Tariftreuegesetz im Bund: Wie Unternehmen und Beschäftigte profitieren
Immer weniger Beschäftigte in Deutschland arbeiten mit Tarifvertrag. Ein Gesetz der Bundesregierung will diesen negativen Trend stoppen. Einige Unternehmen werden profitieren, andere müssen ein Versprechen geben.
IMAGO/Christian Ohde
Nahezu alle Bundesländer haben gesetzliche Regelungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge. Für Ausschreibungen, die aus der Kasse des Bundes finanziert werden, soll es jetzt ebenfalls eine Regelung geben.
Aufträge des Bundes sollen künftig nur noch an Unternehmen gehen, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Das sieht ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Stärkung der Tarifautonomie durch die Sicherung von Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes“ vor, der am Freitag im Bundestag debattiert wird. Was das Tariftreuegesetz für Unternehmen und Beschäftigte bedeutet, beantworten wir hier.
Was sind die Ziele des Tariftreuegesetzes?
Das Gesetz verfolgt mehrere Ziele. Zum einen will es „die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie“ stärken und das Tarifvertragssystem stabilisieren, heißt es im Gesetzentwurf, kurz: für mehr Tarifbindung sorgen. Da immer weniger Arbeitgeber*innen sich an einen Tarifvertrag binden, nimmt auch die Anzahl der Arbeitnehmer*innen ab, für die ein Tarifvertrag gilt. Waren im Jahr 1998 noch 73 Prozent in Betrieben mit Tarifverträgen tätig, sank ihre Anzahl 2002 auf 68 Prozent und lag 2023 nur noch bei 49 Prozent. Der negative Trend bringt Nachteile mit sich, denn Beschäftigte mit Tarifvertrag verdienen mehr Geld und haben mehr Rechte.
Zum anderen soll das Gesetz aber auch für mehr fairen Wettbewerb sorgen: für Unternehmen, die sich an Tarifverträge halten. Sie sollen künftig keine Nachteile haben gegenüber Betrieben, die niedrigere Lohnkosten haben und so kostengünstigere Angebote machen können.
Ab wann greift das Tariftreuegesetz?
Laut Gesetzentwurf gilt es künftig für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags des Bundes ab einem geschätzten Wert von 50.000 Euro.
Was bedeutet das für die Unternehmen?
Ab einem Schwellenwert von 50.000 Euro müssen Arbeitgeber*innen künftig vertraglich zusichern, Standards bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags einzuhalten. Das sind die für die jeweilige Branche geltenden tariflichen Arbeitsbedingungen. Sie müssen zudem sicherstellen, dass das „Tariftreueversprechen“ auch für mögliche Subunternehmen gilt, müssen dies dokumentieren und auf Anforderung nachweisen.
Gehen Aufträge nur noch an Unternehmen mit Tarifbindung?
Nein. Allerdings sichern Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind, mit ihrem Tariftreueversprechen zu, im Rahmen des Auftrags tarifrechtliche Arbeitsbedingungen einzuhalten.
Wie profitieren Beschäftigte?
Laut Entwurf wird mit dem Gesetz die Grundlage dafür geschaffen, „dass tarifvertragliche Regelungen zur Entlohnung, zum bezahlten Mindestjahrurlaub sowie zu Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten und Ruhepausenzeiten durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales“ vorgegeben werden können. Ihnen wird damit ein gesetzlicher Anspruch auf tarifvertragliche Arbeitsbedingungen gewährt, den sie im Streitfall vor den Arbeitsgerichten durchsetzen können. Das bedeutet auch für Beschäftigte, die in nicht tarifgebundenen Betrieben tätig sind, dass sie im Rahmen ihrer Arbeit für einen vom Bund finanzierten Auftrag den für ihre Branche tarifvertraglichen Lohn erhalten, ebenso wie Zulagen und Weihnachtsgeld.
Insgesamt profitieren jedoch alle: Höhere Löhne spülen mehr Geld in die Sozialversicherungen und öffentlichen Kassen, führen zu mehr Kaufkraft und fördern die demokratische Mitbestimmung in den Betrieben.
Wer überprüft die Einhaltung des „Versprechens“?
Die Einhaltung der Tariftreue wird von einer neuen Prüfstelle Bundestariftreue kontrolliert.
Führt das Gesetz zu mehr Bürokratie?
Geplant ist eine bürokratiearme Ausgestaltung der Regelung mithilfe eines Zertifizierungsverfahren. Ist ein Zertifikat erteilt, entfallen Nachweispflichten.
Welche Sanktionen sind möglich?
Ja. Wer die Tariftreue unterläuft, muss mit Vertragsstrafen rechnen, mit einer Kündigung des Vertrages oder gar einem Ausschluss bei weiteren Vergaben.
Wo gibt es bereits Tariftreuegesetze?
Nahezu alle Bundesländer, ausgenommen Bayern und Sachsen, haben gesetzliche Regelungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge, die von den Ländern ausgeschrieben werden. Für Ausschreibungen, die aus der Kasse des Bundes finanziert werden, gab es eine solche Regel bislang nicht.
Wie geht es weiter?
Das gemeinsam von SPD-Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas und CDU-Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche vorgelegte Tariftreuegesetz wurde im August im Kabinett beschlossen. Nach der 1. Lesung im Bundestag am Freitag, den 10. Oktober 2025, wird der Entwurf den Ausschüssen überwiesen. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales wird die Federführung übernehmen. Das Tariftreuegesetz soll noch im Laufe des Jahres im Bundestag verabschiedet werden. Es bedarf abschließend der Zustimmung des Bundesrates.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.