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Belästigung von Frauen: Warum die SPD „Catcalling“ bestrafen will

90 Prozent der Frauen in Deutschland sind bereits Opfer von „Catcalling“ geworden. Die SPD will deshalb, dass die „gezielte, erhebliche, mündliche sexuelle Belästigung“ künftig strafbar ist. Bisher allerdings blockieren CDU und CSU.

von Lars Haferkamp · 10. September 2025
Nein zu „Catcalling“:  Ein Gruppe junger Frauen in Gelsenkirchen leistet mit der Aktion „Wir pfeifen zurück“ Widerstand gegen verbale sexuelle Belästigung

Nein zu „Catcalling“: Ein Gruppe junger Frauen in Gelsenkirchen leistet mit der Aktion „Wir pfeifen zurück“ Widerstand gegen verbale sexuelle Belästigung

„Hey! Sexy! Wie wär’s? Ey! Biste prüde oder was? Ey! Ich red‘ mir dir! Verklemmte Bitch! Du bist sowieso zu fett! Und jetzt zieh ab, sonst knallt’s!“ So oder so ähnlich sieht sie aus, die massive verbale sexuelle Belästigung – oft in der Öffentlichkeit und in der Gruppe. Rund 90 Prozent der Frauen und 80 Prozent der queeren Menschen sind in Deutschland bereits Opfer solcher Übergriffe geworden. Bei Männern sind es etwa 30 Prozent, sagen wissenschaftliche Studien. 

Bisher ist die „gezielte, erhebliche, mündliche sexuelle Belästigung“ erlaubt. Die SPD-Bundestagsfraktion will das nun ändern und unter Strafe stellen. Im Strafgesetzbuch gibt es hier eine Gesetzeslücke, die die SPD mit einem Gesetz schließen will.

Sonja Eichwede: Sexuelle Belästigung nicht tolerieren

„Verbale sexuelle Belästigung schüchtert Opfer ein, führt dazu, dass insbesondere Frauen und Mädchen den öffentlichen Raum meiden oder ihr Verhalten ändern“, argumentiert Sonja Eichwede, die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, gegenüber dem „vorwärts“. „Das dürfen wir als Gesellschaft nicht tolerieren.“ Ein neuer Straftatbestand soll das klare Signal senden: Nicht die Opfer sollen ihr Verhalten ändern, sondern die Täter.

Ein Problem dabei ist der Tatnachweis. Der soll künftig im konkreten Einzelfall geprüft und von einem Gericht beurteilt werden. Der oder dem Täter*in muss darüber hinaus Vorsatz nachgewiesen werden. Auch die Umstände der Tat sollen eine Rolle spielen. 

Sonja
Eichwede

Natürlich ist das Strafrecht ein scharfes Schwert, welches nur als Ultima Ratio herangezogen werden sollte, doch hier haben wir ohne Zweifel ein strafwürdiges Verhalten, das geahndet werden muss.

Neben Strafrecht auch Prävention, Aufklärung und Sensibilisierung

Kritiker*innen sagen, es sei schwierig, mündliche Belästigung und übliches Flirtverhalten haarscharf voneinander zu unterscheiden. Dem widerspricht Sonja Eichwede: Die Abgrenzung sei sehr wohl möglich. „Pfeifen oder unerwünschte Komplimente sind vielleicht nicht schön, aber sie überschreiten in der Regel keine Erheblichkeitsschwelle und sind damit nicht strafwürdig“, erklärt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende. „Gemeint sind Situationen, in denen Sprache durch erhebliche, gezielte, verbale sexuelle Belästigungen zu Gewalt wird und wirklich weh tut.“

Vorsatz und Zusammenhang der Äußerungen müssten geprüft werden, ähnlich wie bei anderen Delikten, beispielsweise bei Beleidigungen. Die Justiz sei dazu in der Lage. „Natürlich ist das Strafrecht ein scharfes Schwert, welches nur als Ultima Ratio herangezogen werden sollte, doch hier haben wir ohne Zweifel ein strafwürdiges Verhalten, das geahndet werden muss“, sagt Sonja Eichwede.

Für die SPD-Fraktion ist ein neuer Straftatbestand aber nur ein Baustein. Prävention, Aufklärung und Sensibilisierung sind ihr ebenso wichtig: in Schulen, bei der Polizei, in Ausbildungsstätten und in der öffentlichen Debatte. Dabei gehe es darum, die Verantwortung der Täter deutlich zu machen und zu zeigen, dass die Gesellschaft verbale Gewalt nicht toleriere, sagt betont Eichwede. Für sie gehört beides zusammen.

Eichwede: Begriff „Catcalling“ verharmlost das Problem

Die mündliche sexuelle Belästigung wird heute oft als „Catcalling“ bezeichnet. Der Begriff kommt aus dem Englischen, bedeutet wörtlich übersetzt „Katzenrufe“. Heute bezeichnet er vor allem sexistische mündliche Belästigung. „Ich finde den umgangssprachlichen Begriff Catcalling irreführend, weil er das Ausmaß des Problems verharmlost“, kritisiert Sonja Eichwede gegenüber dem „vorwärts“. Präziser und angemessener sei die Bezeichnung „verbale sexuelle Belästigung“.

Die Gesprächspartnerin

Sonja Eichwede ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und hier zuständig für die Bereiche Innen, Recht, Verbraucherschutz, Wahlprüfung, Immunität, Petitionen und Sport.

Sonja Eichwede ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und hier zuständig für die Bereiche Innen, Recht, Verbraucherschutz, Wahlprüfung, Immunität, Petitionen und Sport.

Andere Staaten in Europa sind schon weiter als Deutschland. Sonja Eichwede verweist auf Frankreich und Portugal, wo Belästigungen mit Geldstrafen belegt sind, und auf Spanien, wo in Härtefällen sogar Haftstrafen verhängt werden. 

Doch ob es auch in Deutschland zu einer Änderung des Strafrechts kommt? CDU und CSU lehnen dies bisher ab. Die Union spricht von symbolischer Gesetzgebung, die in der Praxis nichts bringe. „Die Koalitionsvereinbarung sieht vor, das Strafrecht zu modernisieren und Lücken zu prüfen“, erinnert Sonja Eichwede. „Es ist eine Prüfung nicht hinsichtlich des Obs, sondern hinsichtlich des Wies bei verbalen sexuellen Belästigungen vereinbart.“ 

Unterstützung von Bundesjustizministerin Stefanie Hubig

Ihre Parteifreundin, Bundesjustizministerin Stefanie Hubig, unterstützt den Vorstoß der SPD-Bundestagsfraktion. „Ein neuer Straftatbestand für verbale sexuelle Belästigung ist aus meiner Sicht durchaus denkbar“, sagte die Ministerin der „Rheinpfalz“.

Im Februar scheiterte allerdings das rot-grün regierte Land Niedersachsen im Bundesrat mit einem Vorstoß zur Strafbarkeit. Doch davon will sich Sonja Eichwede nicht entmutigen lassen. Die Befürchtungen der Kritiker nach dem Motto „Dann dürfe man gar nichts mehr sagen“, hält sie für „unbegründet“ und polemisch. Für sie ist klar: „Eine Polemik darf nicht davon ablenken, dass hier eine Strafrechtslücke besteht und Frauen und Mädchen geschützt werden müssen.“

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Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mi., 10.09.2025 - 12:01

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bei all den neuen Straftatbeständen dürfen wir nicht ausser Acht lassen, dass damit auch die Statistik nach oben getrieben wird. Immer mehr Straftaten, dass ist es doch, was die AfD in die Lage versetzt, nachzuweisen, dass die Innere Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Also wäre eine niederschwelligere Lösung zu erwägen, wenigstens im Sinne einer statistisch relevanten Kompensation- also vorhandene Straftaten zu streichen, damit Platz für die neuen da ist, in der Statistik, und auch bei den nicht mitwachsenden personellen Kapazitäten der Strafverfolger

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mi., 10.09.2025 - 13:44

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Da haben wir also ein neues Wort, natürlich angelsächsisch, un wahrscheilich aus so einem dubiosen Brauhaus das sich in dn USA University nennt. Zst das das neueste Update des wokismus ?
Könnte die SPD such bittebitte um eine vernünftige Sozalpolitik, Bildungspolitik ..... und Friedenspolitik kümmern !!!!!!!

Gespeichert von Stefan Giessinger (nicht überprüft) am Do., 11.09.2025 - 02:16

Antwort auf von Armin Christ (nicht überprüft)

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Hier wird doch schon vernünftige Sozialpolitik gemacht! Die Solidarität zwischen Mann und Frau ist Grundstein der Partei und stammt nicht von irgendwelchen amerikanischen Wokes. Es ist Zeit, dass man Catcalling als das bezeichnet, als was es ist: Ein Zeichen für die Erniedrigung und Objektifizierung des weiblichen Körpers

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