Bayern: Bremer Bürgermeister Bovenschulte rockt das Bierzelt
Der Gillamoos ist der älteste Jahrmarkt Bayerns und verfügt über eine jahrhundertealte Tradition. Beim politischen Schlagabtausch am Montagvormittag gab es im Zelt der SPD dennoch eine Premiere.
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Andreas Bovenschulte (SPD), Bürgermeister von Bremen, spricht beim Politischen Frühschoppen auf dem Volksfest Gillamoos.
Im Vorfeld war Andreas Bovenschulte nachgesagt worden, er müsse mutig sein, als Bremer Bürgermeister im tiefsten Bayern am Gillamoos-Montag aufzutreten. Dort teilen Spitzen aus Landes- und Bundespolitik beim Polit-Frühschoppen traditionell mit markigen Reden gegeneinander aus. Als der Hanseat auf die Bühne im Bierzelt der SPD kam, waren es jedoch die anwesenden Genoss*innen, die Mut brauchten. „Wollt ihr mit mir ein Experiment wagen?“, rief Bovenschulte ihnen mit kraftvoller Stimme zu.
„We will rock you“ zum 39. Geburtstag
Ronja Endres, die Landesvorsitzende der BayernSPD, feierte an diesem Tag in Abensberg auf der Gillamoos-Wiese ihren 39. Geburtstag. Und weil die Genoss*innen zuvor nur zaghaft „Zum Geburtstag viel Glück“ gesungen hatten, schlug der Festredner vor: „Wollen wir der Ronja noch mal ein kämpferisches Statement singen?“ Was dann folgte, war royal. Denn Bovenschulte intonierte nichts weniger als den Queen-Klassiker „We will rock you“, während die Anwesenden im Takt dazu mitklatschten. Soweit klappte die bremisch-bayerische Völkerverständigung schon mal, auch wenn manch einer im Zelt bei Bovenschultes einleitenden Worten „Moin zusammen! Ik hoop, dat geiht euch good“ auf Norddeutsch-Plattdeutsch verständnislos schaute.
Andreas
Bovenschulte
Hier gehört es offenbar zur politischen Kultur, dass führende Repräsentanten viel Zeit damit verbringen, sich beim Akt der Nahrungsaufnahme zu fotografieren, was wir im Norden eher vermeiden, mit Rücksicht auf das ästhetische Empfinden unserer Mitmenschen.
Doch anschließend machte der Bürgermeister deutlich: „Ich bin der erste Bremer, der hier reden darf, aber das wurde auch Zeit. Denn allen Gerüchten zum Trotz: Wir Bremer mögen die Bayern sehr, wenn's nicht gerade um Fußball und politische Mehrheitsverhältnisse geht.“ Zwar gebe es auch einige Unterschiede – auf der einen Seite Brotzeit, Maßbier und Blasmusik, auf der anderen Seite Schietwetter, Shanty-Chor und Fischbrötchen. Und noch einen anderen Unterschied machte Bovenschulte aus. „Hier gehört es offenbar zur politischen Kultur, dass führende Repräsentanten viel Zeit damit verbringen, sich beim Akt der Nahrungsaufnahme zu fotografieren, was wir im Norden eher vermeiden, mit Rücksicht auf das ästhetische Empfinden unserer Mitmenschen“, sagte er mit einem Seitenhieb auf den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der auf Instagram regelmäßig zeigt, was #söderisst.
Bovenschulte kritisiert „Professoren, die noch nie körperlich hart gearbeitet haben“
Auch der nächste Lacher saß: Bovenschulte sagte, Söders Leidenschaft für die Fantasy-Reihe Star Wars könne er nicht ganz nachvollziehen, denn im Krieg der Sterne gehe es doch um den Sturz schwarzer Imperien – eigentlich eine Aufgabe der SPD. Deutliche Kritik übte Bovenschulte dann an den Plänen zum Abbau des Sozialstaates. „Die Neoliberalen und Konservativen aller Schattierungen blasen zum Halali auf den Sozialstaat. Wir müssen und wir werden den Sozialstaat verteidigen, mit Klauen und mit Zähnen. Das sind wir den Menschen schuldig, die auf Solidarität angewiesen sind“, sagte er. Denn die SPD mache Politik für Menschen, die hart arbeiten.
Bovenschulte kritisierte auf Seiten des politischen Gegners „Professoren, die noch nie körperlich hart gearbeitet haben, und Männer, die bei Hedgefonds Millionen gemacht haben“. Denn diese riefen am lautesten, dass die Rente nicht mehr bezahlbar sei. „Sie sitzen in ihren Büros, schreiben schlaue Gutachten und erklären dem Maurer, er soll doch bitte noch drei Jahre länger auf dem Gerüst herumklettern“, sagte der Bremer Bürgermeister.
SPD will Sozialstaat verteidigen
Das sei zutiefst unanständig Maurern, Krankenschwestern oder Schichtarbeitern gegenüber, „aber genau das machen ja die feinen Herren Professoren so gerne“, so der Bremer Bürgermeister: „Die Gutverdiener mit hoher Lebenserwartung belehren die Malocher mit kaputtem Rücken und wollen uns anschließend auch noch erzählen, das sei objektiv notwendig und gerecht.“ Deswegen werde die SPD diesen Sozialstaat gegen alle Widerstände verteidigen.
Die Worte des Gastredners kamen bei der bayerischen SPD gut an. Denn deren Generalsekretärin Ruth Müller sagte anschließend: „Den Gillamoos-Montag macht aus, dass in jedem Zelt gleichzeitig geredet wird, aber wir hatten heute den besten Redner, den man sich nur vorstellen kann.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo