das Anliegen geworben. Ihr damaliger Antrag wurde jedoch nach einer „ungeordneten und emotionalen“ Diskussion vertagt. „Ich war damals relativ enttäuscht, aber es hat sich jetzt gezeigt, dass es für den Ärztetag gar keine so schlechte Strategie war, die Abstimmung noch einmal zu verschieben“, sagt Minkley im Gespräch mit dem „vorwärts“. Denn vor einem Jahr schien die Mehrheit keineswegs sicher.

Folge 24 - mit Stefanie Minkley
SPDings – der „vorwärts“-Podcast

SPDings – der „vorwärts“-Podcast, Folge 24 mit Stefanie Minkley

Stefanie Minkley hat als Chirurgin in einer Klinik gearbeitet. Doch angesichts von Personalmangel, hoher Arbeitsbelastung und 24-Stunden-Schichten ist sie ausgestiegen. Jetzt kandidiert die Sozialdemokratin für den hessischen Landtag, um dort für ein besseres Gesundheitssystem zu sorgen. Unterstützt wird sie dabei gleich von mehreren bundesweiten Initiativen.

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Minkley kritisiert, dass die aktuelle Regelung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafgesetzbuch dazu führe, dass Ärztinnen und Ärzte kriminalisiert würden, wenn sie entsprechende Eingriffe vornähmen. „Es ist nur unter Ausnahme straffrei beziehungsweise die Strafe ist ausgesetzt. Das ist für mich ein Widerspruch an sich“, sagt sie. Minkley hegt nun die Hoffnung, dass der Beschluss des Ärztetages auch auf die neue Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) Eindruck mache. Gleichwohl sagt sie: „Dass die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen mit einer CDU-geführten Regierung kommt, halte ich eher für unwahrscheinlich.“

Darauf deutet auch eine Aussage von Familienministerin Karin Prien (CDU) hin. Sie sagte in dieser Woche im Interview mit der ZEIT: „Ich nehme die Rechtspraxis des Paragrafen 218 als mühsam errungen Kompromiss wahr, der sich bewährt hat.“ Reformwille sieht anders aus. 

Reform im Bundestag Anfang des Jahres gescheitert

Über die Abschaffung des Abtreibungsparagrafen wird seit Jahrzehnten gestritten. Carmen Wegge gehörte zu den Initiatorinnen eines fraktionsübergreifenden Antrags, der kurz nach dem Ampel-Aus und vor Ende der SPD-geführten Bundesregierung noch einen Vorstoß wagte, um den Abtreibungsparagrafen zu reformieren. Die SPD-Politikerin und ihre Mitstreiterinnen ahnten, dass das Vorhaben nach der Bundestagswahl weniger Erfolgsaussichten haben könnte. Der Gesetzesentwurf enthielt damals schon die Regelungen, die nun auch die Ärzt*innen fordern. Im Bundestag scheiterte er am Ende an FDP und Union.

Doch Wegge, die in der SPD-Bundestagsfraktion zuständige Berichterstatterin für das Thema ist, lässt sich nicht abschrecken. Dass sich nun auch der Bundesärztetag für eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ausgesprochen hat, wertet sie als starkes Signal. Es bestätige, dass das Strafrecht der falsche Ort sei, um mit Schwangerschaftsabbrüchen umzugehen.

Wegge: Abtreibungsrecht als Thema auf SPD-Bundesparteitag 

Zugleich kündigt die SPD-Abgeordnete an: „Wer glaubt, dass wir in der neuen Koalition nun dieses Thema weniger wichtig finden, der irrt. Wir führen diese Debatte weiter: im Parlament, in der Fraktion wie natürlich auch in der SPD und der Zivilgesellschaft.“ Der anstehende SPD-Bundesparteitag vom 27. bis 29. Juni in Berlin sei aus ihrer Sicht ein guter Ort, „um noch mal klar unsere Position zu schärfen“. 

Carmen
Wegge

Wir brauchen eine Politik, die sich nicht wegduckt, sondern handelt.

Schwarz-Rot nimmt sich im Koalitionsvertrag lediglich vor, die Versorgungslage für Schwangerschaftsabbrüche zu verbessern. Wegge betont, dass der Koalitionsvertrag zwar einen Rahmen setze, sie aber nicht daran hindere, mehr Verantwortung für die vielen betroffenen Frauen in diesem Land zu übernehmen. „Wir brauchen eine Politik, die sich nicht wegduckt, sondern handelt. Ich bin auch in dieser Legislatur weiter entschlossen in dieser Sache voranzukommen“, sagt Wegge und fügt an: „Ich bin der Meinung, dass wir das Thema überparteilich aus der breiten Mitte der Gesellschaft heraus machen müssen.“ Umfragen ergeben immer wieder, dass die Mehrheit der Gesellschaft für eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen sind.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

Autor*in
Lea Hensen
Lea Hensen

ist Redakteurin des „vorwärts“.

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Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Fr., 06.06.2025 - 02:23

Permalink

Die Refprm dieses § wäre mit der Ampel ja möglich gewesen, aber das hat man verstreichen lassen. Jetzt so zu tun als wäre man die allerprogressivste SPD mit einem neuen Thema kommt mir seltsam vor.

Gespeichert von Jonas Jordan am Fr., 06.06.2025 - 08:19

Antwort auf von Armin Christ (nicht überprüft)

Permalink

Wie Sie dem Artikel entnehmen können, gab es erst Anfang des Jahres einen Reformversuch von Carmen Wegge und weiteren Abgeordneten, der daran gescheitert ist, dass Union und FDP ihn nicht unterstützt haben. Auch in der Ampel gab es lediglich einen Konsens darüber, eine Kommission zu diesem Thema einzusetzen, die übrigens die Entkriminalisierung forderte.

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