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„Brüsseler Erklärung“: Wie die Seeheimer die EU verändern wollen

Die Europäische Union steht unter Druck, von innen wie von außen. In einer „Brüsseler Erklärung“ macht der „Seeheimer Kreis“ der SPD-Bundestagsfraktion nun konkrete Reformvorschläge – und will damit auch der AfD etwas entgegensetzen.

von Kai Doering · 19. September 2025
Projektion der Europaflagge auf eine Holzwand

Um stark zu bleiben, muss sich die Europäische Union verändern. Der Seeheimer Kreis macht jetzt Vorschläge, wie.

Die Europäische Union hatte schon bessere Zeiten. Der Zoll-Streit mit den USA unter Donald Trump, die drohende Kriegsgefahr wegen des aggressiven Kurses von Russlands Präsident Wladimir Putin und eine größer werdende Gruppe europafeindlicher Abgeordneter im Europaparlament: Die EU steht von allen Seiten unter Druck. Vor diesem Hintergrund hat der „Seeheimer Kreis“, ein Zusammenschluss von SPD-Bundestagsabgeordneten, die sich selbst als pragmatisch bezeichnen, ein Strategiepapier mit Reformvorschlägen erarbeitet.

Europa als Garant für Wohlstand und Arbeitsplätze

„Wir fanden, dass es an der Zeit ist, als Seeheimer Kreis ein Grundsatz-Papier zu Europa vorzulegen“, sagte Daniel Walter dem „vorwärts“. Der Abgeordnete aus Düren hat das „Brüsseler Erklärung“ genannte Papier federführend erarbeitet. „Europa war und ist ein Friedens- und Freiheitsprojekt, aber es ist auch der Garant für unseren Wohlstand und unsere Arbeitsplätze“, betonte Walter, der auch Handelsbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion ist.

„Kein Mitgliedstaat ist groß genug, um allein mit den USA oder China zu verhandeln“, heißt es in dem Papier. „Gemeinsam aber zählt Europa zu den größten Märkten der Welt.“ In der „Brüsseler Erklärung“ fordert der Seeheimer Kreis, die EU müsse „die richtigen Lehren aus den Zollverhandlungen mit den USA ziehen, kurzfristig die Ergebnisse dieser Verhandlungen nachbessern und sich langfristig der eigenen Stärke bewusst machen“.

Mehr Unabhängigkeit und institutionelle Reformen für die EU

Um künftig unabhängiger zu sein, setzen die Abgeordneten darauf, europäische Kompetenzen im Bereich der Digitalisierung aufzubauen. „Nur eigene Fähigkeiten und Kapazitäten ermöglichen eine Europäische Souveränität“, heißt es in dem Papier. Unabhängiger soll die EU auch bei der Energieversorgung werden. Die Seeheimer schlagen dafür eine „europäische Energieunion mit grenzüberschreitenden Netzen, insbesondere für Wasserstoff“ vor.

Um sich auch nach innen zu stärken, macht der Seeheimer Kreis auch Vorschläge für institutionelle Reformen. „Wir brauchen eine offene Debatte über Mehrheitsentscheidungen in Schlüsselbereichen, um Europa strategisch weiterzuentwickeln“, schreiben sie in ihrem Papier. Die Verpflichtung zu einstimmigen Entscheidungen im Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs verhindere zurzeit „zukunftsweisende Entscheidungen“.

Daniel Walter: „Wer sich Patriot nennt, muss heute Europäer sein“

Zudem wollen die Seeheimer eine „kritische Debatte“ darüber führen, welche Entscheidungen auf welcher Ebene getroffen werden müssen. „Was kann Europa besser regeln und was sollten besser die Mitgliedstaaten, Regionen oder Kommunen übernehmen?“, fragen sie in ihrer „Brüsseler Erklärung“ und fordern: „Auch Kommunen müssen eine stärkere Rolle in der EU spielen.“

Insgesamt betonen die Seeheimer in ihrem Papier die Wichtigkeit der EU für Deutschland. „Kein Land in Europa hat so sehr von der Europäischen Einigung profitiert wie Deutschland. Europa ist Garantin für Sicherheit, Wohlstand und sozialen Zusammenhalt.“ Damit wollten die SPD-Abgeordneten der – vor allem von rechtsaußen – verbreiteten Erzählung, Deutschland bekomme nichts für das Geld, das es nach Brüssel schickt, etwas entgegensetzen. 

„Die europäische Integration und der europäische Binnenmarkt sind im ureigensten deutschen Interesse“, betont der Autor des Papiers, Daniel Walter. „Wenn sich jemand als Patriot bezeichnet, dann muss er heute Europäer sein.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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