Oberbürgermeisterkandidat Nasser Ahmed: Ein waschechter Nürnberger
Er wäre der erste schwarze Oberbürgermeister in Deutschland. Doch vor allem will der Sozialdemokrat Nasser Ahmed Nürnberg jeden Tag ein bisschen besser machen.
Dirk Bleicker
Das Rathaus ist ihm wohlvertraut: Seit 2014 gehört Nasser Ahmed dem Nürnberger Stadtrat an.
Nasser Ahmed hat ein Problem mit dem Stadtbild in Nürnberg. Genauer gesagt mit dem Erscheinungsbild von Teilen der Innenstadt. Es gebe zu viel Leerstand, aber zu wenige Angebote für junge Menschen. Selbst die „verhasste“ Nachbarstadt Fürth habe deutlich mehr zu bieten, kritisiert der SPD-Kommunalpolitiker in einem Video, das er gemeinsam mit der Influencerin Chiara Antonella bei Instagram veröffentlicht hat. Dort folgen dem Reality-TV-Star Antonella fast 200.000 Menschen. Ahmed nutzt ihre Reichweite. Denn er kritisiert nicht nur Oberbürgermeister Marcus König dafür, dass er zu wenig tue, um die Innenstadt zu beleben. Der 37-Jährige will den CSU-Politiker beerben und selbst Oberbürgermeister seiner Heimatstadt werden.
Nürnberg galt lange als SPD-Hochburg. Von 1945 bis 2020 wurde die mittelfränkische Großstadt mit ihren gut 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern bis auf eine Ausnahme immer von SPD-Oberbürgermeistern regiert. Seit fünf Jahren ist die CSU zum zweiten Mal in 80 Jahren an der Macht. Wenn es nach Ahmed geht, soll es erneut eine Ausnahme bleiben. Denn am 8. März oder spätestens nach der Stichwahl zwei Wochen später will der Sozialdemokrat das Amt übernehmen. Laut einer Umfrage kennen aktuell 80 Prozent der Nürnbergerinnen und Nürnberger den Amtsinhaber, seinen SPD-Herausforderer nur etwa die Hälfte.
Die Menschen in Nürnberg erkennen ihn
Das stellt ein Ehepaar beim Besuch des „vorwärts“ Anfang Dezember in Nürnberg unter Beweis. Während Ahmed unterhalb der Burg mit Blick Richtung Christkindlesmarkt für ein Foto posiert, läuft eine Frau ihm lächelnd entgegen. Ihr Mann schaut fragend. „Der kandidiert doch jetzt als Bürgermeister“, erklärt sie ihm im Vorbeigehen.
Das Lächeln der Frau scheint derweil kein Zufall zu sein. Überall, wo er beim Gang über einen der berühmtesten Weihnachtsmärkte der Welt Menschen trifft, begegnen sie ihm positiv. Gleich am ersten Stand herzt er die Verkäuferin. „Hier gibt’s die beste Feuerzangenbowle“, erklärt er. Drei ältere Damen freuen sich über das Wiedersehen und schwärmen noch vom netten Gespräch beim vorigen Treffen mit ihm. Auch einen Mann mit gelber Jacke begrüßt er mit Handschlag. „Das war der Bereichsleiter Stadionumbau“, erklärt der Fan des 1. FC Nürnberg drei Tage vor dem Frankenderby gegen Fürth im Max-Morlock-Stadion wissend.
Das Vermächtnis seines Vaters
Ahmed ist ein waschechter Nürnberger. „Man sieht es mir an und man hört es an meinem Namen, sage ich oft bei Veranstaltungen. Dann gibt es meistens Gelächter“, erzählt der Sohn eritreischer Geflüchteter. Er wäre der erste schwarze Oberbürgermeister in Deutschland. In seinem Buch „Und dennoch stehe ich hier – Warum ich Nürnberg liebe“ schildert Ahmed seinen Lebensweg, aber auch den Weg seines Vaters, der sich als 14-jähriger Hirtenjunge aus Eritrea zunächst nach Ägypten aufmachte und nach einem Studium an der renommierten Al-Azhar-Universität weiter Richtung Europa zog, ehe er schließlich als ungelernter Arbeiter in Nürnberg landete und eine Familie gründete.
2011 ist er gestorben. Er bekam noch mit, wie sein Sohn in die SPD eintrat und ein Studium der Politikwissenschaft begann, aber nicht mehr, wie er in Nürnberg Karriere machte: zuerst Juso-Vorsitzender, seit 2014 im Stadtrat, dort inzwischen Fraktionsvorsitzender, seit 2021 auch Vorsitzender der Nürnberger SPD.
„Ich bin mittlerweile das dienstälteste Mitglied bei uns im Unterbezirksvorstand“, sagt der 37-Jährige schmunzelnd. In einem innerparteilichen Wettstreit setzte er sich gegen die Sozialreferentin der Stadt Nürnberg Elisabeth „Lisa“ Ries als Oberbürgermeisterkandidat durch. Ahmed erhielt gut zwei Drittel der Stimmen. Nun stehe die Partei geschlossen hinter ihm, sagt er.
Nasser
Ahmed
Die Nürnbergerinnen und Nürnberger vertrauen der Sozialdemokratie. Wir müssen ihnen die richtigen Angebote machen.
Das scheint auch notwendig, um die Nürnberger SPD wieder in die Erfolgsspur zu führen. Bei der Wahl zum Stadtrat büßte die Partei nicht nur 18,4 Prozentpunkte ein, sondern auch ihren Status als stärkste Fraktion. Ahmed will Nürnberg zur „Stadt der Chancen“ machen. Der Weg, der ihm gelang, vom Kind eritreischer Bürgerkriegsgeflüchteter zum Oberbürgermeisterkandidaten, soll allen offenstehen. Er ist überzeugt: „Die Nürnbergerinnen und Nürnberger vertrauen der Sozialdemokratie. Wir müssen ihnen die richtigen Angebote machen und brauchen eine neue sozialdemokratische Erzählung.“
Für eine Stadt der Chancen
Migration als Bereicherung, nicht als Problem für das Stadtbild, wie von Bundeskanzler Merz kürzlich geäußert: Mit dieser Haltung will der promovierte Politikwissenschaftler auch neue Wählergruppen für die SPD erschließen – soziale Bewegungen wie Fridays for Future ebenso wie Black Lives Matter, Menschen, die sich mit Geflüchteten solidarisieren oder Reality-TV-Sendungen schauen. Er sagt selbstbewusst: „Das könnte ein Vorbild für das ganze Land sein.“ Anpacken, auf Menschen zugehen, ihnen ein paar nette Worte und ein Lächeln schenken – schon zu Juso-Zeiten hat sich Ahmed so auch über Nürnberg hinaus einen Namen gemacht.
Das passende Zitat dazu von seinem Vater findet sich in seinem Buch: „Wer anpackt, statt nur zu reden. Wer macht, statt nur zu versprechen, der kann etwas bewegen.“ Klingt nach Kommunalpolitik pur. Auch Ahmed findet: „Dieses Zitat passt wie die Faust aufs Auge.“ Inzwischen ist er selbst Vater, wohnt mit seiner Frau und seiner einjährigen Tochter in der Nürnberger Südstadt. Nicht gerade ein In-Viertel, aber Ahmeds Lieblingsort innerhalb der Dürer-Stadt. „Sie verbindet das, was Nürnberg ist – die Arbeitergeschichte mit der gründerzeitlichen Stadt, die leider im Zweiten Weltkrieg zerbombt wurde.“ Heute ist die Südstadt beliebt bei Menschen, die neu nach Nürnberg kommen. Lebenswert, vielfältig und oftmals in Ahmeds Augen zu schlechtgeredet.
Mit sportlichem Ehrgeiz
Dort besucht der Sozialdemokrat, wenn er mal frei hat, einen der Biergärten, spaziert am Dutzendteich entlang und geht auf einem der Bolzplätze seiner neben der Politik größten Leidenschaft nach, dem Fußballspielen. Mit seinen Toren schoss er die Nürnberger Stadtratsmannschaft 2019 zur Deutschen Meisterschaft – ausgerechnet in der Landeshauptstadt München. Der sportliche Ehrgeiz packt ihn auch mit Blick auf den Wahlkampf. Er hat sich nicht weniger vorgenommen, als „mit jedem einzelnen Nürnberger persönlich zu sprechen“. Und wenn er sie dann von sich überzeugt hat? „Îch will ein Oberbürgermeister sein, der die Stadt jeden Tag ein bisschen besser macht, statt nur Hände zu schütteln.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo