Inland

Demokratie im digitalen Raum: Die SPD sagt den Tech-Milliardären den Kampf an

Wie demokratisch ist die digitale Welt aktuell? Und wie kann sie wieder demokratischer werden? Für SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf sind das zentrale Fragen, auf die die SPD Antworten finden muss. Im Interview erklärt er: Die Macht über unsere Debattenräume darf sich nicht auf wenige Einzelpersonen konzentrieren.

von Finn Lyko · 4. Dezember 2025
SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf sitzt in einem Büro.

„Digitale Räume sind zentraler Schauplatz der Machtfragen im digitalen Zeitalter“ - findet SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf.

Vor nur zehn Jahren versprachen Soziale Medien noch vor allem eins: mehr Demokratie und Teilhabe. Seit geraumer Zeit scheint diese Annahme jedoch in immer weitere Ferne zu rücken, denn die Konzerne hinter den Plattformen verfolgen zunehmend eigene politische Interessen - die nicht immer demokratisch sind. Am Freitag, den 5. Dezember diskutieren deshalb SPD-Politiker*innen und Expert*innen darüber, wie die digitale Welt wieder demokratischer werden kann (hier geht es zum Livestream der Veranstaltung). Für Generalsekretär Tim Klüssendorf ist das Thema ein besonderes Anliegen, erklärt er im Interview mit dem „vorwärts“.

Welchen Einfluss haben digitale Räume auf die Politik und die öffentliche Debatte in Deutschland?

Mit der Digitalisierung ist eine völlig neue Umwelt entstanden, in der unsere Smartphones, digitale Plattformen und Datenströme unseren Alltag bestimmen. Politische Debatten finden heute maßgeblich auf Plattformen wie Tiktok, X, Instagram und Facebook statt. Das Grundproblem dabei ist, dass die Infrastruktur, auf der diese Debatten geführt werden, nicht der Öffentlichkeit gehört. Stattdessen erleben wir, wie hyper-personalisierte Algorithmen libertärer amerikanischer Milliardäre bestimmen, was wir sehen. Digitale Plattformen sind also nicht neutrale Marktplätze, sondern zugleich als interessengesteuert handelnde Akteure zu betrachten - und digitale Räume sind damit zentraler Schauplatz der Machtfragen im digitalen Zeitalter.

Warum nimmt die SPD dieses Thema jetzt in den Fokus?

Wir haben den Anspruch, Politik aus einem tiefen Verständnis der aktuellen Zeit herauszumachen. Seit unserem letzten Grundsatzprogramm 2007, als das erste iPhone gerade auf den Markt kam, hat sich die Welt fundamental verändert. Diese Veränderungen – im Analogen wie im Digitalen – verlangen von uns neue, klare Antworten.

Deshalb haben wir den Kampf um die digitale Öffentlichkeit und die Rückeroberung von Diskursräumen für die Demokratie zu einem ersten inhaltlichen Schwerpunkt unseres neuen Grundsatzprogrammprozesses gemacht. Die SPD muss sich um die großen Fragen der Zeit, die Gelingensbedingungen der Demokratie kümmern - dafür ist dieses Thema ganz zentral.

Tim Klüssendorf

Die Steuerung der öffentlichen Debatte darf nicht das intransparente Privileg weniger Milliardäre bleiben.

Wie sehen sozialdemokratische digitale Räume aus? Und gibt es dafür bereits Beispiele in der Praxis?

Sozialdemokratische Räume sind Orte des offenen Austauschs, zu denen alle gleichberechtigt Zugang haben – das gilt auch im Digitalen. Dort schmort man nicht bloß im eigenen Saft, sondern trifft auf Menschen verschiedener Meinungen, tauscht ernsthaft Argumente miteinander aus. 

Auch für den Grundsatzprogrammprozess ist unser Ziel, Räume zu schaffen, ob digital oder analog, in denen wir aus der eigenen Blase rauskommen, in denen sich von Bürgerinnen und Bürgern über Influencer oder Promis bis NGOs alle einbringen können. So wollen wir gemeinsam eine konkrete Vorstellung einer gerechteren Zukunft entwickeln, für die wir alle leidenschaftlich kämpfen können. Auf dem Weg dorthin veranstalten wir derzeit zum Beispiel ein zweiwöchiges digitales Mitgliederforum. Unter anderem dort haben unsere über 350.000 Mitglieder die Möglichkeit, sich aktiv in den Prozess einzubringen – ehe es nächstes Jahr raus aus den Parteistrukturen und rein ins ganze Land geht.

Wie kann die Politik dazu beitragen, dass digitale Räume wieder demokratischer werden?

Die Antwort liegt klar in der Regulierung und der Herstellung von Transparenz. Politik muss dafür sorgen, dass auf digitalen Plattformen alle gleichberechtigt mitdebattieren können. Das bedeutet konkret: Algorithmen müssen transparent und nachvollziehbar sein. Die Steuerung der öffentlichen Debatte darf nicht das intransparente Privileg weniger Milliardäre bleiben. Einzelne Marktakteure dürfen nicht zu viel Macht auf sich konzentrieren.

Darüber hinaus hat das Ganze auch eine ganz analoge Komponente: Wenn Bürgerinnen und Bürger spüren, dass ihre Alltagssorgen angegangen werden und sich ihr Leben zum Besseren verändert, stärkt das das Vertrauen in die Demokratie. Damit steigt die Resilienz gegen Kräfte, die Hass und Hetze verbreiten – online wie offline.

Dieses Interview wurde schriftlich geführt.

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