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Andreas Bovenschulte: Warum der neue Bundesratspräsident die Vielfalt lobt

Der Bundesrat hat einen neuen Präsidenten: Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte. Im Interview erklärt der SPD-Politiker, was er am deutschen Föderalismus schätzt und wie er zu einer Initiative für ein Verbotsverfahren gegen die AfD steht.

von Nils Michaelis · 6. November 2025
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte nach seiner Wahl zum Bundesratspräsident

Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte nach seiner Wahl zum Bundesratspräsident am 17. Oktober.

Alle Jahre wieder wechselt zum 1. November die Bundesratspräsidentschaft. Seit Beginn dieses Monats steht Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte an der Spitze des Bundesrates. Als Bundesratspräsident nimmt der Sozialdemokrat vor allem repräsentative Aufgaben wahr und leitet die Plenarsitzungen. Für seinen neuen Posten hat sich der 60-Jährige allerdings einige handfeste politische Ziele vorgenommen.

Als Motto Ihrer Amtszeit als Bundesratspräsident haben Sie das Motto „VIELE STÄRKEN – EIN LAND“ ausgegeben. Es geht um die Solidarität zwischen kleinen und großen Bundesländern. An welchen Stellen kommt diese zu kurz?

Ich würde nicht sagen, dass sie zu kurz kommt. „VIELE STÄRKEN – EIN LAND“ betont die Zusammenarbeit und das Miteinander unter den Ländern und nicht das Gegeneinander. Es geht um die Vielfalt unseres Gemeinwesens, aus der ein hohes Maß an Gemeinsamkeit und Einigkeit erwächst. Und es geht darum, dass wir einen kooperativen und solidarischen Föderalismus haben. Aber natürlich bringen die 16 Bundesländer auch eigene Qualitäten und eigene Herausforderungen mit ein, und natürlich gibt es unterschiedliche Interessen und Diskussionen. Ich finde das nicht schlecht und bin froh, dass wir so einen Bundesstaat haben.

An der Spitze des Bundesrates folgen Sie auf die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger. Wie schwer ist es für kleine Länder, sich im Bundesrat Gewicht zu verschaffen? Was wollen Sie ändern?

Selbstverständlich spielen die Größe und das wirtschaftliche Gewicht eines Bundeslandes eine Rolle, keine Frage. Es kommt aber auch auf die Kraft der Argumente an. Die Arbeit des Bundesrates basiert letztlich darauf, dass die Länder miteinander auf Augenhöhe umgehen. Das ist eine der sehr angenehmen und erfreulichen Seiten des deutschen Föderalismus. Deshalb gibt es im Bundesrat auch nur ein begrenzte Stimmenspreizung zwischen drei Stimmen für das kleinste und sieben Stimmen für das größte Land. Und keine, die sich strikt an der Einwohnerzahl orientiert. Ansonsten würden Nordrhein-Westfalen rund 25-mal mehr Stimmen als Bremen zustehen.

Mehr politisches Gewicht verschafft man dem eigenen Land, indem man Themen voranbringt, die gut für die Gesamtgemeinschaft sind. Beispielsweise die Luft- und Raumfahrt. Die ist nicht nur bei uns in Bremen groß, in der City of Space, die ist in ganz Deutschland, in ganz Europa ein zentrales Zukunftsthema. Letztlich geht es darum, dass wir uns unsere technologische und verteidigungspolitische Souveränität erhalten oder auch erst wieder erarbeiten. Als einer der stärksten Raumfahrtstandorte Europas leistet Bremen dazu einen bedeutenden Beitrag. In enger Abstimmung zum Beispiel mit Bayern und Baden-Württemberg, mit denen wir in der Vergangenheit immer wieder erfolgreiche Initiativen zur Stärkung der Raumfahrt auf den Weg gebracht haben.

Zwischen Bund und Ländern gab es kürzlich Streit wegen der Erhöhung der Pendlerpauschale. Sie haben das kritisiert und gefordert, solche finanziellen Fragen künftig anders zu regeln. Woran haben Sie gedacht?

 Mein Leitsatz ist: Wer bestellt, muss auch zahlen. Das gilt insbesondere für Leistungsgesetze, die der Bund erlässt und die die Länder und Kommunen eine Stange Geld kosten. Hier sollten wir zu einer generellen Regelung kommen, damit wir uns nicht immer im konkreten Fall streiten müssen. Bei der Änderung von Steuergesetzen des Bundes, die zulasten der Länder gehen, ist die Lage etwas komplizierter. Aber auch hier wäre eine grundsätzliche Lösung sinnvoll.

Andreas
Bovenschulte

Ich bin froh, dass wir so einen Bundesstaat haben.

Wo sehen Sie sonst noch Reformbedarf in den Bund-Länder-Beziehungen?

Für meinen Geschmack bleiben Gesetzesinitiativen des Bundesrates zu lange unbearbeitet im Bundestag liegen. Das ist ein altes Problem und die Länder haben sich das bislang auch meistens gefallen lassen. Dabei hätten wir durchaus die Möglichkeit, mehr Druck zu machen, weil der Bundestag ja umgekehrt darauf angewiesen ist, dass der Bundesrat im Gesetzgebungsprozess zügig mitarbeitet. Dafür müssten allerdings alle Länder an einem Strang ziehen. 

Als politisches Ziel Ihrer Bundesratspräsidentschaft haben Sie die Stärkung des Rechtstaates ausgegeben. Was genau haben Sie vor? Was können der Bundesrat und Bremen gemeinsam tun, um die freiheitliche und soziale Demokratie zu verteidigen?

Eine konsequente Politik für Wachstum und Beschäftigung ist mir ein sehr großes Anliegen. Denn wirtschaftliche Stärke ist eine wesentliche Grundlage dafür, den demokratischen und sozialen Rechtsstaat verteidigen zu können. Das alleine wird aber nicht reichen: Wir müssen an jeder Stelle klare Haltung zeigen und die Feinde dieses Rechtstaats und der freiheitlichen Demokratie als solche benennen und bekämpfen, und zwar mit allen politischen und juristischen Mitteln. Die AfD will keine Reformen, sondern ein anderes System, in dem nichts mehr demokratisch, sozial oder freiheitlich wäre. Deshalb muss auch die konkrete Vorbereitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD endlich eingeleitet werden.

Wird Bremen im Bundesrat darauf dringen, ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme AfD auf den Weg zu bringen?

Wenn das Vorbereitungsverfahren zu dem Ergebnis führt, dass ein Verbotsantrag Aussicht auf Erfolg hat, dann sollte er auch gestellt werden - möglichst von Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung gemeinsam.

Was sind die weiteren politischen Schwerpunkte Ihrer Bundesratspräsidentschaft?

Wir müssen den europäischen Gemeinschaftsgedanken hochhalten und stärken, und zwar gemeinsam mit unseren Nachbarstaaten, gerade in der heutigen Zeit. Das ist in erster Linie natürlich Aufgabe der Bundesregierung und des Bundespräsidenten. Aber auch die Länder und der Bundesrat spielen da eine wichtige Rolle. Zumal Bremen in der Vergangenheit durchaus wichtige Beiträge zur europäischen Aussöhnung geleistet hat. Wir waren zum Beispiel 1976 die erste bundesdeutsche Stadt, die eine Städtepartnerschaft mit einer polnischen Stadt, nämlich mit Danzig, eingegangen ist.

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