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Burkhard Jung: „Es geht am Sonntag um die Frage vorwärts oder rückwärts“

Am Sonntag findet die entscheidende Runde der Oberbürgermeisterwahl in Leipzig statt. SPD-Kandidat Burkhard Jung sieht die Stadt vor einer Richtungsentscheidung.
von Kai Doering · 29. Februar 2020
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Was haben Sie gedacht als Sie am Sonntag die Wahlergebnisse in Hamburg gesehen haben?

Über das tolle Ergebnis der SPD in Hamburg und für Peter Tschentscher habe ich mir sehr gefreut, gerade weil ich weiß, wie seriös und engagiert er Politik macht. Das Ergebnis gibt auch uns in Leipzig Rückenwind.

In Hamburg hat die SPD um Bürgermeister Peter Tschentscher innerhalb weniger Wochen vor der Wahl ordentlich zugelegt und sich vom Zweitplatzierten, den Grünen, abgesetzt. Ist die Situation mit Leipzig vergleichbar?

Die Situation ist nicht so richtig vergleichbar. Die Menschen in Leipzig können ihren Oberbürgermeister ja direkt wählen und nicht wie in Hamburg Parteien, die dann den Ersten Bürgermeister bestimmen. Dadurch haben wir hier einen starken Personenwahlkampf, der sich nach dem Rückzug der Kandidaten und der Wahlempfehlung der Grünen und der Linkspartei noch einmal zugespitzt hat. Wir haben jetzt ja fast einen Zweikampf zwischen dem Kandidaten der CDU und mir um das Oberbürgermeisteramt.

Im ersten Wahlgang vor einem Monat haben Sie für viele überraschend nur auf dem zweiten Platz gelegen. Wie haben Sie in den vier Wochen vor dem zweiten Wahlgang darauf reagiert?

Ich bin bei meinen Themen geblieben, aber gleichzeitig auf Grüne und Linke zugegangen. Wir haben ganz offen und transparent miteinander gesprochen, was uns verbindet und welche Themen uns allen wichtig sind. Die Schnittmengen sind dabei sehr schnell klar gewesen. Das ist z.B. der öffentliche Nahverkehr, der soziale Wohnungsbau, aber auch neue Gemeinschaftsschulen und das Leben von Vielfalt und Toleranz. Damit hoffen wir, am Sonntag die Wählerschaft jenseits der CDU überzeugen zu können.

Während des vergangenen Monats ist bundesweit viel passiert: die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen, der rassistische Anschlag in Hanau. Hat das einen Einfluss auf die Oberbürgermeisterwahl in Leipzig?

Uns hat sehr bewegt, was Anfang des Monats in Erfurt geschehen ist. Am 5. Februar sind in der Innenstadt mehrere tausend junge Menschen zu einer Spontandemo zusammengekommen. Die Zusammenarbeit von CDU und FDP mit der AfD hat in Leipzig viele aufgeschreckt und wird sie sicher auch motivieren, am Sonntag zur Wahl zu gehen.

In der Stadt haben sich in den vergangenen Wochen zwei klare Lager gebildet. Wie erleben Sie Leipzig zurzeit?

Ich erlebe auf der Straße sehr viel Zuspruch, aber durch die Zuspitzung natürlich auch Menschen, die sich abwenden. Es geht am Sonntag um die Frage vorwärts oder rückwärts, Progressivität oder Konservativismus. Anhand dieser Unterschiede hat eine Zuspitzung auf die beiden Kandidaten stattgefunden, die sich auch im Wahlkampf bemerkbar macht. Das finde ich auch gar nicht schlimm. Wir müssen aussprechen, was uns unterscheidet. Ich möchte eine offene, transparente und vielfältige Gesellschaft, in der wir die Demokratie weiterentwickeln, den Klimaschutz vorantreiben und die Mobilitätswende ernst nehmen. Die andere Seite will dagegen das bewahren, was ist. Das bedeutet dann auch: oben bleibt oben und unten bleibt unten.

Wie lassen sich die beiden Lager nach der Wahl wieder zusammenführen?

Ich glaube nicht, dass der Graben so tief ist, dass das ein großes Problem ist. Ich möchte ein Bürgermeister für die ganze Stadt und alle Menschen in Leipzig sein. So habe ich es die vergangenen 14 Jahre auch gehalten. Dabei werde ich allerdings weiterhin eine klare Kante gegen Neonazis und die AfD zeigen. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich nicht auch auf die Menschen, die den Rechten ihre Stimme geben, weiter zugehen werde. Wenn man das mit einer klaren Haltung macht, wird es auch respektiert. Das zumindest ist meine Erfahrung.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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