Parteileben

SPD-Parteitag: Martin Schulz wirbt für ergebnisoffene Gespräche mit der Union

Seit dem heutigen Donnerstag trifft sich die SPD zu ihrem dreitägigen Bundesparteitag in Berlin. In seiner Rede warb Parteichef Martin Schulz für ergebnisoffene Gespräche mit CDU und CSU – und nannte klare Bedingungen für eine mögliche Regierungsbeteiligung.
von Kai Doering · 7. Dezember 2017
„Inhalte zuerst, kein Automatismus.“ Auf dem Bundesparteitag der SPD wirbt Parteichef Martin Schulz für ergebnisoffene Gespräche mit CDU und CSU über eine künftige Regierungsbildung.
„Inhalte zuerst, kein Automatismus.“ Auf dem Bundesparteitag der SPD wirbt Parteichef Martin Schulz für ergebnisoffene Gespräche mit CDU und CSU über eine künftige Regierungsbildung.

Als Martin Schulz am Donnerstag um zehn vor elf im „CityCube“ auf dem Berliner Messegelände vor die 600 Delegierten des SPD-Bundesparteitags tritt, macht er aus seinen Gefühlen kein Geheimnis. „Es ist nicht leicht hier zu stehen nach so einem Jahr“, gibt der SPD-Vorsitzende gleich zu Anfang seiner Rede zu. Nach dem Höhenflug der Partei im Frühjahr und drei verlorenen Landtagswahlen sei die SPD bei der Bundestagswahl am 24. September „wieder da gelandet, wo wir am Jahresanfang gestartet sind“. Solch ein Jahr lasse sich nicht einfach abschütteln.

Martin Schulz: „Ich bitte um Entschuldigung“

„Ich trage als Kanzlerkandidat die Verantwortung“, sagt Schulz und schiebt hinterher: „Für meinen Anteil an der Niederlage um Entschuldigung.“ Allerdings habe die SPD nicht nur die jüngste Bundestagswahl verloren, sondern die vergangenen vier. Es sei deshalb unumgänglich, „schonungslos die letzten 20 Jahre aufzuarbeiten und aus den Fehlern zu lernen“.

Und Martin Schulz fängt in seiner Rede gleich damit an. „Unser größtes Problem ist, dass wir unser klares Profil verloren haben“, sagt der SPD-Chef. „Wir müssen eine Vision entwickeln, die wieder begeistert.“ Und die SPD müsse wieder „die Partei sein, die sich kümmert“ und die Anliegen der Menschen vertritt. „Die Erneuerung unserer Partei muss das Kernanliegen für die nächsten Jahre sein“, ruft Schulz. Dafür sei auch wichtig, dass „Basis und Parteispitze wieder mehr zusammenrücken“. Die Dialogveranstaltungen im Oktober und November seien dafür ein gutes Beispiel. Sie sollen künftig regelmäßig stattfinden.

„Die SPD muss wieder die Partei des Mutes werden.“

Es gehe aber auch darum, Mitglieder stärker in Entscheidungen der Partei einzubinden. So wirbt Schulz für den im Entwurf für das Arbeitsprogramm der SPD vorgesehen Mitgliederentscheid für den Parteivorsitz. „Ich will, dass es in der SPD wieder lebendige Debatten gibt, die junge Menschen begeistern, bei uns mitzumachen“, sagt Schulz. „Die SPD muss wieder die Partei des Mutes werden.“

„Dazu gehört auch, dass wir gestalten wollen“, schlägt der SPD-Vorsitzende den Bogen zur Frage, ob sich seine Partei an einer Regierungsbildung beteiligen sollte. Das krachende Scheitern der Jamaika-Sondierungen sei „eine Missachtung der Interessen der Bürger“, kritisiert Schulz. Nun gehe es um die Frage, wie die SPD ihrer Verantwortung gerecht werde. „Jetzt sind wir gefordert“, ruft Schulz den Delegierten zu.

Inhalte zuerst, keine Automatismus für die große Koalition

Es gehe nicht darum, „um jeden Preis zu regieren“, aber auch nicht darum, „um jeden Preis nicht regieren zu wollen“. In diesem Geist habe der Parteivorstand am Montag seinen Beschluss gefasst, mit CDU und CSU ergebnisoffene Gespräche über die künftige Regierungsbildung zu führen. Dazu gebe es „verschiedene, gleichwertige Wege“. Entscheidend sei, was die SPD durchsetzen wolle und könne. „Inhalte zuerst, kein Automatismus“, gibt der SPD-Chef die Richtung vor – und ergänzt: „Für dieses Vorgehen gebe ich euch meine Garantie.“

Als Inhalte für mögliche Gespräche nennt Schulz in seiner Rede drei Themen: Europa, Bildung und Umweltschutz. „Nur ein entschlossenes Europa kann dem Klimawandel entgegenwirken, nur ein einiges Europa kann Konzernen wie Facebook und Google entgegentreten“, betont der SPD-Vorsitzende. Allerdings müsse sich Europa dafür deutlich verändern. Investitionen in ein Budget für die Eurozone und ein europäischer Finanzminister seien unumgänglich. Dabei komme es auf Deutschland ganz besonders an. „Vier weitere Jahre deutsche Politik à la Schäuble kann sich Europa nicht leisten“, ist Schulz überzeugt. Eine „Kehrtwende in Europa“ sei deshalb Ziel des Leitantrags des Parteivorstands.

Forderungen für Gespräche mit der Union

Als weitere Punkte für mögliche Gespräche nennt der SPD-Vorsitzende in seiner Rede zentrale Forderungen seiner Partei aus dem Bundestagswahlkampf. Die Eindämmung sachgrundloser Befristungen, die Durchsetzung des Rückkehrrechts von Teil- in Vollzeit und ein Einwanderungsgesetz – all das werde in Gesprächen mit CDU und CSU auf den Tisch kommen. Dabei stellt Schulz auch klar: „Das Recht auf Schutz vor Krieg und Verfolgung kennt keine Obergrenze.“

In der Umweltpolitik schließlich fordert Martin Schulz ein „Umsteuern“ ein. „Prüfstein für unsere politische Existenzberechtigung ist, ob wir eine intakte Erde weitergeben“, sagt der SPD-Chef. Dafür sei zentral, dass Deutschland seine Klimaziele erreiche. Dafür müsse der Ausstieg aus der Kohle stattfinden. „Es ist nicht die Aufgabe der Sozialdemokratie, die Strukturen der Vergangenheit zu konservieren, sondern Zukunftsperspektiven zu entwickeln“, sagt Schulz. Deshalb müsse Schluss damit sein, „den Umweltschutz gegen die Industrie auszuspielen“. Ähnlich hatte sich Bundesumweltministerin jüngst in einem Beitrag für vorwärts.de geäußert.

Nach Schulz’ knapp eineinhalbstündiger Rede findet zur Stunde die Aussprache über mögliche Gespräche mit CDU und CSU statt. Die Redeliste umfasst mehr als 90 Wortmeldungen. Die Entscheidung, ob die SPD diese Gespräche aufnehmen wird, wird für den frühen Abend erwartet. Im Anschluss stellt sich Martin Schulz zur Wiederwahl als SPD-Vorsitzender.

Die Rede von Martin Schulz kann hier nachgelesen werden.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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