Lars Klingbeil über Steuerpolitik: „Wer abzockt, darf nicht durchkommen“
SPD und Union streiten über eine höhere Besteuerung von Vermögen und Erbschaften. Der SPD-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil sieht Menschen mit hohen Rücklagen in der Pflicht, damit es gerechter zugeht. Er setzt aber auch auf einen entschiedenen Kampf gegen Steuerbetrug.
IMAGO/BMF
Kampf gegen Steuerbetrug: Der SPD-Co-Vorsitzende Lars Klingbeil besucht eine Zollkontrolle in Duisburg.
Weiterhin sollen die Aufbewahrungsfristen für Belege bei Banken und Versicherungen wieder auf zehn Jahre verlängert werden. Was erhoffen Sie sich davon?
Wer abzockt und betrügt, der darf damit nicht durchkommen. Sondern der muss auch damit rechnen, erwischt zuwerden. Deshalb wollen wir, dass länger geprüft werden kann, ob jemand Steuerbetrug begangen hat. Daher haben wir noch vor der Sommerpause die Verlängerung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von Banken, Ver- sicherungen und Wertpapierinstituten auf den Weg gebracht. Dadurch können Steuerhinterziehungen wie bei Cum/ Cum- und Cum/Ex-Geschäften länger verfolgt und nachgewiesen werden. Das sorgt für mehr Gerechtigkeit und sichert die Einnahmen des Staates.
Um staatliche Einnahmen zu sichern, wollen Sie als Finanzminister eine härtere Gangart gegen Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit und Geldwäsche einschlagen. Was ist geplant?
Ich habe das klare Ziel, Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit, Geldwäsche und damit Finanzkriminalität insgesamt entschieden zu bekämpfen. Das habe ich zu einem Schwerpunkt meiner Arbeit gemacht. Wir haben im Kabinett bereits Gesetzesverschärfungen auf den Weg gebracht, damit jeder Fall von kriminellen Cum/Cum- und Cum/Ex-Geschäften konsequent verfolgt wird, und damit Schwarzarbeit effektiv bekämpft wird. Dafür stärken wir auch den Zoll.
Wir legen eine härtere Gangart ein, um gegen diejenigen vorzugehen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit und auf dem Rücken von illegal beschäftigten Arbeitskräften bereichern. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit.
Sie wollen auch verstärkt gegen Schwarzarbeit vorgehen. In welcher Höhe bewegt sich der Schaden durch illegale Beschäftigung?
Als ersten Baustein habe ich einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem wir die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls schlagkräftiger und digitaler aufstellen. Wir erweitern die Kompetenzen, verbessern die Datenanalyse und vereinfachen die Prüfungen. Das wird dazu beitragen, Menschen besser vor Ausbeutung und katastrophalen Arbeitsbedingungen zu schützen und Schwarzarbeit zu verhindern.
Außerdem geht es um faire Rahmenbedingungen für alle, die sich an die Regeln halten. Die Ehrlichen dürfen nicht die Dummen sein. Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung schaden uns allen. Jeder hinterzogene Euro ist auch ein Euro weniger für Kitas, Schulen, Straßen und Schienen. Und unsere Sozialsysteme funktionieren nur, wenn jeder seinen Beitrag leistet.
Dass wir dringend die Zügel anziehen müssen, zeigen die Jahresergebnisse unserer Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll: Im vergangenen Jahr wurden dort fast 100.000 Strafverfahren eingeleitet. Es wurde eine Schadenssumme von mehr als 766 Millionen Euro durch Schwarzarbeit aufgedeckt, 150 Millionen Euro mehr als noch 2023. Das sind wichtige Ermittlungserfolge, die aber auch zeigen: Wir müssen noch viel mehr tun.
Lars
Klingbeil
Unsere Sozialsysteme funktionieren nur, wenn jeder seinen Beitrag leistet.
Wo muss investiert werden, um ein wirksames Vorgehen gegen Steuer betrug zu garantieren?
Ich möchte vor allem den Zoll weiter stärken. Das kann der Bund tun. Aber für die Finanzämter, die Steuerfahndung und die Staatsanwaltschaften sind die Länder zuständig: Da laufen die Prüfungen und Ermittlungen bei Verdacht auf Steuer hinterziehung. Anscheinend sind die Steuerprüfungen in den Ländern in letzter Zeit eher zurückgegangen. Das werde ich mit den Ländern intensiv besprechen.
In Deutschland sind die Vermögen sehr ungleich verteilt, auch weil Arbeitseinkommen höher besteuert werden als Einkommen aus Vermögen. Sehen Sie hier Handlungsbedarf?
Menschen, die sehr hohe Vermögen und Einkommen haben, sollten ihren Teil dazu beitragen, dass es in dieser Gesellschaft gerechter zugeht. Das ist meine Grundüberzeugung als Sozialdemokrat.
Der Koalitionsvertrag hat Kompromisse erfordert, das ist klar. Aber Grundüberzeugungen gebe ich nicht auf. Für uns bleibt immer der entscheidende Maßstab, dass es gerecht zugeht in unserem Land. Deshalb wollen wir auch kleine und mittlere Einkommen bei der Einkommensteuer entlasten. Wir wollen dass diejenigen, die jeden Tag hart arbeiten und fleißig sind, aber nicht mit hohen Einkommen nach Hause gehenentlastet werden.
Bei der Erbschaftsteuer führen aktuelle Regelungen dazu, dass bei Übertragung sehr hoher Vermögen meist nur geringe Steuern gezahlt werden. Der Koalitionspartner CDU/CSU lehnt Steuererhöhungen generell ab. Ist damit eine Reform der Erbschaftsteuer grundsätzlich vom Tisch?
Alle wissen, dass wir in ganz unterschiedlichen Bereichen Reformen auf den Weg bringen müssen, um unser Land zukunftsfähig zu machen. Mir ist dabei die Gerechtigkeitsfrage besonders wichtig. Denn die Bürgerinnen und Bürger haben zu Recht die Erwartung, dass alle etwas beitragen – also auch Menschen mit hohen Einkommen und Vermögen.
Lars
Klingbeil
Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass Gewinne nicht einfach verschoben werden und Konzerne sich ihrer Steuerpflicht entziehen.
Seit 1997 wird in Deutschland keine Vermögensteuer mehr erhoben. Dadurch geht den Länderhaushalten viel Geld für wichtige Investitionen verloren. Auch hier blockiert die Union: Sehen Sie trotzdem Spielräume für Verhandlungen?
Es stimmt, gerade in den Ländern und Kommunen muss stark investiert werden. Deswegen sind wir uns in der Koali tion sehr einig, die Handlungsfähigkeit von Ländern und Kommunen zu stärken. Wir wollen, dass viel stärker in moderne Infrastruktur, in gute Bildung, Digitalisierung und Gesundheitsversorgung investiert wird. Schon mit den Grundgesetzänderungen im März haben wir deshalb für größere Handlungsspielräume gesorgt. Jetzt stellen wir den Ländern und Kommunen 100 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung. Das hat es noch nie gegeben. Und das ist absolut notwendig.
Zu viel wurde kaputtgespart. Den Investitionsstau müssen wir jetzt beenden. Dieses Investitionspaket ist Teil der 500 Milliarden Euro, die wir insgesamt in die Modernisierung unseres Landes stecken. Außerdem haben wir beim Wachstumsbooster dafür gesorgt, dass der Bund die Mindereinnahmen der Kommunen durch Superabschreibungen und niedrigere Unternehmensteuern vollständig ausgleicht. Auch hier geht es um Milliardenbeträge, mit denen wir die Kommunen entlasten. Wir wollen starke und handlungsfähige Kommunen.
Alternativ zur Vermögensteuer wird in der SPD-Bundestagsfraktion auch über eine Vermögensabgabe für Superreiche diskutiert, auch von einer Milliardärssteuer ist die Rede. Wäre hier ein Kompromiss möglich und wie könnte eine solche Regelung aussehen?
Steuergerechtigkeit ist ein sehr wichtiges Thema für mich. Im Rahmen der G20 – also der 20 größten Industrie- und Schwellenländer – wurde eine wichtige Initiative zur fairen, globalen Besteuerung von Superreichen angestoßen. Diesen Prozess unterstützt Deutschland. Es geht darum, effektiv zu besteuern, indem die Steuertransparenz erhöht wird. Die Steuerbehörden sollen einen besseren Zugang zu Informationen bekommen. Da bringen wir uns schon jetzt intensiv ein.
Außerdem haben wir uns innerhalb der G7 gerade darauf geeinigt, bei der globalen Mindeststeuer weiter voranzugehen. Die von uns erzielte Einigung macht es möglich, dass wir den Kampf gegen Steueroasen, Steuerflucht und Steuerdumping jetzt weiter vorantreiben können. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass Gewinne nicht einfach verschoben werden und Konzerne sich ihrer Steuerpflicht entziehen. Wir haben gemeinsam mit unseren Partnern erreicht, dass die USA bei der globalen Mindestbesteuerung nicht im Weg stehen. Wir wollen weltweit den Wettlauf um die niedrigsten Steuersätze beenden. Diese Verhandlungen habe ich auch selbst intensiv geführt und werde sie weiter vorantreiben.
Lars
Klingbeil
Ich erwarte mehr Fantasie, als einfach nur Leistungskürzungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu fordern. Das ist mir zu billig.
Bei den Sozialsystemen soll gespart werden, gleichzeitig geht die Schere zwischen Reich und Arm weiter aus einander. Wie setzt dieser Widerspruch einen sozialdemokratischen Finanzminister unter Druck?
Für mich ist es eine Frage der sozialen Gerechtigkeit in unserem Land, dass auch Spitzenverdiener und Vermögende ihren Beitrag leisten. Und für die Sozialsysteme gilt: Wir brauchen Strukturreformen bei Gesundheit, Pflege, Bürgergeld und Rente, damit unser Sozialstaat stark, aber auch bezahlbar und gerecht bleibt.
Es gibt Menschen, die zu Recht den Sozialstaat brauchen. Alleinerziehende Frauen zum Beispiel, die arbeiten, aber trotzdem nicht genug Geld haben. Oder Ältere, die keinen Job mehr finden. Die brauchen einen handlungsfähigen Sozialstaat. Darum müssen wir uns kümmern. Und deswegen führe ich diese Debatte. Aber ich führe sie mit Augenmaß.
Wir brauchen Reformen, um die Beiträge dauerhaft stabil zu halten. Dabei erwarte ich in den öffentlichen Debatten mehr Fantasie, als einfach nur Leistungskürzungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu fordern. Das ist mir zu billig.
Daran anknüpfend, sehen Sie sich auf einem guten Weg?
Ja. Denn genau diese Reformen gehenwir jetzt an. Bärbel Bas hat gerade eine Sozialstaatskommission eingesetzt, die wichtige Impulse geben wird. Es geht vor allem darum, effizienter zu werden. Und bei allen Reformen muss klar sein, dass wir ein Land bleiben, das Menschen hilft, die Hilfe brauchen, weil sie in Not geraten oder krank werden.
Dieses Interview wurde schriftlich geführt.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.