Inland

Kandidaten bei NRW-Kommunalwahl: Vater für die Grünen, Sohn in der SPD

In der Gemeinde Wachtberg in der Nähe von Bonn kandidiert Oliver Henkel für die Grünen als Bürgermeister, sein Sohn Otis ist SPD-Kandidat für den Gemeinderat. Gibt das Streit am Küchentisch?

von Jonas Jordan · 10. September 2025
Oliver Henkel (l.) kandidiert in der Gemeinde Wachtberg für die Grünen als Bürgermeister, sein Sohn Otis ist SPD-Kandidat für den Gemeinderat.

Oliver Henkel (l.) kandidiert in der Gemeinde Wachtberg für die Grünen als Bürgermeister, sein Sohn Otis ist SPD-Kandidat für den Gemeinderat.

Am Sonntag, 14. September, wird in der Gemeinde Wachtberg ein neuer Bürgermeister gewählt. Haben Sie sich schon entschieden, wen Sie wählen werden?

Otis Henkel: Ja, habe ich.

Wird es Ihr Vater sein?

Otis Henkel: Das werde ich nicht sagen, weil es das Wahlgeheimnis gibt, aber es gibt gute Gründe, warum meine Partei eine andere Kandidatin unterstützt.

Oliver
Henkel

Wenn ein Sohn in der Jungen Union aktiv geworden wäre, hätten wir mehr diskutieren müssen.

Was denken Sie darüber, dass Ihr Sohn für eine andere Partei kandidiert?

Oliver Henkel: Es ist eine Illusion, zu glauben, dass Kinder immer nur das machen, was Eltern wollen und vorgeben. Otis hat nicht vorher mit uns diskutiert, sondern wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt und wir sind damit zurechtgekommen. Wenn ein Sohn in der Jungen Union aktiv geworden wäre, hätten wir mehr diskutieren müssen.

Otis
Henkel

Die Grünen haben mich nicht so gecatcht.

Warum haben Sie sich anders als Ihr Vater nicht für die Grünen, sondern für die SPD entschieden?

Otis Henkel: Die Grünen haben mich nicht so gecatcht. Ich war in der zwölften Klasse der Einzige, der überhaupt etwas über die Bundestagswahl wusste. Ich fand damals gut, was Martin Schulz gesagt hat, weil ich mich über Angela Merkel und deren Trägheit aufgeregt habe. Die Entscheidung für die SPD war damals noch nicht mit Gedanken verbunden, in Konkurrenz zu meinem Papa aktiv zu werden.

Oliver
Henkel
 

In Wahrheit bin ich sehr stolz auf Otis und das, was er bei der SPD macht. Ohne ihn stünde die SPD in seinem Ortsverein und auch im Kreis ein Stückchen schlechter da.

Wie gehen Sie nun mit dem Engagement Ihres Sohnes um?

Oliver Henkel: Mir ist es wichtig, dass er sich politisch engagiert. Da die grundsätzliche Ausrichtung nicht konträr ist, kann ich damit sehr gut umgehen. Die Tochter von Markus Söder wusste kürzlich nicht, wer Helmut Kohl ist. Das kann meinen Kindern nicht passieren, Otis sowieso nicht. Er wurde als Grundschüler mal gefragt, wie der damalige Wirtschaftsminister heißt und hat wie aus der Pistole geschossen Herr zu Guttenberg geantwortet. Deswegen bin ich in Wahrheit sehr stolz auf Otis und das, was er bei der SPD macht. Ohne ihn stünde die SPD in seinem Ortsverein und auch im Kreis ein Stückchen schlechter da.

Diskutieren Sie auch mal am Küchentisch kontrovers über kommunale Themen?

Otis Henkel: Ja, würde ich schon so sagen, weil wir viele Berührungspunkte haben. Bis Anfang des Jahres waren die Grünen bei uns in der Gemeinde noch in einer Koalition mit der CDU. Da war ich oft kritisch eingestellt, weil wir als SPD eine andere Meinung vertreten haben. Im Wahlkampf gehen wir uns gut aus dem Weg, weil wir nicht direkt gegeneinander antreten. Mein Vater tritt als Bürgermeister an, ich kandidiere für den Kreistag. Wir treten zwar beide für den Rat an, aber in unterschiedlichen Wahlkreisen. Wir stehen nirgendwo auf demselben Wahlzettel. Dadurch ist die Situation ein bisschen entspannter.

Otis
Henkel

Die Parteien sind nicht so weit voneinander entfernt. Deswegen ist das ein Wettbewerb, aber keine harte Konkurrenz.

Das heißt, es gab jetzt noch nicht die Situation, dass Sie sich direkt am Infostand gegenüberstanden und konkurrierend Wahlwerbung gemacht haben?

Otis Henkel: Doch, die gibt es jede Woche samstags, aber wir sind da sehr offen. Wenn jemand Familie Henkel an sich unterstützen möchte, kann er das tun, indem er Stimmen splittet. Die Parteien sind nicht so weit voneinander entfernt. Deswegen ist das ein Wettbewerb, aber keine harte Konkurrenz.

Oliver Henkel: Wir diskutieren über kommunalpolitische Sachen, wir diskutieren auch über Bundes-und sonstige Weltgeschehen. Ich nehme das nie als wirklich strittig wahr, sondern wir können Argumente austauschen und sind sehr oft auf einer ähnlichen Position. Da wir nicht gegeneinander antreten, ist das auch für unsere restlichen Familienmitglieder einfacher. Es wäre sonst vielleicht schwieriger geworden, wenn sie sich zwischen uns auf dem Wahlzettel entscheiden müssten.

Was ist Ihre grundsätzliche Motivation, sich kommunalpolitisch einzubringen?

Otis Henkel: Wenn man in einem politischen Elternhaus groß wird und schon mit acht Jahren weiß, was eine Fraktionssitzung und was eine Ratssitzung ist, dann ist es selbstverständlich, sich einzumischen. In Wachtberg haben wir das Glück, dass die Parteien sehr fair miteinander umgehen und schon in verschiedenen Konstellationen Entscheidungen getroffen haben. Mich stört aber, dass Wachtberg total unattraktiv für junge Menschen ist. Es gibt keine Möglichkeit, das Abitur abzulegen. Es gibt viel zu wenig Räume für Jugendliche, sich zu engagieren. Der Bus fährt nachts nicht. Das sind so Sachen, die ich gerne verändern würde.

Oliver Henkel: Ich war von klein auf schon politisch engagiert. Ich komme aus einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus und habe mir immer beibringen lassen, dass man auch den Schwachen zur Seite stehen muss. Ich war in meiner Jugend in der SPD und bei den Jusos, aber man kann sich ja weiterentwickeln. 2008 bin ich kommunalpolitisch aktiv geworden. Seit 2009 bin ich Fraktionsvorsitzender der Grünen und habe dadurch das Gefühl, ich kann ein bisschen was bewegen. Ich interessiere mich auch für Bundes- und Weltpolitik, aber meine persönlichen Ambitionen habe ich immer auf die Kommune begrenzt. Da ist mein Sohn deutlich weiter, der sich im Kreis schon länger engagiert.

Aktuell ist die CDU die stärkste Kraft im Gemeinderat, aber könnte es sein, dass Sie sich nach dem 14. September in Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen gegenübersitzen?

Otis Henkel: Das ist möglich, ja.

Oliver Henkel: Wir arbeiten jetzt schon zusammen, weil die CDU ohne Not eine Koalition aufgekündigt und hinterher festgestellt hat, dass sie mangels Mehrheit gar nichts mehr zu bestimmen hat. Stattdessen sind die anderen fünf Fraktionen in einem guten Austausch. Im Augenblick gibt es keinen, der mit der CDU zusammenarbeiten möchte. Also erwarte ich Mehrheiten jenseits der CDU und dann sind wir natürlich im Gespräch.

Was wäre Ihr Wunschergebnis für den 14. September?

Otis Henkel: Dass die SPD in Wachtberg mehr Prozente holt als 2020. Ich habe auch ein gutes Gefühl, weil die SPD in letzter Zeit sehr präsent war. Deswegen bin ich optimistisch gestimmt, dass wir unser Ergebnis verbessern können. Das hätte zur Folge, dass ich auch in den Rat einziehen würde. Für die Kreistagswahl ist es mein Ziel, das Ergebnis der SPD in Wachtberg zu verbessern und in den Kreistag einzuziehen.

Oliver Henkel: Vor fünf Jahren hatten die Grünen einen guten Lauf. Diesmal wäre ich schon froh, wenn wir in der gleichen Größenordnung landen.

Was ist Ihr wichtigstes Projekt für die nächsten fünf Jahre in Wachtberg?

Otis Henkel: Wir müssen uns überparteilich darauf einigen, wie wir mit den Finanzen der Gemeinde umgehen wollen. Wir stehen immer so knapp vor der Haushaltssicherung. Das kann nicht mehr lange gut gehen. Alle weiteren Projekte können nur funktionieren, wenn die Gemeinde finanziell Planungssicherheit hat. Inhaltlich möchte ich die Weichen für die Errichtung einer Gesamtschule stellen, die öffentliche Jugendarbeit fördern und einen Nachtverkehr einführen.

Oliver Henkel: Wir sind grundsätzlich für die Gesamtschule, aber wir wären schon froh, wenn wir den Realschulabschluss hier in Wachtberg hätten. Wir sind uns im Rat einig, dass wir da gemeinsam hinwollen. Ob das kurzfristig gelingt, hängt von der Landesregierung und der Bezirksregierung ab. 

Otis Henkel: Wenn ich das korrigieren darf: Natürlich kann man in Wachtberg bereits seit vielen, vielen Jahren einen Realschulabschluss machen. Deswegen ist diese gesamte Diskussion…

Oliver Henkel: Nein, man darf das nur nicht so nennen. Das ist das Problem.

Otis Henkel: Doch, der Realschulabschluss wird in Wachtberg seit vielen, vielen Jahren gemacht. Deswegen sehe ich das als vorgeschobenen Schritt, um eine langfristige Planung für die Gesamtschule, die die CDU unbedingt verhindern will, nicht weiter anzugehen. Wir hören dieselben Argumente seit vielen Jahren. Deswegen braucht es neue Gesichter im Rat, die das auch wirklich anpacken.

Oliver Henkel: Ja, das ist so ein Punkt, an dem man sich wunderbar streiten kann.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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