Inland

Drohnen aus Russland: „Nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen“

Fast täglich dringen Drohnen aus Russland in den europäischen Luftraum ein. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz sieht darin eine gezielte Provokation. Im Interview sagt er, wie sich die NATO nun verhalten sollte und wo Deutschland bei der Drohnenabwehr Nachholbedarf hat.

von Kai Doering · 30. September 2025
russische Drohne von unten fotografiert fliegt in einem blauen Himmel

Russische Drohne über der Ukraine: Russland gegenüber verständlich machen, dass die ständigen Provokationen Konsequenzen haben werden.

In den vergangenen Wochen sind immer wieder russische Drohnen in den Luftraum europäischer Staaten eingedrungen. Mitte September gab es einen Zwischenfall mit russischen Kampfflugzeugen über Estland. Was bezweckt Russland damit?

All das sind weitere Versuche Putins, um auszutesten, wie weit Russland westliche Staaten und das westliche Bündnis provozieren kann und welche Reaktionen auf diese Provokationen folgen.

Abgesehen von Polen, das Anfang September mehrere russische Drohnen über seinem Staatsgebiet abgeschossen hat, reagieren die betroffenen Staaten bisher eher zurückhaltend. Wie bewerten Sie das?

Im Moment ist die Strategie, Ruhe zu bewahren und besonnen zu reagieren, damit die russischen Provokationen nicht zu einer Eskalation führen. Aus meiner Sicht ist es in dieser Phase auch der richtige Weg, nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich Russland gegenüber auch sehr klar verständlich machen, dass diese ständigen Provokationen Konsequenzen haben werden.

Andreas
Schwarz

Entscheidend ist, dass wir in der NATO beieinanderbleiben.

Wie könnten die aussehen?

Die Reaktionen können zum einen wirtschaftlicher Natur sein, sie können aber auch diplomatische Konsequenzen bis hin zum Abschuss haben. Wir sollten nicht voreilig etwas aus dem Handwerkskasten nehmen, was wir an Werkzeugen zur Verfügung haben. Nur so können wir der russischen Seite deutlich machen, dass es auch Grenzen gibt, die sie besser nicht überschreiten sollte.

Sowohl Estland als auch Polen haben nach den Vorfällen in ihrem Luftraum bei der NATO sogenannte Artikel-4-Beratungen beantragt, wonach der Nordatlantikrat sich mit dem Thema befassen muss. Wie groß ist Ihre Sorge, dass die Situation eskaliert?

Entscheidend ist, dass wir in der NATO beieinanderbleiben. Sicher sind die Toleranzen und Reaktionen in der politischen Bewertung von Land zu Land verschieden. Ich kann mir gut vorstellen, dass Polen aufgrund seiner Geschichte anders auf solche Provokationen reagiert und eine niedrigere Toleranzschwelle hat, als sie andere westliche Staaten haben. Deshalb ist es wichtig, dass die NATO-Partner sich eng abstimmen und es eine gemeinsame Antwort auf diese Grenzüberschreitungen Russlands gibt. Aber es ist klar, dass das nicht ganz einfach ist. Staaten wie Finnland, Estland oder Lettland, die eine direkte Grenze zu Russland haben, fühlen sich natürlich schneller betroffen in der Bedrohung als wir in Deutschland.

Trotzdem hat auch Deutschland inzwischen regelmäßig mit russischen Drohnen zu tun, die etwa über Militäreinrichtungen fliegen. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt will deshalb ein Drohnenabwehrzentrum einrichten. Was halten Sie von der Idee?

Grundsätzlich halte ich es für gut und notwendig, sich jetzt schnell Gedanken zu machen und zu handeln, wie wir mit dieser neuen Bedrohung umgehen. Ganz entscheidend wird sein, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass wir uns in Deutschland entsprechend verteidigen können, wenn es zu solchen Übergriffen kommt. Da gibt es noch einiges zu klären, was die Kompetenzen zwischen Bund, Bundeswehr, Bundespolizei, Landespolizei etc. angeht. Hier brauchen wir jetzt schnell Klarheit, etwa beim Luftsicherheitsgesetz.

Deshalb ist es gut, dass Alexander Dobrindt dieses Thema aufgreift. Ob wir gleich ein Drohnenabwehrzentrum brauchen, wird das weitere parlamentarische Verfahren zeigen. Der Luftraum über Deutschland ist ja keine unbeobachtete Zone, sondern wird schon heute engmaschig überwacht. Wenn man nach Analyse der Lage zu dem Schluss kommt, dass Deutschland ein solches Drohnenabwehrzentrum braucht, muss dessen Arbeit in enger Absprache mit Bundeswehr und mit der zivilen Luftüberwachung passieren und in die Sicherheitsarchitektur Deutschlands integriert werden. Wenn es um die Sicherheit der Menschen im Land geht, darf es keine Denkverbote geben.

Andreas
Schwarz

Wir brauchen ein vernünftiges Drohnenabwehrkonzept und vor allen Dingen auch ein Ausbildungs- und Beschaffungsprogramm.

Ist Deutschland zurzeit technisch überhaupt in der Lage, Drohnen effektiv abzuwehren?

Wir haben schon viele Möglichkeiten, uns vor Drohnen zu schützen, aber noch nicht flächendeckend. Der zivile Bereich verlässt sich zurzeit sehr stark auf die Bundeswehr, die aber im Inland nicht ohne weiteres agieren kann. Deshalb ist es so wichtig, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die genaue Kompetenzverteilung zu schaffen. Technisch gibt es sehr viele Möglichkeiten zur Drohnenbekämpfung von Störsendern über Drohnen, die Netze auswerfen, um andere Drohnen einzufangen, bis hin zu Laserwaffen.

Setzt die Bundeswehr all das auch schon ein?

Größtenteils ja. Der Nachholbedarf im zivilen Bereich ist jedenfalls deutlich größer als bei der Bundeswehr. Was sie hat, reicht aber nicht aus, um flächendeckend zum Beispiel alle Einrichtungen der Bundeswehr zu schützen, geschweige denn unsere kritische Infrastruktur wie Kraftwerke oder Flughäfen. Deshalb brauchen wir ein vernünftiges Drohnenabwehrkonzept und vor allen Dingen auch ein Ausbildungs- und Beschaffungsprogramm.

Der Gesprächspartner

Andreas Schwarz ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags und vertritt die SPD-Fraktion im Ausschuss für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat. Zudem ist er Berichterstatter der Fraktion für den Haushalt des Verteidigungsministeriums.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz im Gespräch
Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Di., 30.09.2025 - 14:07

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Ganz gesicherte Erkenntnisse !!!! Da müssen wir gegen halten !!!!
Erinnern wir uns an die 1980er Jahre wo permanent sowjetische Taucher, gar U-Boote, in Schwedens Schären gesichtet wurden. Mönchsrobben heißen sie auch im zivilen Sprachgebrauch.
Aber diesmal sind die Erkenntnisse ja gesichert. !!!!

Gespeichert von Günther Hauk (nicht überprüft) am Do., 02.10.2025 - 04:42

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Man erinnere sich an die vielen Sichtungen nach Donald Trumps Wahl im vergangenen Jahr.
Bis heute gibt es dort viele Registrierungen, auch über kritischer Infrastruktur, wie Militärflughäfen. Jedoch laufen die Diskussionen dort viel weniger voreingenommen. Aber hierzulande hat der Tag Struktur, den der Feind ist ja definiert.
Gruß auf!
Augen nach rechts!
Vorwärts-"Verteidung" Marsch!

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 02.10.2025 - 11:11

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Wer angesichts des Fotos, mit dem der Vorwärts seinen Bericht einführt, nicht 120 Mrd. € jährlich für Aufrüstung mindestens ausgeben will, dem ist nicht mehr zu helfen. Und da „in den vergangenen Wochen immer wieder russische Drohnen in den Luftraum europäischer Staaten eingedrungen sind“, beweist das Bild nicht nur unseren meisterhaften investigativen Journalismus, sondern auch, dass die „Bedrohung durch Russland wächst“ (24.9.25) und „wie heimtückisch Russlands Geheimdienste Europa attackieren“ (21.8.25). Zwar ist das gemeinte Eindringen von „Drohnen aus Russland“ nach Polen und Dänemark nicht ganz so klar, wie der Vorwärts es zu wissen vorgibt. Aber wer will schon genau hinschauen, wenn just zu dem Zeitpunkt der Dänemark-Attacke irgendwo vor dessen Küste ein geheimnisvolles russisches Kriegsschiff „entdeckt“ wird; da kann doch jeder eins und eins zusammenzählen. Denn das ist ja klar, in Russland können die Drohnen nicht aufgestiegen sein. Und was sollen die Russen wohl

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 02.10.2025 - 11:14

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sonst mit einem Kriegsschiff in der Ostsee während eines Nato-Manövers machen, als mit Drohnen den Flugverkehr in Dänemark zu stören - vielleicht auch in Schleswig-Holstein (Tagesspiegel, 26.9.25). Das vor Langeland „versteckte“ Schiff, von einem dänischen Boulevardblatt „entdeckt“, war selbstverständlich „Dänemarks Streitkräften bekannt“ (Frankfurter Rundschau, 1.10.25). (Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass irgendein russisches Kriegsschiff in der engen Ostsee auch nur eine Meile ohne permanente Überwachung schippern kann.) Aber es kommt ja gar nicht so auf die Einzelheiten an, meint auch Dänemarks Ministerpräsidentin, sondern „auf das Muster dahinter“, der „eigentliche hybride Krieg gegen Europa“ (Spiegel, 1.10.25) – und dazu ist ja nur ein Akteur befähigt. Gut, es hat erst kürzlich ein anderer Akteur ein schier unglaubliches Drohnen - Kabinettstückchen fertiggebracht,

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 02.10.2025 - 11:16

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als er 2000 km tief im russischen Hinterland „offenbar Dutzende russische Flugzeuge“ (Tagesschau vom 1.6.2025) der strategischen Flotte vernichtete. Wer das konnte, könnte leicht überall in der EU Drohnen starten. (Hätte er Grund dazu?)

Wer Vorfälle immer nach „dem Muster dahinter“ beurteilt, der legt schon vor der Sichtung fest, was er sehen wird. Das ist kein vernünftiges, (möglicherweise) aber sehr gefährliches Unterfangen zur Erkenntnisgewinnung. Allerdings schafft er so ein Narrativ, das die Kriegstüchtigkeit der eigenen Bevölkerung befördert. (Die wird in den nächsten Jahren angesichts der geplanten Aufrüstung auch dringend gebraucht – selbst ohne Krieg.) Wir sollten da nicht mitmachen. Meint Andreas Schwarz das?

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