Nach dem Zollstreit mit Trump: Was Deutschland und Europa jetzt tun müssen
Wird künftig Willkür den globalen Handel bestimmen? Nach dem Zollstreit mit Donald Trump kommen auf die europäische und deutsche Wirtschaft spürbare Lasten zu. Wie die EU sich schützen kann und welche Wege sie nun einschlagen muss.
IMAGO/Christian Ohde
Mit einem Kompromiss konnte Ende Juli der Zollstreit zwischen der USA unter Donald Trump und der EU beigelegt werden. Der künftig gültige Zollsatz von 15 Prozent auf EU-Produkte in den USA wird auch für die deutsche Industrie eine Belastung sein.
Die EU hat sich den unsinnigen und wirtschaftlich schädlichen Forderungen des amerikanischen Präsidenten in der Außenhandelspolitik weitgehend gebeugt. Die europäische und die deutsche Wirtschaft werden spürbare Lasten zu tragen haben.
Dabei dürften die unmittelbaren Wachstumseinbussen für die EU noch halbwegs verkraftbar sein. Wichtiger ist, dass wir nun in einem globalen Handelsregime leben, das durch die Gesetze der Mafia besser beschrieben wird als durch regelgebundene Fairness. Man kann es auch als ein Regime imperialistischer Handelspolitik sehen. Die Konsequenz hieraus ist, anders als zumeist dargestellt, kein höheres Maß an Sicherheit. Im Gegenteil, mit dem Eingehen auf diesen „Deal“ werden in Zukunft Willkür und Machtspiele immer wieder Unsicherheiten und Verwerfungen aufkeimen lassen, die den globalen Handel hemmen werden.
Binnennachfrage in der EU stärken
Was tun in diesen schwierigen Zeiten? Die kurzfristige globale politische Herausforderung ist, sich vor den Folgen dieses Regimes soweit wie möglich zu schützen. Auf längere Sicht sollte sich die Welt sogar wieder von ihm zu befreien vermögen. Der erste Schritt in diese Richtung wäre sich zunächst einmal auf diese Ziele zu verständigen.
Was immer auch in nächster Zeit von der US Regierung zu erwarten ist, die EU muss sich möglichst rasch ökonomisch besser schützen. Ein wichtiger Schritt hierzu ist eine dynamische Binnennachfrage in der EU. Vor der düsteren Kulisse eines gefährdeten und immer riskanteren Welthandels sollten die Unternehmen auf einen relativ sicheren und expandierenden europäischen Binnenmarkt vertrauen können. Dazu müssten sowohl die Fiskalpolitik als auch die Geldpolitik eher expansiv ausgerichtet sein. Mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen wie dem Investitionsprogramm hat zumindest Deutschland diesen Kurs eingeschlagen. Andere Länder sollten folgen, und die europäischen Fiskalregeln sollten angesichts der offenkundigen akuten Gefahren dem nicht entgegen stehen.
Mehr Investitionen
Inflation ist dabei keine große Gefahr, was die Geldpolitik beruhigen sollte. Schließlich wertet der Euro angesichts der irrigen Wirtschaftspolitik in den USA gerade gegenüber dem US-Dollar strukturell auf. Das dämpft den Preisanstieg für Importe. Vor allem aber wird angesichts der hohen US-Zollschranken für den Handel mit den USA der Wettbewerb auf dem europäischen Markt aufgrund des zu erwartenden Importdrucks aus Drittländern hoch sein. China und andere werden nunmehr versuchen, ihre Produkte vermehrt in Europa abzusetzen. Dies verengt die Spielräume für Preiserhöhungen noch mehr. Vor diesem Hintergrund ist sogar eine Zinssenkung vertretbar.
Auf längere Sicht sind jedoch grundsätzlichere Maßnahmen erforderlich. Eine der zentralen wirtschaftspolitischen Aufgaben sind erheblich verstärkte Investitionen, um den technologischen Rückstand in weiten Bereichen gegenüber den USA und China, nicht zuletzt im militärischen Bereich, zu überwinden oder zumindest abzumildern. Deshalb sollte die binnenwirtschaftliche Dynamik vor allem über verstärkte öffentliche und private Investitionen erfolgen.
Statt USA und China: neue Handelspartner
Handelspolitisch müssen neue globale Allianzen um die USA und China herum geformt werden. Von diesen beiden großen Volkswirtschaften sind in nächster Zukunft keine positiven Impulse für die europäische Wirtschaft zu erwarten. Von daher sollten die Verbindungen vor allem zu den übrigen G7- und G20-Staaten, aber auch weiteren aufstrebenden Volkswirtschaften in Südamerika, Afrika und Asien gestärkt und mit Handelsprivilegien im Vergleich zu den USA und China unterlegt werden.
Dies wird auf Dauer auch Wirkung auf die USA und China zeigen. Denn man sollte nicht vergessen, die Hauptgeschädigten einer imperialistischen Handelspolitik sind die Imperialisten selbst. Wenn sie wie die USA Importe durch Zölle verteuern oder eine kostenintensivere heimische Produktion aufbauen, werden die amerikanischen Verbraucher hierfür am Ende die Zeche in Gestalt massiver Kaufkraftverluste zahlen.
Imperialistische Handelspolitik mit Zukunft?
Wenn China seine verlustreiche Überproduktion in vielen Bereichen mit öffentlichen Mitteln subventioniert, wird es auch irgendwann an die Grenzen seiner Möglichkeiten stoßen und entweder die Steuern für seine Bürgerinnen und Bürger erhöhen oder Produktionen schließen müssen, was beides Arbeitsplätze kostet.
Beide Großvolkswirtschaften werden die negativen Folgen ihrer imperialistischen Handelspolitik umso schneller und stärker spüren, je mehr Europa investiert und je schneller es neue Handelsallianzen schmiedet. Das könnte beide bewegen, ihre Strategie imperialistischen Handelns zu überdenken und auf den Pfad fairer Regeln zurückzukehren.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.