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SPD-List: „Warum du auf Sylt eigentlich Sozialdemokrat werden musst“

Die SPD-List auf Sylt ist der nördlichste Ortsverein in Deutschland. Die Ungleichverteilung  ist immens. Wohnungen zu bezahlbaren Mieten gibt es kaum. Eine Menge Arbeit für Sozialdemokraten.

von Vera Rosigkeit · 3. Juli 2025
Mitgleider des SPD-Ortsvereins List auf Sylt

Aktiv im Ortsverein und der Gemeinde List auf Sylt: Andrea Fruth, Manfred Napp, Olaf Klodt, Dagmar Klodt, Walter Körnig und Petra Benck (v. l.)

Ganz Sylt ist wie Hamburg-Blankenese. „Es gibt keine Ecke, wo sich noch eine bezahlbare Wohnung finden lässt. Und gegen die Spekulation anzukämpfen, ist sehr schwer“, sagt Olaf Klodt, SPD-Fraktionsvorsitzender und stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde List. 2016 kehrte Klodt von Hamburg nach Sylt zurück. Da waren die Fraktionsmitglieder in List noch Teil des Ortsvereins der Gemeinde Sylt, damals der einzige OV auf der Insel. 

Doch als Klodt für List neue SPD-Mitglieder gewinnen konnte, „herrschte regelrechte Aufbruchstimmung“. So wuchs die Idee, einen eigenständigen Ortsverein zu gründen. 2022 war es soweit: Der OV List auf Sylt und damit der nördlichste Ortsverein der SPD in Deutschland, nahm seine Arbeit auf. 

Zugewinn bei Kommunalwahl

Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Bei der Kommunalwahl 2023 können die inzwischen 17 aktiven Genossinnen und Genossen ihren Stimmenanteil mehr als verdoppeln. Mit knapp 29 Prozent der Stimmen stellt der OV List nun vier statt bisher zwei Gemeindevertreter. 

Der OV-Vorsitzende Manfred Napp erklärt den Erfolg so: „Keine Parolen schwingen, dafür die Probleme im Ort benennen.“ Und damit zurück über Blankenese nach Sylt und List. „Wenn du als Nicht-Sozi auf die Insel kommst, musst du eigentlich schon nach zwei Wochen das Gefühl haben, ich muss Sozi werden“, ist Napp überzeugt. „Die Ungleichverteilung ist immens. Es gibt gigantische Immobilien zu immensen Preisen. Und die Leute, die das aufrechterhalten, die sauber machen und die Gastronomie stemmen, finden keine Wohnung.“ Für Napp ein „absolut sozialdemokratisches Thema“.

Kampf um bezahlbaren Wohnraum

Bezahlbarer Wohnraum sei in ganz Deutschland ein Problem, aber auf Sylt existenziell, so Napp. Jeden Morgen kommen „gewaltige Pendlermengen“ mit dem Zug vom Festland, weil sie auf Sylt nicht wohnen können. „Viele Handwerker sind aufs Festland gezogen und können auch nicht wieder zurück“, ­erklärt OV-Mitglied Dagmar Klodt. Ein aktuelles Problem seien nicht genehmigte Ferienwohnungen. Seit Jahrzehnten habe der Kreis nicht kontrolliert, ob die Nutzung korrekt sei. „Obwohl man für Ferienwohnungen eigentlich eine Baugenehmigung braucht, haben die Leute ihre Wohnungen genutzt, wie sie wollten“, berichtet Olaf Klodt.

Zwar sei der Wille nach mehr bezahlbarem Wohnraum fraktionsübergreifend, doch die SPD habe hier ein Alleinstellungsmerkmal. „Denn wir nehmen keine Rücksicht auf Investoren“, so OV-Chef Napp. „Wir verteufeln sie nicht, aber wenn Baugenehmigungen widerrechtlich unterlaufen werden, dann halten wir dagegen, was die anderen Parteien nicht unbedingt tun.“ 

Manfred
Napp

Es gibt gigantische Immobilien zu immensen Preisen und die Leute, die das Aufrechterhalten, die sauber machen und die Gastronomie hebeln, finden keine Wohnung.

Auch versuche man zu verhindern, dass das, was noch als Dauerwohnraum genehmigt ist, in Ferienwohnungen umgewandelt wird. Für Napp eine Rolle, die der SPD entspricht. „Und das erkennen die Bürgerinnen und Bürger hier an.“ Im Ort sei die SPD top aufgestellt, sagt die Gemeindesvertreterin und stellvertretende OV-Vorsitzende Petra Benck. „Wir sind gut vorbereitet, kennen uns mit Verträgen aus und auch mit den ­Klauseln. Im Gemeinderat weisen wir auf Missstände hin und drängen auf Veränderungen.“

Ehrenamt vor Ort

List ist auch eine Gemeinde im Umbruch. Nachdem die Bundeswehr ihren Marinestandpunkt auf der Insel aufgegeben hat, zählt List noch 1.500 Einwohner. Abzüglich derer, die dort gemeldet sind, aber nicht wohnen. Dazu kommen die Pendler. Insgesamt also eine stetige Fluktuation, so beschreibt es Walter Körnig, ebenfalls Gemeindevertreter. Wie auch Petra Benck, Manfred Napp und Andrea Fruth, die den Ortsverein als Bürgervertreterin im Kreis Nordfriesland vertritt, zählt ­Körnig zu den „zugezogenen Syltern“.

Um die Dorfgemeinschaft zu erhalten, brauche es Zusammenhalt und Identität. Auch deshalb hat der Ortsverein mit der jährlich stattfindenden SPD-Wanderung eine 30 Jahre alte Tradition wiederbelebt. Gleichzeitig engagieren sich die Mitglieder ehrenamtlich: im Schulverband, im Vereinssport, bei der Feuerwehr oder – wie Manfred Napp – im Förderkreis der Kirche. Ein Parteibüro gibt es nicht. Man sieht sich trotzdem. „Hier gehst du los, und alle drei Meter triffst du einen“, erzählt Petra Benck.

Im Kleinen um Gerechtigkeit

Im OV konzentriere man sich auf das, was wirklich Sorgen macht. Das sind auch die hohen Lebenshaltungskosten, die sich immer mehr von den Einkommen entfernen. „Und damit auch von unserer ehemaligen Kernwählerschaft“, betont Napp. Wenn man als SPD beklage, dass die Schere zwischen reich und arm immer weiter auseinandergehe, dann müsse man auch eine Politik machen, die diese Schere schließt. Was Olaf Klodt im Koalitionsvertrag von SPD und Union zu kurz kommt, sei der Beitrag der Gut- und Besserverdienenden zu den Staatsfinanzen. „Ungerechtigkeit ist ein Nährboden der AfD“, sagt Klodt. Und das fange auf der lokalen Ebene an. 

„Wir kümmern uns im Kleinen um Gerechtigkeitsthemen“, so Napp. Dazu will man auch künftig engagierte Leute für den Ortsverein gewinnen. Zwei stünden schon vor der Tür, heißt es. Denn hier auf Sylt sei die SPD ein wahnsinnig wichtiger Teil der Politik. Napp: „Hier gehört so eine Partei hin.“ 

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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