Klimaschutz: Warum CCS nicht die Lösung ist
In einem Gastbeitrag fordern Lukas Daubner und Christian Sarpey, die SPD müsse sich im Dienste des Klimaschutzes für die CCS-Technologie zur Verpressung von CO2 starkmachen. Dabei berufen sie sich auf den Vordenker Hermann Scheer. Dabei hat er die Technologie stets abgelehnt. Eine Replik
imago stock&people
Hat sich stets gegen CCS ausgesprochen: SPD-Politiker Hermann Scheer (1944 bis 2010)
Hermann Scheer, das kann man mit Fug und Recht sagen, war nicht nur langjähriger Abgeordneter des Deutschen Bundestages für die SPD: Er war einer der Vordenker der Energiewende, des schnellen Wechsels hin zu 100 Prozent Erneuerbaren Energien. Scheer hat nicht nur die Konzepte für die Energiewende zu einem großen Teil erdacht und erarbeitet – er hat mit einer ansonsten höchst selten anzutreffenden Kombination von intellektueller Analyse und politischer Strategie auch dafür gesorgt, dass große Teile seiner „Sonnenstrategie“, so der Titel eines seiner Bücher, in praktische Politik umgesetzt wurden.
Im Zentrum: die demokratischen Potenziale der Energiewende
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz aus dem Jahr 2000 ist sicherlich einer der politischen Höhepunkte seines Wirkens, die intellektuelle Grundlage dafür hat er aber schon Jahre vorher gelegt. Die Gründung der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien IRENA war gleichsam sein zweites Meisterstück, das heute maßgeblich die internationale Debatte über die Energieversorgung prägt. Allein diese beiden Erfolge haben in der Welt mindestens so viel zur tatsächlichen positiven Veränderung beigetragen wie alle Weltklimaabkommen zusammen.
Dabei, und das ist an dieser Stelle besonders betonenswert, war es stets der Ausgangspunkt von Scheers Denken, dass eine Versorgung mit Erneuerbaren Energien nicht nur gut für das Klima und die Umwelt ist. Er hat immer den dezentralen Charakter der Erneuerbaren Energien betont, was ja vor allem bedeutet, dass Erneuerbare praktisch überall zur Verfügung stehen. Daraus ergeben sich auch die enormen wirtschaftlichen, aber auch demokratischen und emanzipatorischen Potenziale der Energiewende: Kern und Ausgangspunkt von Hermann Scheers politischer Strategie – und damit auch zutiefst sozialdemokratisch.
Mit dieser politischen Strategie setzte er konsequent den Weg fort, den kein geringerer als August Bebel bereits 1883 vordachte, mit den vier „e“ der Energiewende: emissionsfrei, elektrisch, energieeffizient und 100 Prozent erneuerbar. Damit legte Bebel schon im 19. Jahrhundert die Grundlage der globalen Energiewende.
Gegen alle Scheinlösungen beim Klimaschutz
Hermann Scheer hat sich immer in aller Deutlichkeit gegen jegliche fossilen und nuklearen Scheinlösungen ausgesprochen. Ihm war sehr bewusst, wie die fossile und auch die atomare Energiewirtschaft versuchen, teils mit perfiden psychologischen Strategien die Energiewendebewegung für sich einzuspannen und deren gutes Image für sich zu nutzen. Viele ihrer progressiven Unterstützer*innen ließen und lassen sich bedauerlicherweise teilweise davon beeindrucken. Ein Grund könnte das erfolgreich gesetzte Narrativ sein, dass die alten Akteur*innen auch die Akteur*innen in der Zukunft sein werden – laut Hermann Scheer ein verhängnisvolles Missverständnis.
Zu den von Hermann Scheer stets angeprangerten Scheinlösungen gehörte die Verpressung von CO2, englisch abgekürzt CCS (Carbon Capture and Storage). Scheer war es bewusst, dass solche Ansätze dazu dienen können, die Energiewende zu verzögern und der fossilen Energiewirtschaft ein Alibi zu schaffen, damit auch weiterhin das alte fossile Modell funktioniert.
Gegen CCS hat Hermann Scheer beziehungsweise das von ihm gegründete „Eurosolar“ sogar eine Öffentlichkeitskampagne initiiert, damit die Menschen flächendeckend über die Planungen informiert werden. Er hat auch stets darauf hingewiesen, dass CCS auch und vor allem dafür genutzt würde, die Ausbeute aus fossilen Lagerstätten zu erhöhen. Das Ergebnis von CCS sei also sogar das Gegenteil von Emissionsminderung, Emissionen würden im Ergebnis erhöht. Daraufhin wurden die Planungen vor rund zwei Jahrzehnten eingestellt, da sich flächendeckend Widerstand gegen CCS formierte. Einige Kommunen erklärten sich sogar zur CCS-freien Gebieten.
CCS ist riskant und teuer
Wenn nun CCS nur für schwer oder nicht vermeidbare Emissionen eingesetzt werden soll, so ändert das nichts an den grundsätzlichen Argumenten dagegen: Die Technologie ist sehr riskant und teuer. Hohe Risiken bestehen für die menschliche Gesundheit ebenso wie für Umwelt und Sicherheit. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist CCS kaufmännisch nicht vernünftig, erst recht nicht mit Blick auf die Kosten der Alternativen: Erneuerbare Energien.
Alternativlosigkeit war und ist schon immer ein Argument, mit dem eine unliebsame Debatte beendet werden soll, auch das hat Hermann Scheer betont. Ihn gleichsam zum Kronzeugen für eine neue Technologie zu machen, nur weil es eine neue Technologie ist, ist im Falle von CCS absurd. Denn er kann sich dagegen nicht mehr wehren. Und es steht im eklatanten Widerspruch zu seinem Lebenswerk.
ist ehemaliger Mitarbeiter von Hermann Scheer und Eurosolar. Er ist im SPD-Klimaforum aktiv, Vorstandsmitglied des UB Bonn und arbeitet hauptberuflich an der weltweiten Energiewende.
ist Co-Sprecherin des SPD-Klimaforums und Vorstandsmitglied der SPD Leipzig. Sie setzt sich hauptberuflich und ehrenamtlich in zahlreichen Projekten für das Gelingen der sozial-ökologischen Transformation ein.
Vielen Dank, dass ihr Euch die Mühe gemacht habt, eine Republik zu schreiben. Christian und ich, ich denke, ich kann für uns beide sprechen, haben großen Respekt vor Hermann Scheers Lebenswerk. Allerdings lassen sich die Zementindustrie oder auch die CO2 Abgase - sowohl die fossilen wie die biogen - einer Müllverbrennungsanlage nicht elektrifizieren. Das bedeutet, es braucht durchaus auch weitere komplementäre Lösungen für die Transformation - jenseits der Elektrifizierung.
Kurz zu den anderen Punkten: Erhöhung der Ausbeute aus fossilen Lagerstätten ist v.a. ein US-Phänomen. Diese Form von CCS wird, soweit ich das weiß, in Europa nicht diskutiert. Falls doch: Darum ging es uns nicht.
Teuer ist und bleibt CCS – ja. Die Risiken für Mensch und Umwelt lassen sich dagegen weitestgehend reduzieren.
Ich freue mich, wenn wir den Austausch in Zukunft, auch in direkter Form, fortsetzen können.
Viele Grüße
Lukas Daubner