Parteileben

Ortsverein in Ostfwestfalen: Wie der SPD ein Neuanfang gelang

Anfang des Jahres lag die SPD in Schloss Holte-Stukenbrook am Boden. Neben dem Vorsitzenden hatten auch sämtliche Stadtratsmitglieder die Partei verlassen. Doch ein junges Führungsteam schaffte den Neustart in der ostwestfälischen Kleinstadt.

von Jonas Jordan · 17. November 2025
Das Team der SPD Schloss Holte-Stukenbrook

Mit Elan bei der Sache: Fabian Neugebauer, Janin von Detten, Mario -Kesselmeier, Hannah Ottenstroer und Bjarne Gottschick vor dem Schloss Holte, dem Wahrzeichen der Stadt (v.l.).
 


 

Der Bruch war nötig“, sagt Bjarne Gottschick. Er ist Beisitzer im Vorstand des SPD-Ortsvereins Schloß Holte-Stukenbrock. „Der Bruch“ bezeichnet das, was Anfang dieses Jahres passierte: Der bisherige Vorsitzende trat gemeinsam mit den beiden anderen Stadtratsmitgliedern aus der Partei aus und wechselte zur Linken. Die Stunde Null für die SPD in der ostwestfälischen Kleinstadt zwischen Bielefeld und Paderborn mit ihren gut 30.000 Einwohnern, die seit jeher eine CDU-Hochburg ist. 

Die SPD ist wieder da

Doch gar keine Sozialdemokratie mehr? Das sollte nicht sein. Daher übernahm im April ein junges Vorstandsteam um Mario Kesselmeier (32), seinen Stellvertreter Fabian Neugebauer (24), Kassierer Timo Fürstenberg (39), Kesselmeiers Frau Hannah Ottenstroer (27) und Bjarne Gottschick (27) das Ruder. Weil Kesselmeier, Ottenstroer und Gottschick alle im Rettungsdienst arbeiten, schrieb die Lokalzeitung Anfang des Jahres von der Rettungsmission für die SPD in „SHS“, wie sie ihren etwas sperrigen Ortsnamen gerne abkürzen. 

Diese Mission ist gelungen. Zwar hat die CDU bei der Kommunalwahl im September ihre absolute Mehrheit im Stadtrat nur knapp verteidigt, doch die SPD ist wieder da und künftig mit vier Mandatsträgern vertreten. Eine von ihnen ist Janin von Detten, 39 Jahre alt, Lehrerin, dreifache Mutter und ehrenamtlich Fußball-Trainerin. Kesselmeier hat sie überzeugt, in die SPD einzutreten und direkt bei der Kommunalwahl zu kandidieren.

Ihr Gesicht auf den Wahlplakaten zu sehen, sei ungewohnt gewesen, sagt sie. Ihre Tochter fand das peinlich. Freunde und Bekannte reagierte dagegen positiv und versprachen, diesmal die SPD zu wählen, auch wenn ihre Parteipräferenz eigentlich eine andere sei. So funktioniert Kommunalpolitik und so wurde die Sozialdemokratie wieder sichtbar. Und das nicht nur aufgrund von 700 Wahlplakaten, die in der ganzen Stadt hingen. Und: Mit Mario Kesselmeier hatte die SPD in SHS zum ersten Mal seit 16 Jahren überhaupt wieder einen Bürgermeisterkandidaten. Auch wenn er den Einzug in die Stichwahl knapp verpasste, gewann die SPD mehr als zweieinhalb Prozentpunkte dazu. Doch im Grunde waren es fast 13 Prozentpunkte.

Ein kompletter Neubeginn für den SPD-Ortsverein

Denn nach Abgang aller Stadtverordneten startete die SPD bei null. Der Bruch markierte einen kompletten Neubeginn. Auch für den Ortsverein. In der Vergangenheit seien oft Entscheidungen im Alleingang getroffen worden und Mitgliederversammlungen habe es häufig nicht gegeben, berichten die aktuellen Vorstandsmitglieder. Jetzt sei es anders. Die SPD in SHS versteht sich wieder als Team. „Ich habe das Gefühl, dass wir uns die Arbeit sehr gut aufteilen und alle an einem Seil ziehen. Das finde ich klasse. Das macht dann auch Spaß“, sagt Kesselmeier.

Voller Einsatz

Der Teamgedanke zählt: Die Mitglieder des Ortsvereins wollen den Schwung der Kommunalwahl nutzen.

Das Team der SPD Schloss Holte-Stukenbrook

Janin von Detten ergänzt: „Wir sind gerade sehr beflügelt und sehr motiviert. Jetzt wollen wir die Bürgernähe nicht verlieren über die nächsten fünf Jahre.“ Wie ein Rädchen ins andere greift, ist an einem Spätnachmittag im Oktober zu beobachten. Für 18 Uhr hat der Ortsvereinsvorstand zu einer Mitgliederversammlung eingeladen. Eine Stunde vorher beginnen die Vorbereitungen. Tische und Stühle werden in einem U aufgestellt, Flaschenöffner, SPD-Windräder und selbst entworfene Aufkleber mit dem Logo der „Eisernen Front“ auf den Tischen verteilt. 

„Bjarne, Getränke haben wir jetzt genug“, ruft Kesselmeier seinem Genossen zu, während dieser mit einem weiteren Kasten durch die Tür kommt. Binnen Minuten hat sich ein kalter, leerer Saal in einen Raum voller SPD-Devotionalien verwandelt, in den zwei Mädchen aus der katholischen Jugendgruppe neugierig ihren Kopf stecken. „Wir sind von der SPD und haben hier gleich ein Treffen, aber ihr braucht keine Angst haben. Nehmt euch gerne ein paar Gummibärchen“, erklärt Kesselmeier ihnen.

Ein gutes Motto für die politische Arbeit in der konservativen Hochburg

Keine Angst vor der SPD – das könnte ein gutes Motto für die politische Arbeit in der konservativen Hochburg sein. Auch um bei der nächsten Wahl in fünf Jahren möglicherweise die absolute Mehrheit der CDU zu brechen. 

Denn wie diese ihre politische Macht noch vor der konstituierenden Ratssitzung nutzt, bekommen die Genossinnen und Genossen bereits zu spüren. Davon berichtet Kesselmeier den 15 anwesenden Mitgliedern später am Abend. Die Union versuche, die Ausschüsse möglichst kleinzuhalten, was ihr nutzen, der SPD aber schaden würde. Ebenso beanspruche die CDU gleich zwei ehrenamtliche Bürgermeisterposten. Unverschämt finden viele der Anwesenden das. Doch die Möglichkeiten der SPD dagegen sind gering.

Hannah 
Ottenstroer

Es soll sich niemand kaputt­machen durch die Partei­arbeit.

Ein bisschen stehen sie nun nach der Euphorie des Neuanfangs vor den Mühen der Ebene. In diese Stimmung hinein sagt der Vorsitzende: „Die Situation ist, wie sie ist, aber sie ist besser als vor sechs Monaten. Sie ist auch besser als vor fünf Jahren. Wir müssen jetzt mit den Karten spielen, die wir haben, und einfach mal starten.“ Denn zu sehr wollen sie sich ihren Elan nicht nehmen lassen. „Wir wollen unsere Ideen, die wir im Wahlprogramm formuliert haben, nun auch als Anträge einbringen“, sagt Bjarne Gottschick. 33 Seiten lang war ihr Wahlprogramm. Der neue Fraktionsvorsitzende Eugen Latka hat daraus eine Matrix mit 500 Vorhaben für die nächsten fünf Jahre formuliert. -„Durchpowern“, lautet jetzt die Devise. 

Aus Ideen sollen Taten werden

Auch für die Arbeit des Ortsvereins haben sie sich einiges vorgenommen, nachdem die Basis mit monatlichen Mitgliederversammlungen und einem funktionierenden Vorstand wieder gelegt ist. Eine Weihnachtsfeier und ein Sommerfest sind im Gespräch. „Jetzt müssen wir zusehen, dass aus den Ideen auch Taten werden“, sagt Mario Kesselmeier und geht kurz vor Beginn der Versammlung noch einmal schnell nach Hause, um Moderationskärtchen zu holen. Auf diese pinnen sie Ideen und Themen für mögliche Veranstaltungen, über die sie an diesem Abend sprechen wollen. Infostand oder Weihnachtsmarkt steht darauf, aber auch Rente, KI oder Ukraine.

Doch egal, was in den kommenden Monaten ansteht, wichtig ist für alle der Teamgedanke. „Es soll sich niemand kaputtmachen durch die Parteiarbeit, sondern es soll darum gehen, dass wir alle daran wachsen“, sagt Hannah Ottenstroer. Janin von Detten sieht den Zusammenhalt als Faustpfand und langsam eine solidarische Gemeinschaft entstehen: „Je mehr Mitgliederversammlungen es gibt, desto lockerer wird die Stimmung“, ist sie überzeugt. 

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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