Kurt Schumacher: Stolperstein erinnert an KZ-Haft des ehemaligen SPD-Chefs
In Hannovers Südstadt wohnte Kurt Schumacher nur für wenige Monate – schwer krank, direkt nach seiner Entlassung aus dem KZ. 80 Jahre nach ihrer Befreiung erinnert jetzt die niedersächsische Landeshauptstadt an seinen kurzen Wohnort.
Lothar Pollähne
In Hannover erinnert jetzt ein Stolperstein an den ehemaligen Wohnort von Kurt Schumacher.
Als die Nazis Kurt Schumacher am 16. März 1943 nach neun Jahren, neun Monaten und neun Tagen aus der KZ-Haft entlassen, gehen sie davon aus, dass der geschundene Mann auch ein gebrochener, todgeweihter Mann ist. Mit Bedacht weisen sie ihm Hannover als Aufenthaltsort zu, denn dort lebt seine Schwester und deren Mann ist langjähriges NSDAP-Mitglied. Schumacher erhält die Auflage, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden. Auch eine Arbeitsstelle bekommt er zugewiesen: als Kontorist bei den Sichelwerken. Das ist verbunden mit der Verpflichtung, Mitglied der „Deutschen Arbeitsfront“ zu werden. Schumachers Aufenthalt in der Memeler Straße 63 dauert nur wenige Monate, denn das Haus geht nach einem verheerenden Bombenangriff in der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 1943 in Flammen auf.
Dass Kurt Schumacher für kurze Zeit in Hannovers Südstadt gelebt hat, war lange nur wenigen Eingeweihten bekannt. Zu unwesentlich erschien den Stadtoberen wohl dieses Detail aus Schumachers Leben. Selbst in jüngster Zeit sperrte sich die Stadtverwaltung über drei Jahre lang gegen das Ansinnen der „Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokraten“, vor dem Haus in der heutigen Heinrich-Heine-Straße 4 einen Stolperstein zu verlegen. Am 23. April nun, 80 Jahre nach der Befreiung Hannovers durch Einheiten der US-Armee, wurde die kleine ehrende Erinnerung im Beisein von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay in den Bürgersteig eingelassen.
„Unbeirrbare rechtsstaatliche Geradlinigkeit“
Weil erinnerte in seiner kurzen Rede vor allem an die Charakterfestigkeit Kurt Schumachers, den die lange KZ-Haft zwar zum körperlichen Wrack gemacht, aber in seinen moralischen Überzeugungen gefestigt hatte. Gerade in schwierigen Zeiten, in denen von vielen Seiten versucht wird, die demokratische Ordnung auf „rechts“ zu bürsten, sei Kurt Schumacher mit seiner „unbeirrbaren rechtsstaatlichen Geradlinigkeit“ ein Vorbild für alle Demokratinnen und Demokraten, wie Stephan Weil anmerkte. Mit dem Stolperstein dokumentiert nun auch die niedersächsische Landeshauptstadt, dass Kurt Schumacher ein großer Hannoveraner ist.
Kurt Schumacher trat 1918 in die SPD ein, 1924 wurde er Mitglied des Landtags von Württemberg und später Mitglied im Vorstand der dortigen SPD-Fraktion. 1930 wurde er zum ersten Mal in den Deutschen Reichstag gewählt und positionierte sich von vorneherein scharf gegen die NSDAP. Auch nach den Reichstagswahlen vom 5. März 1933 gehörte er noch dem Reichstag an und arbeitete an der berühmten Rede von Otto Wels' gegen das Ermächtigungsgesetz mit. Von Juni 1933 an wurde er steckbrieflich gesucht, am 6. Juli 1933, zwei Wochen nach Verbot der SPD, verhaftet. Eine Verzichtserklärung zur politischen Beteiligung lehnte er ab. Den Zeitraum von neun Jahren, neun Monaten und neun Tagen verbrachte er in den Konzentrationslagern Heuberg, Oberer Kuhberg in Ulm, Dachau und Flossenbürg.
Gründungsvater der Bundesrepublik Deutschlands
Noch vor Ende des Zweiten Weltkriegs gründete Schumacher die erste SPD-Parteizentrale in Hannover, obwohl die Partei zu dem Zeitpunkt noch verboten war. Schumacher war es, der die SPD in Westdeutschland wieder aufbaute. Von 1946 bis 1952 war er Parteivorsitzender der SPD, von 1949 bis 1952 Oppositionsführer im Deutschen Bundestag. Als großer Widersacher von Konrad Adenauer gehörte er zu den Gründungsvätern der Bundesrepublik Deutschland. Schumacher, der während des Ersten Weltkriegs den rechten Arm verlor und nach dem Krieg aufgrund einer Thrombose das linke Bein, verstarb am 20. August 1952.
Kurt Schumacher
Kurt Schumacher war ein aufrichtiger Patriot, welcher SPD-Führer kann dies heute noch von sich behaupten. Kurt Schumacher unterschied nie zwischen braunen und roten Faschisten, weil beide die gleichen Methoden pflegten, Bürger zu drangsalieren, einzuschüchtern, einzusperren oder auch zu töten.
Er war ein außerordentlich mutiger Mann, der stets seinen Überzeugungen treu blieb. Er baute sofort nach Kriegende als Krüppel mit seiner letzten Kraft die SPD in den Westzonen auf und distanzierte sich sofort von der KPD in der sowjetischen Zone.Er bleibt für mich stets ein Vorbild.