EU-Parlament: Wie Rechte und Konservative das Lieferkettengesetz aushöhlen
Am Donnerstag haben die Konservativen im Europaparlament eine gemeinsame Mehrheit mit rechtspopulistischen Kräften genutzt, um das europäische Lieferkettengesetz weiter auszuhöhlen. Führende Sozialdemokrat*innen reagieren entsetzt.
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Im Europaparlament haben Konservative und Rechtsextreme gemeinsam für eine Aushöhlung des europäischen Lieferkettengesetzes gestimmt.
Die SPD-Vorsitzende Bärbel Bas sprach hinterher von einem „fatalen Zeichen“. René Repasi, Vorsitzender der SPD-Abgeordneten im Europaparlament, nannte den Vorgang „zerstörerisch“, sein Fraktionskollege Matthias Ecke nannte es einen „gefährlichen Dammbruch“. Doch was war am Donnerstag im Europaparlament eigentlich passiert? Zum ersten Mal seit der Wahl im Juni 2024 hat die konservative EVP-Fraktion unter Führung von CSU-Mann Manfred Weber bei einer Abstimmung über ein Gesetzesvorhaben gemeinsame Sache mit extrem Kräften wie der ungarischen Fidesz-Partei, dem Rassemblement National oder der polnischen PiS-Partei gemacht.
Repasi: „bis zum Ende gekämpft“
Dabei hatte Ursula von der Leyen bei ihrer Wiederwahl als Kommissionspräsidentin im vergangenen Jahr eigentlich fest zugesagt, dass genau das nicht mehr passieren sollte. Unter anderem davon hatten die SPD-Abgeordneten ihre Zustimmung zur Wahl von der Leyens abhängig gemacht. Doch dem bayerischen CSU-Abgeordneten scheint das Versprechen seiner niedersächsischen CDU-Kollegin auf europäischer Bühne recht egal zu sein. Nur so lässt sich das Abstimmungsverhalten von Webers EVP-Fraktion erklären.
Denn Repasi beteuerte: „Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben bis zum bitteren Ende für einen Kompromiss zwischen den demokratischen Parteien des Europäischen Parlaments gekämpft.“ Inhaltlich ging es darum, die europäische Lieferkettenrichtlinie abzuschwächen. Um diese rankt sich seit langem eine große Streitfrage zwischen dem Wunsch der Wirtschaft nach Bürokratieabbau auf der einen und dem globalen Schutz von Menschenrechten durch faire Lieferketten auf der anderen Seite.
Lieferkettengesetz soll erst ab 5.000 Beschäftigten gelten
Eigentlich soll das Lieferkettengesetz Unternehmen verpflichten, gegen Verstöße bei Menschenrechten und Umweltauflagen in ihren Lieferketten vorzugehen. Andernfalls sollen die Konzerne zur Rechenschaft gezogen werden. Mit den nun beschlossenen Lockerungen greift das Gesetz jedoch künftig erst bei Unternehmen mit mindestens 5.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro. Ursprünglich waren als Grenze 1.000 Mitarbeitende und eine Umsatzgrenze von 450 Millionen Euro vorgesehen. Auch enthält die neue Fassung des Gesetzes keine Klimaschutzauflagen für Unternehmen mehr.
Ursprünglich hatten sich Konservative, Liberale und Sozialdemokrat*innen bereits im Oktober auf einen Kompromiss im Rechtsausschuss des Europaparlaments geeinigt, der Lockerungen der Richtlinien vorsah. Repasi kritisierte daher nach der Abstimmung im Plenum am Donnerstag: „Die Christdemokrat:innen haben mit ihrem Rechtspakt die Brandmauer eingerissen. Wir haben gegen den Text gestimmt, der die einst ambitionierte Nachhaltigkeitsagenda unter den Bus wirft.“
Wettbewerbsvorteil aufgegeben
Bereits die ursprünglichen Änderungen an der Lieferkettenrichtline seien der Rolle der EU-Kommission als Vermittlerin nicht gerecht geworden, vor allem durch die Löschung der Haftungsregeln. Ein starkes europäisches Lieferkettengesetz wäre laut Repasi hingegen langfristig ein Wettbewerbsvorteil für fair wirtschaftende Unternehmen in Europa. „Die Christdemokrat:innen verbreiten eine gefährliche neue Erzählung, in dem sie Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit als Widersprüche inszenieren. Diese Erzählung kennen wir von Nationalisten und Rechtsextremisten“, kritisierte der SPD-Europaabgeordnete.
Sein Fraktionskollege Matthias Ecke schlug in dieselbe Kerbe: „Das war ein schwarzer Tag für Europa. Der Rechtspakt gefährdet Menschenrechte und Klimaschutz in Europa und weltweit.“ Er hoffe, dass mit dieser Abstimmung nicht das Ende von demokratischen Mehrheiten im Europaparlament eingeläutet worden sei, sagte Ecke in einem auf Instagram veröffentlichten Video. Für die sozialdemokratische Fraktion stellte er klar, dass diese weiter für faire Regeln und Europas Zukunft kämpfen wolle.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo