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Nela Kruschinski: „Haltung zu Friedrich Merz hat sich nicht geändert“

Am 1. April durchsuchte die Polizei das Zimmer der damals 17-jährigen Mendener Juso-Vorsitzenden Nela Kruschinski. Inzwischen ist klar: Das war rechtswidrig. Im Interview sagt die Sozialdemokratin, wie sie die Aktion erlebt hat und ob sie einen Einfluss auf die Kommunalwahl am Sonntag hat.

von Jonas Jordan · 12. September 2025
Nela Kruschinski ist Juso-Vorsitzende in Menden.

Nela Kruschinski ist Juso-Vorsitzende in Menden.

Wie geht es Ihnen nach dieser wahrscheinlich sehr turbulenten Woche?

Ich bin überwältigt von dem ganzen positiven Feedback. Diese Solidarität tut ziemlich gut und ich bin ehrlich gesagt erleichtert, dass ich jetzt drüber sprechen konnte. Ich hatte direkt den Drang, das Leuten zu erzählen oder für Gerechtigkeit zu sorgen. Das war nicht möglich, weil ich erst mal die rechtlichen Schritte abwarten musste. Jetzt damit an die Öffentlichkeit gehen zu können, tut richtig gut. Ich hoffe, ich kann damit andere Jugendliche ermutigen, an die Öffentlichkeit zu gehen, falls ihnen etwas ähnliches passiert ist.

Wie haben Sie den Morgen des 1. April erlebt, als es klingelte und die Polizei vor Ihrer Tür stand?

Es ist nichts, womit man um 6.15 Uhr rechnet, vor allem nicht am 1. April. Ich war schockiert, aber auch verwirrt und habe mich gefragt: „Warum ich? Wie ist man auf mich gekommen? Was soll das?“ Dann habe ich direkt angefangen, zu überlegen, wie ich mich schützen kann.

Hatten Sie eine Ahnung, wie die Polizei auf Sie kam?

Als ich sie das erste Mal gesehen habe, überhaupt nicht. Aber dann bin ich recht schnell darauf gekommen, dass es irgendwas mit der Veranstaltung zu tun haben könnte, weil es das erste Mal war, dass ich relativ medienwirksam selbst etwas veranstaltet habe. Deswegen war mein erster Gedanke, dass es nur etwas mit der Demonstration gegen Friedrich Merz zu tun haben könnte. Mir wurde dann der Durchsuchungsbeschluss gezeigt und erklärt, dass es um die Graffiti-Schmierereien an der Schützenhalle geht.

Die Polizei hat Ihren Laptop mitgenommen, während Sie mitten in den Abitur-Vorbereitungen waren.

Ja, genau, den Laptop, mein iPad und mein Handy.

Wie war das für Sie?

Ich habe direkt gefragt, ob das sein muss und darauf gepocht, dass ich meine Geräte schnell wieder brauche. Alles Schulische war darauf, alle Dateien, alle Unterlagen, alle Zugangsdaten. Deshalb war das ein großer Schock, aber zum Glück waren die Beamten nachsichtlich und ich habe alles direkt am nächsten Tag wieder bekommen.

Konnten Sie denn mit Ihren Freund*innen darüber reden?

Es wäre der klügste Weg gewesen, es gar niemandem zu erzählen, aber meinen allerengsten Freunden habe ich es erzählt, nachdem sie mich angesprochen hatten, warum ich nicht auf Nachrichten antworte.

Nela
Kruschinski

Das war meine Erwartung an den Rechtsstaat. Ich wusste, dass das nicht in Ordnung war, mein Zimmer zu durchsuchen, nicht unter diesen Umständen.

Wie erleichtert waren Sie, als feststand, dass der Durchsuchungsbeschluss unzulässig war?

Sehr erleichtert, aber auch gleichzeitig kaum überrascht. Das war meine Erwartung an den Rechtsstaat. Ich wusste, dass das nicht in Ordnung war, mein Zimmer zu durchsuchen, nicht unter diesen Umständen.

Sie kandidieren bei der Kommunalwahl am Sonntag in Menden für die SPD. Inwiefern haben sich seit dem Vorfall das politische Klima und der Umgang mit der CDU verändert?

Im direkten Kontakt hat sich nichts verändert. Ich bin seitdem auch von niemandem aus der Kommunalpolitik angesprochen worden. Öffentlichkeitswirksam löst es viel mehr bei den Bürgerinnen und Bürgern aus als bei der CDU selbst. Die halten sich sehr bedeckt im Moment.

Eine umstrittene Rolle spielte bei den Ermittlungen auch der Polizeibeamte Wolfgang Exkler, CDU-Mitglied im Mendener Stadtrat, stellvertretender Bürgermeister und früher einmal Landtagsabgeordneter. Hatten Sie in der Zwischenzeit noch mal Kontakt zu ihm?

Überhaupt nicht. Seit er die erkennungsdienstliche Untersuchung bei mir probiert hat, zu machen, hatte ich keinen persönlichen Kontakt mehr mit ihm.

Nela
Kruschinski

Es wäre menschlich sehr groß von ihm, das zu tun. Ich würde mich sehr drüber freuen.

Wünschen Sie sich eine Entschuldigung?

Es wäre mit Sicherheit nett und sinnvoll, aber ich erwarte es ehrlich gesagt nicht. Ich weiß, dass das leider nicht die Art und Weise ist, wie man in der Politik miteinander umgeht. Es wäre menschlich sehr groß von ihm, das zu tun. Ich würde mich sehr drüber freuen.

Es gab eine Vielzahl von bundes- und landespolitischen Reaktionen. Hat Sie die Tragweite überrascht?

Ja, total. Ich hatte die Hoffnung, dass das weite Kreise zieht, aber dieses Ausmaß hätte ich nicht erwartet, vor allem nicht innerhalb von so einem kurzen Zeitraum, dass quasi nur die Westpool-Recherche dann so viel auslöst. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil und der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer haben mich kontaktiert und persönliches Interesse gezeigt. Die Solidarität ist ein Grundpfeiler unserer Partei und diese Solidarität selbst spüren zu dürfen, ist sehr toll. Da weiß man, dass man in der richtigen Partei ist, dass man sich wohl und sicher fühlen darf.

Inwieweit hat die Geschichte Ihre Haltung zu Friedrich Merz verändert?

Überhaupt nicht. Ich stehe seinen politischen Positionen weiterhin größtenteils ablehnend gegenüber. Er ist auch kein Sympathieträger.

Könnte der Vorfall den Ausgang der Kommunalwahl in Menden beeinflussen?

Das glaube ich nicht. In Menden gibt es recht starke Traditionswähler, die schon immer CDU oder SPD gewählt haben. Ich glaube nicht, dass ein persönlicher Vorfall einen großen Einfluss darauf hat. Die CDU wird immer noch ihre Prozente holen und die SPD hoffentlich auch.

Welches Ergebnis erhoffen Sie sich für die SPD und auch für sich persönlich?

Ich hoffe, dass unser Bürgermeisterkandidat mit einem guten Ergebnis in die Stichwahl kommt und dann schauen wir weiter.

Welche Wahlkampf-Aktivitäten haben Sie mit den Jusos am Wochenende noch geplant?

Am Samstag ist der letzte Wahlkampfstand und dann hoffen wir, dass wir am Sonntagabend mit einem guten Ergebnis ein bisschen feiern können.

Zum Hintergrund

Ende Januar trat der damalige CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz im Bundestagswahlkampf vor mehr als 2.000 Menschen im nordrhein-westfälischen Menden auf. Eigentlich ein Heimspiel für den Sauerländer. Doch Unbekannte hatten die Wand der Schützenhalle in der Nacht zuvor mit Anti-Merz-Parolen beschmiert. Das Amtsgericht Arnsberg, deren Direktorin Merz' Frau Charlotte Merz ist, genehmigte anschließend eine Hausdurchsuchung bei der damals noch minderjährigen Juso-Vorsitzenden Nela Kruschinski. Inzwischen ist klar: Diese war rechtswidrig. 

Der NRWSPD-Generalsekretär Frederick Cordes nannte den Vorfall „gespenstisch“. Er kommentiert: „Eine Minderjährige wird ohne belastbare Hinweise Ziel einer Hausdurchsuchung – und das allein aufgrund eines anonymen Schreibens und einer unbrauchbaren Zeugenaussage. Dass ein solcher Beschluss überhaupt gefasst und vollstreckt wurde, wirft ein erschreckendes Licht auf die Abläufe bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht.“ 

Besonders „befremdlich“ sei die Rolle von Wolfgang Exler: „Er ist nicht nur Kriminalbeamter, sondern auch CDU-Mitglied, Stadtrat, stellvertretender Bürgermeister in Menden und persönlich betroffen, weil die Schmierereien an einer Schützenhalle angebracht wurden, in deren Vorstand er tätig ist. Trotzdem taucht er in den Ermittlungen auf, vernimmt eine Zeugin und unterschreibt einen Ermittlungsbericht, obwohl er von der zuständigen Polizeibehörde gar nicht mit den Ermittlungen beauftragt wurde. Dass so jemand in einem Verfahren mitwirkt, in dem politische Konkurrenz im Zentrum steht, ist ein klarer Verstoß gegen jede Vorstellung von Neutralität“, Cordes. Der Fall müsse daher lückenlos aufgeklärt werden.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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